02.04.2014

Kurzbericht zum 47. Innsbrucker Symposion des FIW

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FIW
47. FIW-Symposion

Das diesjährige Innsbrucker Symposion des FIW fand vom 5. März bis zum 7. März 2014 statt. Die Veranstaltung stand unter dem Leitthema „Internet und Realwirtschaft - Vernetzung als Thema der Wettbewerbspolitik" und bot zum 47. Mal führenden Vertretern der Wirtschaft, Anwaltschaft, Verwaltung und Justiz ein Forum über Fragen der Wirtschaftsverfassung und der Wettbewerbspolitik.

Donnerstag - 06.03.2014

Der Vorstandsvorsitzende des FIW, Dr. Gernot Schaefer, begrüßte die Teilnehmer. Das FIW wolle sich dieses Mal dem Dialog stellen, der die digitale Agenda aus wettbewerbspolitischer und kartellrechtlicher Sicht beleuchten soll. Dabei könne man die wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht außer Acht lassen. In Informationstechnologie und Telekommunikation sei der Aufstieg global aufgestellter Unternehmen nicht zu übersehen, während nationale Anbieter und Dienstleister an Bedeutung abnähmen. In Europa stünden ca. 200 Netzbetreiber vier großen auf dem nordamerikanischen Markt gegenüber. Auch die Schwellenländer begönnen, Netzinvestitionen zu steigern und globale Aktivitäten zu entfalten. Die aktuellen Herausforderungen lägen im Infrastrukturbereich, aber auch im Datenschutz und der Datensicherheit. Das Symposion werde insbesondere wettbewerbsrechtliche und ökonomische Fragestellungen und Herausforderungen in dem Zusammenhang zur Diskussion stellen. Die Frage der Angemessenheit rechtlicher Rahmenbedingungen für die digitale Welt sei nicht neu. Bereits zu Beginn der „New Economy"-Euphorie sei dieser Frage nachgegangen worden, und es habe sich herausgestellt, dass es wenige Unterschiede zwischen der „analogen" und der „digitalen" Welt gab.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, „Internetökonomie und Wettbewerbsrecht: Alte Fragen - Neue Antworten?"

Mundt gab mit seinem Beitrag eine Einschätzung zum Breitbandnetzausbau in Deutschland und zu den damit verbundenen juristischen Fragestellungen. Zunächst trug er vor, dass bereits 70 % der deutschen Haushalte an das Breitbandnetz angebunden seien. Unionsweit betrachtet liege man hiermit im guten Durchschnitt. Auch im Rahmen der technischen Voraussetzungen (Download-Rate) liege Deutschland über dem Unionsdurchschnitt. Denn ungefähr zwei Drittel der nationalen Haushalte könnten eine Rate von 30 Mbit/s nutzen. Allerdings wies Mundt daraufhin, dass diese technischen Voraussetzungen durch die Haushalte tatsächlich nicht voll ausgeschöpft würden. Dies könne sich jedoch schon bald ändern, da die Inanspruchnahme technischer Möglichkeiten, wie beispielsweise HD-Angebote, zunehme.

Mundt skizzierte kurz das starke Wachstum bei Kabelanschlüssen im Breitbandsegment für Kabel-TV. Es komme zu einer Verschiebung der Wettbewerbsverhältnisse, wodurch es zu einer geänderten Wettbewerbssituation im Breitbandsegment komme. Zu beobachten sei dies u. a. an der Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone. Das gestiegene Aufkommen von Kabelanschlüssen stelle für die Verbraucher eine attraktive Ausweichmöglichkeit gegenüber DSL dar. Deutschland habe auf dem Gebiet der Breitbandnetzabdeckung schon viel erreicht, dennoch bestünde weiterhin Potential, bis hin zur vollkommenen Breitbandnetzabdeckung. Indes könne dieser Fortschritt nicht durch große Marktteilnehmer erreicht werden, sondern nur durch Wettbewerb. Demnach seien die Größe und Netzwerkeffekte der Telekommunikationsunternehmen nicht ausschlaggebend für die Infrastruktur des Netzes. Gleichwohl sei ein weit ausgebautes Breitbandnetz maßgebend für Unternehmen, um ihren Standort zu wählen. Bezüglich des Netzausbaus richteten daher Telekommunikationsanbieter ihr Augenmerk auf die Optimierung bereits vorhandener Kupfernetze. Mittels „Vectoring" würde der Breitbandnetzausbau entschieden vorangebracht. Von dieser Technologie profitierten auch Wettbewerber der Telekom. Gleichsam soll laut Koalitionsvertrag ab 2018 ein flächendeckendes Internet mit 50 Mbit/s entstehen. Hieran sei jedoch die Frage geknüpft, wie man diesen Breitbandnetzausbau finanziere. Hierzu machte Mundt deutlich, dass ein Netzausbau nicht auf Biegen und Brechen vorschnell vorangetrieben werden könne. Er befürchte, dass man zukünftig zwar eine komplette Netzabdeckung haben könne, jedoch diese in einem unverhältnismäßigen Kostenaufwand stünde. Problematisch wäre dies gerade beim Netzausbau in dünn besiedelten Regionen. Daher sollte der Netzausbau nicht um jeden Preis erfolgen. Nicht zuletzt auch, weil nicht jeder allerorts schnelles Internet benötige. Um das im Koalitionsvertrag vorgegebene Ziel eines flächendeckenden Internets zu erreichen, sei eine vermittelnde Umsetzung nötig, die regulatorische Zugeständnisse macht, soweit dies möglich erscheint.

