28.06.2018

Bundeskartellamt möchte Algorithmen näher aus Wettbewerbssicht ausloten

Am 19. Juni 2018 hat das Bundeskartellamt mitgeteilt, dass es gemeinsam mit der französischen Wettbewerbsbehörde ein gemeinsames Projekt zu Algorithmen und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb aufgesetzt habe. Dieses Projekt solle vor allem dazu dienen, die sich aus dem Einsatz von Algorithmen ergebenden Herausforderungen zu analysieren und mögliche konzeptionelle Ansätze zum Umgang mit diesen zu identifizieren. Es soll an das Papier „Competition Law and Data" zu Daten und ihren Auswirkungen auf das Wettbewerbsrecht, das von beiden Wettbewerbsbehörden am 10. Mai 2016 veröffentlicht worden sei, anknüpfen (vgl. dazu auch FIW-Bericht vom 11.05.16). Die beiden Wettbewerbsbehörden werden am Ende des Projekts ein gemeinsames Arbeitspapier veröffentlichen.

Losgelöst von den unbestrittenen Vorteilen von Algorithmen für Unternehmen, die sie verwenden, sollen vor allem die nachteiligen Auswirkungen von Algorithmen auf den Wettbewerb im Fokus der Untersuchung stehen, vor allem dann wenn sie Absprachen begünstigen und zur Bildung von Kartellen beitragen oder sich aus ihnen zusätzliche Markteintrittsschranken ergeben.

Hintergrund:

Insbesondere seit dem Google-Verfahren sind Algorithmen verstärkt in den Fokus der Kartellbehörden getreten. Die zunehmende Verwendung von Algorithmen zur dynamischen Preisanpassung wird derzeit mehr denn je von den europäischen Kartellbehörden als eine Herausforderung für einen funktionierenden Wettbewerb angesehen. Nach Ansicht der Europäischen Kommission und des Bundeskartellamts können Unternehmen nicht Algorithmen vorschieben, um sich ihrer kartellrechtlichen Verantwortung zu entziehen.

Die Europäische Kommission hatte schon im letzten Jahr verschiedentlich verlautbaren lassen, dass es generell problematisch sei, wenn ein Algorithmus einer Suchmaschine es Suchenden erschwere, Konkurrenzprodukte ausfindig zu machen. Dies könne zu höheren Preisen und einer geringeren Auswahl für Verbraucher führen. Algorithmen von Unternehmen würden auch zunehmend dazu genutzt, um die Preise von Wettbewerbern zu beobachten. Die Sektoruntersuchung zum Online-Handel habe gezeigt, dass zwei Drittel der Einzelhändler, die die Preise ihrer Konkurrenzpreise verfolgen, dazu automatische Systeme nutzten. Einige Händler täten dies auch, um mittels dieser automatisierten Systeme ihre Preise automatisch anzupassen. In der Regel würden automatisierte Preisanpassungen sogar zu niedrigeren Preisen für die Verbraucher führen. Allerdings könnten automatisierte Systeme auch dazu verwendet werden könnten, um eine illegale Abstimmung von Preisen unter Wettbewerbern effektiver zu gestalten.

Nach Ansicht der Europäischen Kommission sind natürliche Personen - und durch sie juristische Personen - für die Konsequenzen der Algorithmen auch im Bereich der Wettbewerbspolitik verantwortlich, die sie verwenden. Dies gelte auch für selbstlernende Algorithmen, da ein Algorithmus eine von Menschen entwickelte Software sei, deren Qualität von den Daten abhinge, die ihr zur Verfügung gestellt würden. Die Kommission ist der Überzeugung, dass Unternehmen die Konsequenzen für das kartellrechtswidrige „Verhalten" ihrer Maschinen tragen müssten, wenn es zu einer (computergesteuerten) Abstimmung zwischen Wettbewerbern kommt. In einem horizontalen Kontext könnten Algorithmen zur Überwachung der vereinbarten Preise dienen, um eine bereits bestehende explizite Absprache abzusichern oder zu ermöglichen. Sie könnten auch als Kommunikationsmittel eingesetzt werden, um eine stillschweigende Vereinbarung zu treffen. In einigen Fällen liege der Schwerpunkt des Algorithmus auf der Monitoring-Funktion der Preissoftware. In einem vertikalen Kontext könnten die Preisüberwachungsalgorithmen zudem von den Lieferanten verwendet werden, um "empfohlene" Preise zu überwachen und letztlich (nicht zulässige) Fest- oder Mindestpreise durchzusetzen. Preisüberwachungsalgorithmen durch einen Einzelhändler könnten auch die Wirkung haben, dass sich generell ein höheres Preisniveau durchsetzt.

Nach Einschätzung der Europäischen Kommission im letzten Jahr (entsprechend ihrer Eingabe an die OECD, vgl. FIW-Bericht vom 03.07.2017) könnten Preisalgorithmen in den meisten Fällen anhand der traditionellen Instrumente des EU-Wettbewerbsrechts geprüft und sanktioniert werden.