29.03.2023

EU-Kommission kündigt Leitlinien zum Behinderungsmissbrauch an und aktualisiert Durchsetzungsprioritäten

EU
Kommission
Missbrauchsaufsicht
Art. 102 AEUV
Behinderungsmissbrauch
Leitlinien

 

Konsultationsdokument (hier zu laden): Guidelines on exclusionary abuses of dominance (europa.eu)

Mitteilung: 2023 03 03 - Amending Communication_Post ISC_NCA.docx (europa.eu)

Annex zur Mitteilung: 20230327_amending_communication_art_102_annex.pdf (europa.eu)

Policy Brief: Policy Brief (europa.eu) 

Die EU- Kommission hat am 27. März 2023 Leitlinien zu Art. 102 AEUV über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Behinderungsmissbrauch angekündigt (Call for Evidence). Sie bittet dazu um Rückmeldungen bis zum 24. April 2023. Die Kommission plant, bis Mitte 2024 einen Entwurf der neuen Leitlinien zu veröffentlichen; sie sollen im Jahr 2025 verabschiedet werden. Bis zur Verabschiedung der angekündigten Leitlinien findet auch weiterhin die 2008 veröffentlichte Mitteilung zu den Durchsetzungsprioritäten beim Behinderungsmissbrauch Anwendung. Diese hat die Kommission ebenfalls am 27. März 2023 aktualisiert. Nach Verabschiedung der neuen Leitlinien soll die Mitteilung zu den Durchsetzungsprioritäten zurückgezogen werden. 

Die Generaldirektion Wettbewerb hat zudem einen Policy Brief mit dem Titel "Ein dynamischer und praktikabler wirkungsorientierter Ansatz für Artikel 102 AEUV", veröffentlicht, in dem die Hintergründe ihrer Initiative sowie die in der Mitteilung vorgenommenen Änderungen der Leitlinien von 2008 zu den Durchsetzungsprioritäten noch einmal näher erläutert werden. 

Hintergrund: 

Bislang gibt es keine Leitlinien zur näheren Erläuterung des Anwendungsbereichs von Art. 102 AEUV. Die Kommission hatte lediglich 2008 ihre Durchsetzungsprioritäten in diesem Bereich in Form einer Mitteilung veröffentlicht (c_04520090224de00070020.pdf (europa.eu)). Seit 2008 haben die Gerichte der Europäischen Union 32 Urteile zum Behinderungsmissbrauch gefällt, der den häufigsten Anwendungsbereich von Artikel 102 AEUV darstellt. 

Die Leitlinien zum Behinderungsmissbrauch sollen künftig mehr Klarheit und Vorhersehbarkeit in Bezug auf den allgemeinen Prüfungsrahmen für Fälle von Behinderungsmissbrauch durch Unternehmen in marktbeherrschender Stellung schaffen. Sie sollen die Rechtssicherheit bei der Rechtsanwendung erhöhen und die Rechtsprechung der EU-Gerichte sowie die umfangreichen Erfahrungen der Kommission bei der Durchsetzung von Artikel 102 AEUV widerspiegeln. In der heute ebenfalls veröffentlichten Mitteilung zur Änderung der Durchsetzungsprioritäten beim Behinderungsmissbrauch erläutert die Kommission ihre bisherige und künftige Vorgehensweise in diesem Bereich. Darin stellt sie klar, dass sie in Märkten, die durch Netzeffekte oder andere hohe Marktzutrittsschranken gekennzeichnet sind, Praktiken eines marktbeherrschenden Unternehmens untersuchen kann, die geeignet sind, Wettbewerber, die (noch) nicht so effizient sind wie das marktbeherrschende Unternehmen, vom Markt auszuschließen. Darüber hinaus kann die Kommission auch Fälle untersuchen, in denen ein marktbeherrschendes Unternehmen unlautere Bedingungen für den Zugang zu einer bestimmten Vorleistung auferlegt („constructive refusal to supply“) selbst wenn es keine Beweise dafür gibt, dass diese Vorleistung unerlässlich ist. Weitere Anwendungsfälle und Themen werden in dem veröffentlichten Policy Brief der GD Wettbewerb näher aufgeführt (z. B. Begriff der wettbewerbswidrigen Marktabschottung, die Anwendung des „as-efficent-competitor“-Tests, bestimmte Arten der Lieferverweigerung und die Einstufung eines Verhaltens als Kosten-Preis-Schere).