Denkbare Ansätze zur Förderung des Netzausbaus seien Subventionen und andere Zugeständnisse. Im Zusammenhang mit der „Netzneutralität" betonte er, dass bereits heute eine Priorisierung beim Datenverkehr bestehe (Beispiel: Sprachtelefonie). Ferner könne die Frage nach der Netzneutralität grundsätzlich zum kontinuierlichen Ausbau beitragen. Wer das Internet stärker nutze („heavy users"), könne auch mehr für sein Konsumverhalten bezahlen. Diese Einnahmen könnten dann den flächendecken Ausbau mitfinanzieren. Gleichwohl müsse darauf geachtet werden, dass es nicht zu Wettbewerbsbeschränkungen komme und die Märkte für neue Wettbewerber offen blieben.

Hinsichtlich der Internetökonomie hielt Mundt fest, dass Europa gegenüber den USA noch immer Nachholbedarf habe, denn die allermeisten digitalen Dienstleistungen, wie Cloud-Datendienste, Software und Video-Streaming, entstammten den USA. Als eine der entscheidenden Ursachen wurden die unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen genannt. Im Gegensatz zum Bundeskartellamt in Deutschland, habe die Federal Trade Commission (FTC) keine Zusammenschlüsse untersagt.

Der Internethandel erfreue sich immer größer werdender Beliebtheit in Deutschland, nicht zuletzt wegen der wachsenden Breitbandanbindung. Er stelle einen enormen Zusatz zum vorhandenen stationärem Handel dar. Dies liege in der Eigenart des Internethandels, bei dem auf Händler- sowie auf Käuferseite gewichtige Vorteile entstünden. Der Händler vergrößere seine Reichweite und der Käufer könne seine Kosten senken und erhalte zudem ein Widerrufsrecht. Aufgrund dieser Entwicklung sei es denkbar, dass es zu einem Verzicht der Vertriebsstufe Händler kommen könnte, da der Hersteller den Kunden direkt über den eigenen Internetauftritt/ -vertrieb erreichen könne. Fraglich sei, ob dies langfristig zum Verlust des Fachhandels führen würde. Zwar sei der Fachhandel rückläufig, aber der Absatz via Internet und mittels stationären Handels stünde lediglich teilweise in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander. Der Fachhandel sei zumindest überall dort, wo die sofortige Produktmitnahme bei der Kaufentscheidung eine immanente Rolle spiele, nicht im Wettbewerb mit dem Internethandel.

Dieser Transformationsprozess der Vertriebswege könne aber nicht ohne Probleme ablaufen. Ein wesentliches Problem seien vertikale Beschränkungen in Bezug auf Intrabrand-Wettbewerb sowie Kernbeschränkungen, die unter Umständen im Einzelfall freistellungsfähig sein könnten. Nach Ansicht des Bundeskartellamts halte die vertikale Preisbindung im Rahmen des Internethandels keine anderen bzw. neuen Dimensionen parat. Auch sie trete in Verbindung mit Marktmacht auf, bei nicht ideal wettbewerblichem Interbrand-Umfeld. Auf die Praxis verweisend, nannte Mundt die Fälle Phonak GmbH, CIBA Vision und Wasa Heilmittel GmbH.

Besondere Beachtung verdiene das Doppelpreissystem. Denn dies ermögliche es dem Hersteller, direkt auf den Händler finanziell einzuwirken, indem er dessen Absatzstrategie beeinflussen könne. Immerhin könne der Hersteller mittels unterschiedlicher Einkaufspreisgestaltung bzgl. des stationären und Online-Vertriebs Anreize setzen und die Absatzkanäle unterschiedlich bedienen. Hierin bestünde das besondere Gefährdungspotential, nämlich zur Gebiets- und Kundenaufteilung. Insbesondere habe man auf die facettenreichen Ausgestaltungen eines Doppelpreissystems zu achten. Hierbei verschließe sich das Bundeskartellamt auch nicht vor stichhaltigen Effizienzgründen, die ein geeignetes Doppelpreissystem nach Art. 101 Abs. 1 AEUV zuließen.

