02.04.2014

Trilogergebnis bei Schadensersatzklagen im Wettbewerbsrecht nun in Textform

Am 26. März 2014 hat der Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV) den bereits am 18. März 2014 ausgehandelten Kompromiss zwischen Rat, Europäischen Parlament und Kommission in einem weiteren  Triloggespräch zum  Richtlinienentwurf des Rats und des Europäischen Parlaments über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union bestätigt (vgl. FIW-Bericht vom 20.03.14). Mittlerweile liegt der konsolidierte Kompromisstext (in englischer Sprache) vor.

Hintergrund:

 

Die EU- Kommission hatte am 11. Juni 2013 ein Maßnahmenpaket zum kollektiven Rechtsschutz sowie zu Schadensersatzklagen im Wettbewerbsrecht veröffentlicht (vgl. FIW-Bericht vom 13.06.13). In dem dazu gehörenden Richtlinienvorschlag (des Rates und des Europäischen Parlaments) über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union hatte die EU-Kommission auf eine verbindliche Einführung von EU-Sammelklagen verzichtet. Sie beschränkte sich stattdessen auf eine unverbindliche Empfehlung an die Mitgliedstaaten, kollektive Rechtsschutzelemente in verschiedenen Rechtsgebieten einzuführen.

Wesentlicher Inhalt des Kompromisses laut Kompromisstext (in Ergänzung zum FIW-Bericht vom 20.03.14):

 

·         Anspruch auf volle Kompensation: Zwar enthält der Richtlinientext im Vergleich zum Berichtsentwurf für das Europäische Parlament keinen ausdrücklichen Ausschluss von Strafschadensersatzzahlungen, dennoch soll dem Grundsatz gefolgt werden, dass diese Richtlinie nicht zu einer Überkompensation durch solche Strafschadensersatzzahlungen führen soll.

 

·         Offenlegung von Beweismitteln: Dem Gericht soll jetzt die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Offenlegung von Beweisen anzuordnen. Die Anordnung der Vorlage ganzer Kategorien von Beweisstücken wird auf „relevante“ Kategorien eingegrenzt. Eine nicht-spezifische Informationssuche (so genannten „fishing expeditions“) wird explizit ausgeschlossen.

 

Ein Kompromiss wurde im Hinblick auf den Schutz von Dokumenten, die sich in den Akten einer Wettbewerbsbehörde befinden, insbesondere bei Kronzeugenregelungen gefunden. Hierbei wurde grundsätzlich der Linie des Rates gefolgt und eine sogenannte „black list“ eingeführt,  die Dokumente zu Kronzeugenanträgen und Vergleichsausführungen vor Offenlegung schützt.

 

·         Bindungswirkung nationaler Behörden- und Gerichtsentscheidungen: Es besteht keine Bindungswirkung nationaler Behörden-und Gerichtsentscheidung in anderen Mitgliedstaaten; die Entscheidungen sind jedoch vor dem nationalen Gericht als prima facie-Beweis zuzulassen.

 

·         Verjährung: Die von der Kommission vorgeschlagene Mindestverjährungsfrist von fünf Jahren bleibt bestehen. Die Hemmung der Verjährungsfrist, die durch die Einleitung eines Verfahrens durch eine Wettbewerbsbehörde eintritt, beträgt entsprechend dem Kommissionsentwurf ein Jahr nach finaler Behördenentscheidung.

 

·         Gesamtschuldnerische Haftung: Auch der Kommissionsvorschlag zum Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung wurde im Grundsatz beibehalten. Kronzeugen sind weiterhin im Außenverhältnis privilegiert und nur gegenüber ihren mittelbaren und unmittelbaren Abnehmern oder Lieferanten haftbar, es sei denn, dass der Geschädigte von keinem anderen Kartellbeteiligten die volle Erstattung des erlittenen Schadens erlangen kann. Nun sind auch KMU unter bestimmten Voraussetzungen ihren eigenen Abnehmern gegenüber privilegiert.

 

·         Passing-on Defense: Die Passing-On-Defence bleibt zulässig; es warden Regelungen zur Beweislast, auch im Hinblick auf Klagen des indirekten Abnehmers, getroffen. Mitgliedsstaaten werden dazu aufgefordert, klare Regeln zu schaffen, um das Recht auf Entschädigung aller Parteien (direkter und indirekter Abnehmer) zu gewährleisten. Gleichzeitig soll eine Überkompensation und die Möglichkeit Mehrfachschadensersatz zu erlangen, ausgeschlossen werden. Die Kommission wird aufgefordert, den nationalen Gerichten eine Orientierungshilfe an die Hand zu geben, um das Ausmaß der Schadensabwälzung besser schätzen können.

 

·         Quantifizierung des Schadens: Der Kompromisstext hält an der  widerlegbaren Vermutung fest, dass prinzipiell jedes Kartell zu einem Schaden führt. Die nationalen Richter erhalten die Befugnis, den Schadensumfang zu schätzen.

 

·         Alternative Streitbeilegung: Im Falle einer einvernehmlichen Streitbeilegung kann das gerichtliche Verfahren ausgesetzt werden. Die Aussetzung darf maximal zwei Jahre betragen. Vor einer Bußgeldentscheidung kann die Wettbewerbsbehörde die im Rahmen der Streitbeilegung gezahlte Kompensation auch weiterhin als mildernden Faktor bei der Ermittlung der Bußgeldhöhe berücksichtigen.

 

·         Schlussbestimmungen: Die Richtlinie soll vier Jahre nach dem Umsetzungsdatum in den Mitgliedstaaten überprüft und eventuell überarbeitet werden.

Weitere Schritte:

 

Am 15. April 2014 soll das Europäische Parlament dann final über das Ergebnis abstimmen. Auch der Rat muss das Trilogergebnis noch offiziell annehmen.