19.01.2011
Nordrhein-Westfalen reformiert Gemeindewirtschaftsrecht
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat am 15. Dezember 2010 das „Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts" beschlossen, mit dem die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen erneut geändert wurde. Es wurde am 21. Dezember 2010 verkündet und am 28. Dezember 2010 im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen veröffentlicht.
Mit dem Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts konkretisieren die Regierungsfraktionen in Nordrhein-Westfalen ihre Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, wirtschaftliches Handeln der Energie und Entsorgungswirtschaft so weit wie möglich der öffentlichen Hand zuzuordnen.
Erklärtes Ziel des Gesetzgebers - laut Gesetzentwurf vom Juli 2010 (Drucksache 15/27) - ist es, „die Wettbewerbsfähigkeit der Kommunalwirtschaft in Zeiten von deregulierten Märkten zu erhalten und wieder zu verbessern" sowie „bestehende Wettbewerbsbeschränkungen für kommunale Stadtwerke aufzuheben". Zum Spannungsverhältnis zwischen Kommunalwirtschaft und der Privatwirtschaft und zur Notwendigkeit der Änderung heißt es: „ Die letzten Jahre haben gezeigt, dass eine Privatisierung von in öffentlicher Trägerschaft erbrachten Leistungen nicht zwangsläufig mehr Verbraucherrechte, preisgünstigere Angebote, höheres Qualitätsniveau oder höheren Gemeinwohlnutzen erzeugt. Im Gegenteil, wenn wenige große Unternehmen die Märkte beherrschen, bleiben Angebotsvielfalt und Wahlfreiheit für die Verbraucher meist auf der Strecke."
Die Änderungen zur bisherigen Rechtslage belaufen sich im Wesentlichen auf Folgende:
- Abschwächung der Zweckbindung: Für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde wird ein „dringender" öffentlicher Zweck ist nicht mehr für erforderlich angesehen; ein öffentlicher Zweck reicht aus (§ 107 Abs. 1 GO). Damit wird der Regelungsgehalt des GO-Reformgesetzes von 2007 rückgängig gemacht.
- Lockerung der Subsidiaritätsklausel (§ 107 Abs. 1 GO): Ebenfalls wird die 2007 vorgenommene Verschärfung der Subsidiaritätsklausel zurückgenommen. Nun soll die Gemeinde sich bereits dann wirtschaftlich betätigen dürfen, wenn der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann (soweit sich die Tätigkeit nicht auf die Wasserversorgung, den öffentlichen Verkehr sowie den Betrieb von Telekommunikationsleitungsnetzen einschließlich der Telekommunikationsdienstleistungen richtet).
- Einfügung von § 107a GO: Eine energiewirtschaftliche Betätigung (Strom-, Gas- und Wärmeversorgung) ist zulässig, sobald sie in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht (Abs. 1). Auch die Aufnahme einer überörtlichen energiewirtschaftlichen Betätigung ist unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zulässig, wenn die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind (Abs. 3). Die Aufnahme einer energiewirtschaftlichen Betätigung auf ausländischen Märkten ist ebenfalls unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zulässig und steht unter Genehmigungsvorbehalt. Interessant ist, dass die energiewirtschaftliche Betätigung nicht mehr als nicht wirtschaftlicher Bereich im Sinne des § 107 Abs. 2 (wie die Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung) eingeordnet wird, sondern als „wirtschaftliche Tätigkeit" anerkannt wird. Allerdings wird für diese der öffentliche Zweck von vorneherein festgestellt; der Bindung an eine Subsidiaritätsklausel ist sie allerdings enthoben.
- Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit und der Kooperationsformen: In § 108 GO NRW wird eine Regelung aufgehoben, derzufolge die Möglichkeiten kommunaler Kooperation eingeschränkt werden. Nun sind auch interkommunale Dienstleistungs- oder Beschaffungsgesellschaften sowie die Anstalt öffentlichen Rechts ist als Kooperationsform ohne weiteres erlaubt.