Auch auf Seiten der Markenhersteller werde nunmehr auf die Entwicklung des Internethandels reagiert, indem neue Selektionsregeln eingeführt werden. Die Hersteller begründeten dies u.a. mit einem drohenden Imageschaden. Hierbei machte Mundt deutlich, dass es einem Hersteller auch beim Internethandel möglich sein müsse, die Qualität seines Produktes zu sichern. Gleichwohl zeigte er auch Grenzen auf. Diese seien dort erreicht, wo eine Gebiets- bzw. Kundengruppenbeschränkung entstünde, wodurch Händler davon abgehalten würden sich des Internetvertriebs zu bedienen. Insbesondere das Nutzungsverbot unabhängiger Marktplatzplattformen sei ohne Probleme nicht zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang verwies Mundt auf die laufenden Verfahren gegen Adidas und Asics, wonach es Händlern eines selektiven Vertriebssystems verboten sei, Markenprodukte über bestimmte Drittplattformen wie eBay zu vertreiben. Auch hier seien wiederum bekannte Fragestellungen anzutreffen.

Ebenso spielten Plattformdienstleistungen im Rahmen der Internetwirtschaft eine zunehmende Rolle. Denn hier seien horizontale Preisabsprachen zu beobachten, die mittels Preisparitätsvorgaben erreicht würden. Als Beispiel nannte Mundt das Onlinevideo Portal der ARD und des ZDF, „Germany's Gold" sowie das Privatsendergegenstück „Amazonas".

Sie zeichneten sich durch horizontale Preisabsprachen mittels Preisparitätsvorgaben aus.

Dr. Wolfang Kirchhoff, Richter am Bundesgerichtshof, „Aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Kartellrecht"

Kirchhoff stellte die kartellrechtliche Rechtsprechung des BGH in den letzten zwei Jahren aus unterschiedlichen Bereichen dar. Bei den Fällen stand teilweise die Anwendung des Kartellrechts im Vordergrund (Anybet, VBL‐Gegenwert), teilweise ging es um das Kartellbußgeldverfahren (Calciumcarbid‐Kartell), die internationale Zuständigkeit im Kartellzivilrecht (Folien Fischer), den Zugang zu Infrastrukturen (Fährhafen Puttgarden II) sowie um Stromnetzkonzessionen (Stromnetz Heiligenhafen und Stromnetz Berkenthin). Angesichts des Themas des Symposions ging Kirchhoff auch auf den Internetvertrieb und den Beschluss des BGH zur Rechtssache Schulrucksäcke näher ein.

Im Fall Anybet, bei dem es um Schadenersatzforderungen gegen die Landeslottogesellschaft Brandenburg nach Einstellung des Internetvertriebs durch Lotto Brandenburg ging, war das Kartellrecht im Ergebnis nicht anwendbar. Der BGH hatte entschieden, dass im Streitfall keine kartellrechtlichen Ansprüche der Klägerin (Anybet) in Betracht kamen, weil das Land Brandenburg beim Widerruf der Erlaubnis hoheitlich und nicht unternehmerisch gehandelt habe. Das handelnde Ministerium hatte nicht als Unternehmen sondern als Ordnungsbehörde gehandelt. Als Ordnungsbehörde konnte sich das Land dafür entscheiden, den weiteren Internetvertrieb von Glücksspielen durch Widerruf der Erlaubnis der Beklagten vollständig zu unterbinden. Der BGH entschied ebenfalls, dass wenn die Ordnungsbehörde eines Bundeslandes die Erlaubnis für Glücksspielangebote aus ordnungsrechtlichen Gründen widerruft, auch dann nicht als Unternehmen handelt, wenn das Bundesland Alleingesellschafter des Erlaubnisinhabers war.

Auch in der Rechtsache VBL-Gegenwert ging es um die Unternehmenseigenschaft und Anwendbarkeit des Kartellrechts. Bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) habe der BGH bejaht, dass diese Unternehmen im Sinne des Kartellrechts seien, wenn sie gegenüber ausgeschiedenen Beteiligten Gegenwertforderungen für verbleibende Versorgungslasten geltend macht. Herangezogen wurde der funktionale Unternehmensbegriff, auch die EuGH-Rechtsprechung fand Berücksichtigung. Ein sozialer Zweck schließe demnach eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht aus. Zwar spreche gegen eine Unternehmensmitgliedschaft die Pflichtmitgliedschaft, dafür spreche jedoch die Einstufung als freiwillige Zusatzversicherung, die im Wettbewerb mit Privaten stehe. Für Einrichtungen der gesetzlichen Sozialversicherung gelte jedoch eine Einzelfallprüfung.

Kirchhoff berichtete, dass der BGH in der Rechtssache Calciumcarbid-Kartell eine Vorlageentscheidung an den Europäischen Gerichtshof zur Frage des Innenausgleichs bei einer unionsrechtlichen Geldbuße unter Gesamtschuldnern getroffen habe. Nicht hinreichend geklärt sei, ob die Kommission in einer Entscheidung, mit der sie eine Geldbuße verhängt, auch eine abschließende Regelung zu der Frage treffen müsse, in welchem Verhältnis die Geldbuße intern auf die einzelnen Gesamtschuldner aufzuteilen sei. Sollte dies zu bejahen sein, wäre weiter zu prüfen, ob eine Entscheidung der Kommission, die - wie im Streitfall - keine ausdrückliche Anordnung zur Verteilung im Innenverhältnis enthält, dahin auszulegen sei, dass die Geldbuße intern von allen Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen zu tragen ist (so die Rechtsprechung des EuG), oder ob die Entscheidung der Kommission in solchen Fällen einer nachträglichen Ergänzung bedarf. Es stelle sich ferner die Frage, nach welchen Maßstäben diese Verteilung vorzunehmen ist.

