21.09.2018
Studie zur Modernisierung der Missbrauchsaufsicht im Auftrag des BMWi veröffentlicht
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https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/modernisierung-der-missbrauchsaufsicht-fuer-marktmaechtige-unternehmen.html
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/modernisierung-der-missbrauchsaufsicht-fuer-marktmaechtige-unternehmen.pdf?__blob=publicationFile&v=14 |
Eine vom BMWi in Auftrag gegebene Studie über die „Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen" wurde am 4. September 2018 dem BMWi übergeben. Die Studie wurde von Prof. Dr. Heike Schweitzer (Sonderberaterin von EU-Wettbewerbskommissarin Vestager für Digitalisierung und Wettbewerbspolitik; Humboldt-Universität zu Berlin), Prof. Dr. Justus Haucap, (2008 bis 2012 Vorsitzender der Monopolkommission; Universität Düsseldorf) und Prof. Dr. Wolfgang Kerber (Universität Marburg) erstellt. Fragestellung war, inwieweit das Kartellrecht aktuell in der Lage ist, wirksam und rechtzeitig den Wettbewerb gegen neuartige Gefährdungen der digitalen Wirtschaft zu schützen. Diese Frage stellt sich vor allem wegen der zunehmenden Bedeutung von digitalen Plattformmodellen und Daten als kritische Ressource in Produktions- und Distributionsprozessen. Die Studie bestätigt, dass das bestehende Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen im deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht auch in Zeiten der Digitalisierung grundsätzlich gut geeignet ist, Wettbewerbsgefährdungen zu erfassen. Allerdings gebe es Fälle, in denen die kartellrechtliche Interventionsschwelle abgesenkt werden sollte. Insbesondere rät die Studie zu Änderungen des deutschen Missbrauchsrechts, vor allem mit dem Ziel, nicht dem Leistungswettbewerb entsprechende Verhaltensweisen von digitalen Unternehmen auf dem Weg in eine marktbeherrschende Stellung bereits vor Erlangen derselben kartellrechtlich kontrollieren zu können.
Die Studie stellt fest, dass die bestehenden kartellrechtlichen Regelungen grundsätzlich gegen die neuen Wettbewerbsgefährdungen gewappnet sind. Vor allem § 20 I GWB und § 20 III GWB stellten angesichts der digitalen Herausforderungen eine wertvolle „Flexibilitätsreserve" dar. Zudem spricht sie sich für eine Flexibilisierung der Marktabgrenzung aus. Ein fallgruppenübergreifendes Absenken der Interventionsschwelle, z. B. durch Einführung eines Monopolisierungsverbots oder des SIEC-Tests, lehnen die Autoren zum größten Teil ab. Die Gutachter betonen, dass bei der Absenkung der Interventionsschwelle die Gefahr steigender „false positive" -Kosten steige. Die vorgestellten Maßnahmenempfehlungen seien deswegen überwiegend fallspezifisch. Die wichtigsten Handlungsvorschläge sind:
- Streichung der Schutzbereichsbeschränkung des § 20 I GWB auf kleine und mittlere Unternehmen.
- Einführung eines neuen § 20a oder § 20 VI GWB, der Plattformanbietern in engen Oligopolen eine missbräuchliche Behinderung von Wettbewerb untersagt, insoweit diese strategische Behinderung geeignet ist, ein Tipping des Marktes zu begünstigen.
- Begriffliche Einführung von Intermediationsmacht in § 18 I GWB zur Erhöhung der „Rechtsklarheit" bei der Ermittlung der Marktbeherrschung.
- Erweiterung des § 36 I GWB: Ein Zusammenschluss soll dann untersagt werden können, wenn der Zusammenschluss Teil einer Gesamtstrategie ist, in deren Rahmen systematisch kleine, wachstumsstarke Unternehmen aufgekauft und damit der Wettbewerb erheblich behindert wird.
- Verzicht auf das Kriterium des „üblich zugänglichen Geschäftsverkehrs" in der gerichtlichen Interessenabwägung bei Datenzugangsansprüchen von Drittanbietern auf Wertschöpfungsnetzwerken.
Das BMWi wird die Empfehlungen der Studie nun prüfen. Die Erkenntnisse des Gutachtens und des BMWi sollen in die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 und die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen einfließen.