31.03.2014

EU-Kommission verabschiedet neue Technologietransfer-GVO

Am 21. März hat die EU-Kommission die bereits seit längerem erwartete neue Technologietransfer-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 772/2004 (TT-GVO) und neue Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 AEUV auf Technologietransfer-Vereinbarungen (Leitlinien) verabschiedet. Bislang sind die Regelungen nur in englischer Sprache erhältlich.

Technologietransferverträge haben für die deutsche Wirtschaft herausragende Bedeutung. Insbesondere Lizenzvergaben fördern die Verbreitung von Innovationen und ermöglichen es Unternehmen neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Darüber hinaus erhöhen sie Anreize für Forschung und Entwicklung, da sie zusätzliche Einnahmen zur Deckung der Kosten schaffen.

Die wichtigsten Merkmale des neuen Regelwerks sind Folgende:

1)    TT-GVO

Überschneidungen mit anderen Regelwerken

Die TT-GVO enthält die Klarstellung, dass die TT-GVO nur dann Anwendung finden soll, wenn der Anwendungsbereich der Gruppenfreistellungsverordnung für Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung („F&E-GVO") oder der Spezialisierungs-Gruppenfreistellungsverordnung nicht erfüllt ist.

Marktanteilsschwellen

Die Marktanteilsschwellen werden nicht verändert. Die Kommission wollte ursprünglich die Anwendung der strengeren Marktanteilsschwelle (20 %) auf Nicht-Wettbewerber anwenden.

Kernbeschränkungen unter Nicht-Wettbewerbern - Beschränkung des passiven Verkaufs durch Lizenznehmer

Künftig wird jede Beschränkung des passiven Verkaufs der Produkte, die die lizenzierte Technologie enthalten, durch den Lizenznehmer in ein Exklusivgebiet oder an eine Exklusivkundengruppe, die vom Lizenzgeber einem anderen Lizenznehmer zugewiesen worden waren, nicht mehr automatisch freigestellt; dies gilt auch für die ersten beiden Jahre, in denen dieser Lizenznehmer die Produkte in dieses Gebiet oder an diese Kundengruppe verkauft hat.

Keine Freistellung mehr für exklusive Rücklizenzverpflichtungen

Bisher konnte der Lizenzgeber seine Lizenznehmer verpflichten, ihm exklusive Rücklizenzen an nicht-abtrennbaren Verbesserungen zu gewähren. Zukünftig werden sämtliche exklusiven Rücklizenzverpflichtungen („Grant-backs"), also nicht nur im Falle „abtrennbarer" Verbesserungen, sondern auch bei nicht abtrennbaren Verbesserungen, nicht mehr von der TT-GVO freigestellt sein. Nicht-exklusive Rücklizenzverpflichtungen fallen nach wie vor in den Anwendungsbereich der TT-GVO.

Möglichkeit der Vereinbarung eines Kündigungsrechts nur noch bei Exklusivverträgen

Im Vorentwurf hatte die Kommission vorgeschlagen, ein Kündigungsrecht für den Fall, dass der Lizenznehmer die Gültigkeit eines oder mehrerer der lizenzierten Schutzrechte angreift, nicht mehr freizustellen. Die Kommission differenziert nun zwischen exklusiven und nicht-exklusiven Lizenzverträgen. Bei exklusiven Lizenzverträgen soll eine Kündigungsmöglichkeit freigestellt bleiben, nur bei nicht-exklusiven entfällt der Anwendungsbereich der Gruppenfreistellung. 

2)        Leitlinien

Streitbeilegungsverfahren

Das Kapitel zu Streitbeilegungsvereinbarungen wurde punktuell ergänzt und erörtert nunmehr, dass gewisse vergütete Beschränkungen in Streitbeilegungsvereinbarungen zwischen Wettbewerbern gegen Artikel 101 AEUV verstoßen können. Dabei geht es vor allem um Vereinbarungen, die eine Verzögerung oder eine sonstige Beschränkung der Möglichkeiten des Lizenznehmers beinhalten, das Produkt auf den Markt einzuführen. Problematisch sind vor allem Vereinbarungen, wonach der Lizenzgeber dem Lizenznehmer einen finanziellen oder sonstigen Anreiz bietet, restriktivere Bedingungen zu akzeptieren als andernfalls auf der Grundlage der Qualität der Technologie des Lizenzgebers akzeptiert worden wären. Gemeint sind dabei insbesondere sog. „Pay-for-delay"-Vereinbarungen oder „reverse payment patent settlement"-Vereinbarungen, bei denen die Vergütung anders als üblich vom Lizenzgeber an den Lizenznehmer gezahlt wird.

Zudem sollen zukünftig Nichtangriffsklauseln in Streitbeilegungsvereinbarungen zwischen Wettbewerbern dann unter bestimmten Voraussetzungen wettbewerbsschädigend sein. Klauseln, nach denen der Lizenzgeber dem Lizenznehmer einen finanziellen Anreiz bietet, sich damit einverstanden zu erklären, die Gültigkeit der Technologie nicht anzufechten, bedürfen nach den Leitlinien ebenfalls einer eingehenderen Prüfung.

Patentpools

Der häufig wettbewerbsfördernden Charakter von Patentpools wird in den Leitlinien anerkannt, und eine Freistellung für die Gründung von Patentpools und die Lizenzvergabe durch Patentpools eingeführt. Es wird ein Safe Harbour eingeführt. Die Definition der standardessentiellen Technologien soll sich zudem nicht nur auf ein bestimmtes Produkt sondern auch auf einen Standard beziehen.

Übergangsvorschriften und Inkrafttreten

Die neue Verordnung ersetzt die Vorfassung vom 27. April 2004 und tritt voraussichtlich am 1. Mai 2014 in Kraft. In Art. 10 TT-GVO (Übergangsvorschriften) ist festgelegt, dass die neuen Regeln bereits für alle Verträge gelten, die nach dem 30. April 2014 abgeschlossen werden. Für laufende Lizenzverträge gilt eine einjährige Übergangsfrist, die mit Inkrafttreten der neuen Verordnung am 1. Mai 2014 (Art. 11 TT-GVO) zu laufen beginnt.