Auf eine weitere Vorlagefrage des BGH zur Internationalen Zuständigkeit im Kartellzivilrecht (Folien Fischer) habe der EuGH entschieden, dass für den Klageantrag keine Haftung aus unerlaubter Handlung bestehe, sondern der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach der Brüssel-I-VO gelte. Für die Zuständigkeit deutscher Gerichte genüge also, dass sich Vorwürfe kartellrechtswidrigen Verhaltens, die mit einer negativen Feststellungsklage abgewehrt werden sollen, auf den deutschen Markt bezögen, auf dem die Parteien im Wettbewerb stehen.

Bei der Rechtssache Puttgarden II ging es um die Verweigerung des Zugangs zum Fährhafen Puttgarden gegenüber konkurrierenden Fährdienstunternehmen - ein Fall des Zugangs zu Infrastrukturen, bei dem der BGH ausgeführt habe, dass die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der Verweigerung einer Mitbenutzung wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit stets eine Prognose erfordere. Dabei sei nicht zwischen gegenwärtiger und künftiger rechtlicher Möglichkeit einer Mitbenutzung zu unterscheiden. Die Ungewissheit darüber, ob ein Mitbenutzungsvorhaben durchführbar sei, ginge nach der gesetzlichen Beweislastverteilung zu Lasten des Inhabers der Infrastruktureinrichtung. Hier konnte eine dauerhafte Unmöglichkeit der Mitbenutzung und somit eine sachliche Rechtfertigung der Zugangsverweigerung nicht angenommen werden. Weitere Rechtssachen dieser Fallkategorie bezogen sich auf Stromnetzkonzessionen im Fall Stromnetz Berkenthin und Stromnetz Heiligenhafen. In beiden Verfahren ging es um die geeignete Auswahl des Konzessionärs für Betrieb kommunaler Stromnetze in diskriminierungsfreiem, transparenten Verfahren. Der BGH stellte fest, dass eine kommunale Beteiligung an der Netzgesellschaft ein unzulässiges Kriterium zur Auswahl des Konzessionärs sei. Der darin liegende Wettbewerbsverstoß führe grundsätzlich zur Nichtigkeit des Konzessionsvertrags. Ein Zwang zu einer diskriminierungsfreien und transparenten Auswahl bestehe auch dann, wenn eine Vergabe an einen Eigenbetrieb gewollt sei. Grundsätze der „In-house-Vergabe" fänden keine Anwendung. Auch sei die kommunale Selbstverwaltung nicht verletzt, denn die Freiheit der Systementscheidung für Rekommunalisierung sei verfassungsrechtlich nicht garantiert.

In der Rechtssache Schulrucksäcke ging es um die Frage, ob eine kartellrechtswidrige Einflussnahme (Ausübung unzulässigen Drucks) auf die Preisgestaltung eines Internethändlers bereits dann vorlag, wenn ein Mitarbeiter eines Herstellers wegen Unterschreitens der UVP telefonisch Rücksprache mit dem Händler hält. Der BGH hatte die Nichtzulassungsbeschwerde des Herstellers nach einer ursprünglichen Klage des Händlers zurückgewiesen, da die tatrichterliche Würdigung der Vorinstanz nicht zu beanstanden war. Dabei ließ es der BGH offen, ob in der Kontaktaufnahme des Lieferanten zu seinem Abnehmer bereits eine „Androhung von Nachteilen" zur Durchsetzung der UVP lag.

Prof. Dr. Justus Haucap, Mitglied der Monopolkommission; Heinrich-Heine-Universität; Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des FIW, „Wettbewerbsprobleme beim E-Commerce: Eine ökonomische Perspektive"

Prof. Dr. Andrea Lohse, Ruhr-Universität; Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des FIW, „Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie"

