18.06.2014

Overton (DOJ): “Benefits and Opportunities” (Rede)

In einer Rede beim Fifth Annual Chicago Forum on International Antitrust Issues an der Northwestern University School of Law Chicago am 12. Juni 2014 berichtete Leslie C. Overton, Deputy Assistant Attorney General, zuständig für die zivile Rechtsdurchsetzung (civil enforcement), General Antitrust Division, U.S. Department of Justice (DOJ) über "Vorteile und Gelegenheiten" („Benefits and Opportunities") der internationalen Zusammenarbeit der Kartellbehörden.

Gegenstand der Rede waren die Bestrebungen der Federal Trade Commission (FTC) und des Justizministeriums (DOJ), die internationale Zusammenarbeit zu fördern und bilaterale und multilaterale Beziehungen weiter auszubauen. Beide Behörden seien dabei um größere internationale Konvergenz der Kartellgesetze und - verfahren auf der Grundlage wirtschaftlicher Prinzipien und einer fairen Verfahrensweise (procedural fairness) bemüht. Die internationale Zusammenarbeit sei sowohl für ältere als auch jüngere Kartellrechtsbehörden ein wichtiges Instrument geworden, um die effektive Durchsetzung des Kartellrechts sicherzustellen. Da die Kartellrechtsprobleme in einer globalen Wirtschaft oft grenzüberschreitend aufträten, sei eine starke internationale Zusammenarbeit mit anderen Behörden unerlässlich, um den Wettbewerb und die Verbraucher umfassend zu schützen.

Gemäß einer Umfrage seitens der OECD und des ICN würden Kartellrechtsbehörden heute vermehrt nach Gelegenheiten Ausschau halten, miteinander zu kooperieren, insbesondere im Bereich der Durchsetzung der Fusionskontrolle. Aber auch im Kartellbereich sei die Zusammenarbeit der US-amerikanischen Behörden und ihrer internationalen Gegenspieler kontinuierlich gewachsen, da gerade internationale Kartelle meist von mehr als einer Kartellbehörde verfolgt und sanktioniert würden. Die Vorteile einer solchen Zusammenarbeit seien erheblich. Zum einen verstärke die Zusammenarbeit die Effizienz von Verfolgungsmaßnahmen dadurch, dass Behörden Informationen und Beweismaterial untereinander austauschten. Zum anderen würden der Wissenstransfers und der Erfahrungsaustausch seitens der erfahreneren Kartellbehörden zu den jüngeren Kartellbehörden erleichtert. Gerade die jüngeren Behörden müssten nicht jedes Mal „das Rad wieder neu erfinden", wenn sie zum ersten Mal mit neuen Sach- und Rechtslagen konfrontiert würden. Die in den letzten Jahren verstärkte Zusammenarbeit böte - so Overton - auch den international verflochtenen Unternehmen und ihren Beratern große Vorteile. Eine effektive Zusammenarbeit der Behörden könnte das Risiko divergierender Entscheidungen minimieren und sicherstellen, dass Untersuchungen, Abhilfemaßnahmen und Sanktionen verschiedener Behörden konsistent seien. Darüber hinaus führe die internationale Zusammenarbeit zu beschleunigten Untersuchungen und dadurch geringeren Kosten für Unternehmen, die aufgrund multipler Verfahren in verschiedenen Ländern anfielen. Es sei auch schon öfter vorgekommen, dass sich der Fokus von Ermittlungen nach erfolgter Zusammenarbeit geändert, sogar verengt, habe.

Die Effizienz der internationalen Zusammenarbeit in zivilen Rechtsstreitigkeiten hänge jedoch erheblich von der Bereitschaft ab, auf Vertraulichkeits- und Verschwiegenheitsvorgaben mittels Waiver-Regelungen zu verzichten. Zwar könnten auch jenseits von Waiver-Regelungen Kartellrechtsbehörden nicht-vertrauliche und öffentliche Informationen diskutieren und austauschen und Informationen allgemeiner Natur, z.B. zu Fristen, Marktkonditionen und Schadenstheorien, austauschen. Effizienter sei jedoch ein Verzicht auf Vertraulichkeit, da Kartellbehörden auf dieser Grundlage Dokumente und Daten austauschen könnten. Den US-amerikanischen Kartellbehörden sei es zudem gelungen, ihre personellen und zeitlichen Kapazitäten bei dem Aushandeln von Vertraulichkeitsverzichten weiter zu verringern. DOJ und FTC hätten mittlerweile eine gemeinsame Modellregelung (Model Waiver) entwickelt, die seitdem weithin in Gebrauch sei. Auch die Fallzusammenarbeit im Strafrecht sei durch so genannte Mutual Legal Assistance Treaties (MLATs) in den letzten Jahren sehr erleichtert worden.

Multilaterale Foren würden ebenfalls eine Schlüsselrolle spielen, um die internationale Zusammenarbeit und Konvergenzbestrebungen weiter voranzubringen. Overton nannte Organisationen wie das ICN oder das OECD Competition Committee, die geeignete Plattformen der Interaktion böten und auch die Entwicklung so genannter „pick up the phone"-Beziehungen zwischen den Behörden erleichtert hätten. Auch seien diese und andere Plattformen und Organisationen geeignete Foren um best practices (bewährte Verhaltensweisen) zu entwickeln, die wiederum auf die nationalen Gesetze zurückwirkten.

Zum Schluss appellierte Overton an die Berater der Unternehmen. Auch diese könnten die internationale Zusammenarbeit erleichtern, indem sie ihre Mandanten überzeugten, frühzeitig im Verfahren einen Vertraulichkeitsverzicht abzugeben. Die Unternehmen würden insofern davon profitieren, als der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit der Kartellbehörden zu einer effizienteren und schnelleren Bearbeitung ihrer Transaktionen führen würden und die Kosten gesenkt werden könnten. Overton betonte in dem Zusammenhang auch die wichtige Rolle von effektiven (robust) internationalen Kartellrechtscompliance-Programmen. Syndikus-Anwälte sollten bei der Entwicklung solcher Programme eine aktive und wichtige Rolle einnehmen.