Auch Lohse widmete sich ebenfalls verschiedener wettbewerblicher Fragestellungen, die der Internethandel aufwirft. Sie wies darauf hin, dass vielen Markenherstellern der Preiswettbewerb zwischen ihren Händlern im Internet deshalb nicht passt, weil er mit einem Preisverfall einhergeht. Die reinen Internethändler würden die Händler, die auch einen stationären Vertrieb unterhalten, unterbieten. Händler führten jedoch auch Preiskämpfe untereinander, so z.B. auch auf Internetplattformen wie Amazon und eBay. Der Lösungsversuch der Markenartikelhersteller im Hinblick auf die „Preiskämpfe" sei oft die Verschärfung von Vertriebsvorgaben, gerade auch für den Internetvertrieb gewesen. Dies habe bis zum Ausschluss von reinen Internethändlern geführt, würde aber auch teilweise durch eigene Flagship-Stores und Markenshops auf Plattformen verstärkt. Den Markenartikelherstellern gehe es dabei - jedenfalls vorgeblich - um die Sicherung der Qualität im Verkauf und den Schutz der Marke. Gerade Plattformverbote gingen mit erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigungen einher. Generell erleichterten Plattformen die Suche und den Vergleich sowie die Vertragsabwicklung. Sie erhöhten die Angebotsreichweite der Händler und verbesserten die Informationslage sowie die Markttransparenz. Daher führten Drittplattformverbote zu einer Beeinträchtigung des markeninternen Wettbewerbs und - bei paralleler Einführung durch konkurrierende Markenhersteller - des Markenwettbewerbs. Nach der Rechtsprechung des EuGH wären Plattformverbote in einem selektiven Vertriebssystem jedoch unter bestimmten Voraussetzungen keine Wettbewerbsbeschränkungen. Dies sei der Rechtsprechung zufolge dann der Fall gewesen, gerade im Bereich der Luxusgüter, wenn der Produktcharakter ein „auf Qualitätsanforderungen aufgebautes selektives Vertriebssystem" erforderlich machte, das den Wettbewerb stärkt. Auch dürften die qualitativen Anforderungen an den Vertrieb nicht über das hinaus gehen, was in Anbetracht des Produktcharakters erforderlich sei und müssten auf eine Verbesserung des Wettbewerbs abzielen. Diese Kriterien nahm Lohse im weiteren Verlauf ihres Vortrags näher in Augenschein und stellte in Frage, ob es sich bei den Drittplattformverboten überhaupt um qualitative Anforderungen an den Vertrieb handelte, denn diese zielten auf den Ausschluss eines Vertriebskanals bei der Nutzung des Internets für den Verkauf an Verbraucher. Das Kernelement des selektiven Vertriebs sei jedoch die Verpflichtung, außer an jeden Verbraucher nur an Händler zu verkaufen, die bestimmte Gegenleistungen erbringen. Unter dem Gesichtspunkt, ob der Internethandel das Produktimage gefährde, käme es darauf an, dass ein Vertrieb über Drittplattformen das Produktimage schädigt und es kein mittleres Mittel gäbe, um das zu verhindern. Lohse zog diese Argumentation selbst in Zweifel, da es sich bei den von ihr geschilderten Fällen um bereits eingeführte bekannte Markenprodukte handelte, die bislang keinem selektiven Vertrieb unterlagen oder trotz selektiven Vertriebs über Discounter vertrieben wurden. Da Drittplattformverbote nach Lohse anscheinend nur in Ausnahmefällen keine Wettbewerbsbeschränkungen sein werden untersuchte sie weiter die Frage, ob sie zumindest freigestellt sein könnten. Dafür komme es entscheidend darauf an, ob diese Verbote als Kernbeschränkungen zu werten seien. Lohse kam zu dem Ergebnis, dass Drittplattformverbote Kernbeschränkungen seien, auch wenn sie im Gewand einer Qualitätsanforderung einher käme. Denn Qualitätsanforderungen dürften nicht dazu dienen, die Händler zu hindern, über das Internet mehr oder andere Kunden zu erreichen. Sofern man ausnahmsweise zu dem Ergebnis käme, dass ein Drittplattformverbot im speziellen Fall zur Pflege des Markenimages beitragen könnte, käme lediglich eine Einzelfreistellung in Betracht. Typischerweise werden jedoch die Freistellungsvoraussetzungen nicht erfüllt sein.

In einem zweiten Vortragsteil untersuchte Lohse die Wirkung sog. Bestpreisklauseln auf Internetportalen ausführlicher und ging näher auf verschiedene Hotelportalfälle ein. Im Rahmen solcher Bestpreisklauseln verpflichteten sich beispielsweise Hotelbuchungsplattformen dazu, auf den jeweiligen Plattformen Übernachtungen nur zu den jeweils günstigsten Preisen anzubieten. Das Bundeskartellamt habe den Markt für die Vermittlungsdienstleistungen der Hotelportale (Hotelportalmarkt) als eigenen Markt charakterisiert, da nur die Hotelportale den Hotelbetreibern und deren Kunden ein umfassendes Dienstleistungspaket anbieten würden. Wettbewerbsbeeinträchtigungen lägen darin, dass dem Hotelpartner sämtliche Preisdifferenzierungsmöglichkeiten genommen würden mit der Folge, dass der Interbrand-Wettbewerb beschränkt würde. Bestpreisklauseln würden sich wie die Festsetzung eines Mindestpreises für das Hotelzimmer auswirken. Während das Bundeskartellamt der Ansicht sei, dass Bestpreisklauseln zu steigenden Preisen und Provisionen führten, konnte Lohse in diesen Klauseln keine Wettbewerbsbeschränkung zum Nachteil der Verbraucher sehen, da Bestpreisklauseln zu hoher Markttransparenz führten und zu mehr Wettbewerb bei Hotelportalleistungen. Außerdem sei keine Preisdiskriminierung der Hotelbetreiber gegenüber Endkunden möglich. Im Ergebnis könnten Zimmerpreise ohne Bestpreisklauseln viel höher sein.

Die im Dreiecksverhältnis wirkende Meistbegünstigungsklausel könne zulasten des Abnehmers und des Anbieters wirken und sei daher als Kernbeschränkung einzustufen. Freistellungsvoraussetzungen seien nicht ersichtlich, da es an einer angemessenen Verbraucherbeteiligung fehle. Lohse zog das Fazit, dass Plattformverbote und Bestpreisklauseln, die grundsätzlich nicht auf eine Verbesserung des Wettbewerbs zielten, nicht gerechtfertigt sein könnten, da ihre einzige Wirkung darin bestehe, den Preiswettbewerb einzuschränken (frei nach EuGH, Urteil vom 25.10.1983).

Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V., „Industrie 4.0.: Realwirtschaft und Internet"

Dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft sei die volkswirtschaftlich gute Stellung Deutschlands geschuldet. Jedoch sinke die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung gegenüber diesem Konzept. Es sei unter anderem die Aufgabe von Wirtschaftsvertretern diese Akzeptanz wieder zu steigern, indem der Bevölkerung deutlich gemacht wird, dass es keine äquivalente Alternative gibt, die unserem Gesellschafts- und Wohlstandsverhältnis entspräche.

Hierzu könne die weltweite Vernetzung der Wirtschaften genutzt werden. Die Industrie stehe im globalen Wettbewerb, dessen dynamische Entwicklung enorme Chancen und Potenziale eröffne. Dabei spielt das Verschmelzen der Realwirtschaft mit der digitalen Welt die allergrößte bevorstehende Aufgabe, die es zu meistern gilt, um insgesamt wettbewerbsfähig zu bleiben.

Dieser Verschmelzungsprozess stelle sich als „Industrie 4.0" dar. Der technische Fortschritt rund um das Internet sei bereits so weit vorangeschritten, dass sich das digitale Zeitalter auf die Wertschöpfungsketten auszuwirke. Eine umfassende Digitalisierung und Vernetzung der Industrie sei möglich, zudem geboten, die Ausgangsposition gut. Grillo wies aber darauf hin, dass man sich nicht auf dem status quo ausruhen könne. Um diesen Fortschritt mitzuerleben, müsse sich die Industrie mit dem Gedanken der Vernetzung, Digitalisierung und der Kooperation verstärkt auseinandersetzen.

Bei der Vernetzung sei schon jetzt zu beobachten, dass Branchengrenzen immer mehr und mehr verschwimmen und Geschäftsmodelle sowie Produktionsprozesse sich radikal veränderten. Die Entwicklung gestalte sich weg vom reinen Produkthersteller hin zu einem umfassenden Leistungserbringer. Damit einhergehend sei die Aufwertung der Dienstleistung. Schon heutzutage gibt es für eine branchenübergreifende Vernetzung das Beispiel des Elektromotors. Um das Produkt Elektroauto an den Kunden zu bringen, muss sich der klassische Automobilhersteller mit anderen Unternehmen vernetzen, wie bspw. Energieversorgungsunternehmen, Batteriehersteller oder IT-Dienstleister.

Bzgl. der Digitalisierung habe die IT-Industrie eine Schlüsselrolle inne. Sie schlage die Brücke von der alt hergebrachten Industrie über deren Vernetzung bis hin zur Industrie der Zukunft. Aber auch beim Umbruch müsse die Stimmigkeit von Rahmenbedingung gegeben sein. So sei beim wichtigen Breitbandausbau eine Regulierung richtig, die es zulasse, die hohen Kosten für die Investitionen einkalkulieren zu können. Staatliche Beihilfe ergebe nur dort wirklich einen Sinn, wo die europäische Industrie im globalen Wettbewerb zwingend unterstützt werden muss. Denn Investitionen entstünden nur durch eine Belebung der Konjunktur, durch Wachstum und durch Regulierung der Arbeitsmärkte. Vor der Beihilfenpolitik als Korrektiv für andere Politikbereiche sei ausdrücklich gewarnt. Zudem gewinne das Thema IT-Sicherheit immer mehr an Bedeutung. Nicht zuletzt, weil der deutschen Industrie durch Wirtschaftsspionage Schäden im zweistelligen Milliardenbereich drohen. Um einer gefährlichen Entwicklung entgegen zu wirken, sei eine enge Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und privater Wirtschaft unabdingbar.

Ferner sei eine ganzheitliche Kooperation zwischen allen Beteiligten des Wirtschaftslebens zu fordern, anstelle von Konflikten. Durch den digitalen Fortschritt entstehen neuere, andere Berufsbilder mit Arbeitsplatzbedingungen sowie Tarifstrukturen.

Dieser neu gestaltete Umbruch gelinge durch den kontinuierlichen Abbau von Hemmnissen, einer strukturierten Entbürokratisierung und einer vernünftigen Deregulierung.

Freitag - 07.03.2014

Alexander Italianer, Generaldirektor der GD Wettbewerb, Europäische Kommission,  "Competition Policy in the Digital age"

Die Rede von Italianer ist auf der Website der EU-Kommission veröffentlicht worden: https://ec.europa.eu/competition/speeches/text/sp2014_01_en.pdf

Italianer gab einen Überblick über die neuen Herausforderungen, die das Internet an die Kartellrechtsdurchsetzung stellt. Die Bekämpfung wettbewerbsbeschränkender Praktiken sei auch in der Internetära essentiell, da es gelte, Innovation zu bewahren und den innovativen Charakter des Internets zu behalten. Im Bereich des Internets bestünden auch widerstreitende Ansichten, während die einen auf eine größere Regulierung mit Hilfe der Wettbewerbspolitik dringen, sind andere der Meinung, dass es keiner neuen Regularien bedürfe, da die Entwicklungen im Internet so schnell seien, dass sich Wettbewerbsbedenken über kurz oder lang von selbst verschwenden. Italianer trat dafür ein, die Wettbewerbspolitik unvermindert zur Anwendung gelangen zu lassen, da kleine innovative Unternehmen - gerade im Internetzeitalter - sehr schnell marktbeherrschende Positionen einnehmen könnten, die wiederum das Innovationstempo gefährdeten.

Das Internet sei eine der schnell wachsendsten Industrien der Welt. 2011 nahm das Internet bereits einen Stellenwert von 3,4 % des BIP der weltweit größten Wirtschaftsstandorte ein. Auch während der Wirtschafts- und Finanzkrise sei das Internet ein wachsender Sektor gewesen: weltweit um 6 % in 2011 bei gleichen Beschäftigungszuwächsen, in dem Sektor im gleichen Zeitraum. Zwischen 2015 und 2020 könnte die europäische Internetwirtschaft um 7-15 % weiter wachsen. Italianer verglich den Internetsektor mit einem Netzwerk und verglich ihn mit anderen traditionellen Netzwerken, wie z.B. im Energiebereich. Ein neuer Aspekt des Internets bestehe in seiner Funktion als Plattform für die Verteilung von Gütern. Dies führe zu der Praxis einiger Hersteller, online-Verkäufe aus Gründen des Markenimage oder der Qualitätskontrolle zu unterbinden oder zu verbieten. Dies führe dazu, dass Händler weniger Kunden erreichten und die Kunden einer geringeren Auswahl und oft höheren Preisen gegenüber stünden, als wenn die Waren gleichermaßen über das Internet vertrieben würden. Als Beispiel führte Italianer Praktiken des Parfümherstellers Pierre Fabre Dermo-Cosmétique an, der Internetverkäufe in seinen Vertriebsverträgen faktisch ausgeschlossen hatte. Der EuGH habe in diesem Fall in einer Schlüsselentscheidung entschieden, dass ein generelles Verbot von Online-Verkäufen eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sei.

Das Problem des „free-riding" (Trittbrettfahrertum), das mit dem diesem Fall ebenfalls angesprochen werde, sei weder neu, noch durch das Internet aufgetreten. Die Vertriebswege, die das Internet bietet, ließen das Problem nur gravierender im Sinne von Umfang und Geschwindigkeit zutage treten. Italianer ging noch auf die weitere Fallgestaltung der Hotelbuchungsfälle ein, die von Wettbewerbsbehörden in der letzten Zeit ausführlicher untersucht worden seien. Das Internet habe den Markt der Hotelbuchungen transparenter werden lassen; auch sei es einfacher geworden, für kleine Hotels, mit größeren Hotelketten in Konkurrenz zu treten. Ein neuer Händlertypus sei in Erscheinung getreten: Online-Reisebüros wie booking.com und Expedia. Mit diesen verbinde sich die alte wettbewerbsrechtliche Problematik der Preisbindung der zweiten Hand. Während der Hersteller in der analogen Welt bei der Preisbindung seine Marktmacht dazu benutze, dem Wiederverkäufer aufzugeben, seine Produkte zu einem bestimmten Preis zu verkaufen, seien bei der Hotelbuchung durch das Internet die als Reisebüros agierenden Hotelplattformen in der Position der „Wiederverkäufer", welche allerdings über erhebliche Marktmacht verfügten und umgekehrt ein System der Preisbindung gegenüber den Hotels, oft in Verbindung mit Preisparitätsklauseln (sog. „most favoured nation"-Klauseln) operierten. Dies führe dazu, dass ein Hotel der Buchungsplattform stets den besten Preis und die beste Kategorie für seine Räume anbieten müsste und das Hotel nicht selbst oder durch Dritte die Räume günstiger anbieten dürfte. Eine Reihe von nationalen Wettbewerbsbehörden hätten Ermittlungen in diesen und ähnlichen Fällen aufgenommen. In Großbritannien hätten die Plattformen booking.com, Expedia und die Intercontinental-Gruppe bereits Auflagen zugestimmt, damit Hotels noch in gewissem Umfang Kontrolle über ihre eigenen Preise behalten.

In Deutschland habe das Bundeskartellamt im Fall HRS.com die Benutzung von Preisparitätsklauseln verboten. Italianer berichtete, dass die EU-Kommission mit Hilfe des Netzwerks der Wettbewerbsbehörden diesen Sektor beobachte. Die nationalen Wettbewerbsbehörden seien zu denselben Ergebnissen gekommen, nämlich dass die Kombination von Preisbindung und Preisparitätsklauseln den Intrabrand-Wettbewerb unterbinden könnten und sie den Anreiz für Online-Plattformen verringern könnten, in einen Kommissionswettbewerb einzutreten. Außerdem könnten sie Marktbarrieren für neue Online-Plattformen errichten.

Italianer wandte sich Aspekten der Netzneutralität zu. Ein Ausdruck von Netzneutralität sei das Verbot von Internetanbietern (Providers), Inhaltsdiskriminierungen vorzunehmen, es sei denn um den Internetverkehr sinnvoll zu regeln. Auch dieses Prinzip finde sich in anderen klassischen Netzwerkindustrien wieder. Italianer berichtete, dass die Kommission derzeit im Pay-TV-Bereich im Hinblick auf eine mögliche Behinderung passiver Verkäufe ermittle. Derzeit können die Konsumenten von Pay-TV Filme nicht von verschiedenen Mitgliedstaaten aus sehen. Die Kommission untersuche, ob die Lizenzvereinbarungen unzulässigerweise passive Verkäufe behinderten. Auch diese Wettbewerbsbedenken seien nicht neuer Natur, sondern altbekannte Phänomene. Italianer wies darauf hin, dass die etablierten Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen öfter versuchen würden, Inhalte Dritter, die sich ihrer Netze bedienten, zu behindern, um ihre eigenen Inhalte zu begünstigen. Auch in diesem Bereich gebe es einige Präzedenzfälle in verschiedenen Mitgliedstaaten. Auf EU-Ebene fehlten noch klare Regeln zur Netzneutralität. Daher habe die Kommission im letzten Jahr Vorschläge für ein Legislativpaket „vernetzter Kontinent" angenommen. Ein Schlüsselvorschlag in diesem Gesetzespaket sei die Garantie der Netzneutralität. Künftig sollen Internetanbieter nicht länger das Internet blockieren oder verlangsamen können, wenn es von einem Konkurrenten bereitgestellt wird. Italianer schloss seinen Vortrag mit Bemerkungen zum Google-Fall. Die Kommission habe klare Belege für Googles marktbeherrschende Stellung am Markt von online-Suchergebnissen gefunden. Google stand in dem Verdacht seine Stellung auszunutzen, in dem es eigene Dienste bevorzugen oder die Konkurrenz bewusst benachteiligen würde. Die Zugeständnisse Googles seien aus Sicht der Kommission ausreichend gewesen, um Wettbewerbsbedenken auszuräumen. Es habe noch weitere Wettbewerbsbedenken gegeben, die ebenfalls in Form von Zugeständnissen seitens Google ausgeräumt werden konnten. Viele der Wettbewerbsbedenken, die die Entwicklung des Internets mit sich bringen, seien - so schloss Italianer - nicht neuer Natur, sondern könnten in jedem „Studentenhandbuch zum Wettbewerbsrecht" gefunden werden. Lediglich die Dimensionen der klassischen Wettbewerbsbedenken seien angesichts der Erreichbarkeit, des weltweiten Zugriffs und der Geschwindigkeit der Innovation neuer Natur.

Podiumsdiskussion mit Dr. Thomas Nägele, SZA Schilling Zutt Anschütz, und Dr. Markus Wagemann, Vorsitzender der 7. Beschlussabteilung, Bundeskartellamt, „Selektiver Vertrieb, Preisdifferenzierung und Internet"

George J. Terwilliger III, Morgan, Lewis& Bockius LLP, "Utilizing Internal Investigations to Address Antitrust Compliance in e-Commerce and Other Matters"

Terwilliger stellte das Instrument der internen Ermittlung bei Unternehmen vor, welches im US-amerikanischen Kartellrecht für die Unternehmen eine erhebliche Rolle spiele, um etwaige Risiken zu vermeiden. Dabei ging Terwilliger auf die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen einer solchen Ermittlung ein. Nutznießer sei vor allem das Unternehmen als solches. Strafrechtliche Sanktionen blieben zwar nicht ausgeschlossen, jedoch würden von staatlicher Seite die Ermittlungen anerkannt, wodurch strengere Sanktionen verhindert würden. Sodann verglich Terwilliger den Status im US-amerikanischen Recht mit dem in Europa. In den europäischen Staaten sei das Instrument der internen Ermittlung noch zu wenig ausgeformt. Es könne jedoch zu einem besseren, normgetreueren Wirtschaften beitragen. Zum Schluss ging Terwilliger auf die Herausforderungen dieses Instruments ein. Wichtige Punkte, die bei der Umsetzung beachtet werden müssen, seien vor allem der Datenschutz und damit einhergehend das Arbeitsrecht.