02.06.2014

Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes über die Einführung von Sammelklagen und Kleine Anfrage

1.  Kleine Anfrage

Laut einer aktuellen Meldung des Deutschen Bundestags vom 28. Mai 2014 hatte die Fraktion eine Kleine Anfrage  an die Bundesregierung gerichtet (Datum: 19. Mai 2014), mit dem jene wissen möchte, wie die Bundesregierung die im Juni 2013 formulierte Aufforderung der Brüsseler Kommission an die EU-Länder, kollektive Rechtsinstrumente wie etwa Sammelklagen zu schaffen, umzusetzen gedenkt.

Die Fraktion bezieht sich bei ihrer Anfrage auf die am 11. Juni 2013 veröffentlichte Empfehlung der Europäischen Kommission zu "gemeinsamen Grundsätzen für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten. In diesem Dokument empfiehlt die Kommission den Mitgliedstaaten, kollektive Rechtsschutzelemente in verschiedenen Rechtsgebieten einzuführen. Dabei sollen bestimmte Verfahrensgarantien eingehalten werden, um dem Missbrauch von Klageinstrumenten entgegenzuwirken. Die Kommission hatte daher den Mitgliedstaaten vorgeschlagen, Kollektivklagen nur nach einem „Opt-In"-Prinzip (im Gegensatz zu einem „Opt-Out"-Prinzip) einzuführen.

Aus Sicht der vorlegenden Fraktion geht es bei darum, Verbraucherrechte mittels Sammelklagen (Gruppenklagen) zu stärken und Bürgern bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu helfen. Als Beispiele werden in der Anfrage Rückzahlungen bei überhöhten Strompreisen oder Kompensationen für Flugausfälle genannt. Solche Anliegen könnten Verbraucher mit Hilfe von Sammelklagen vor Gericht leichter und kostengünstiger durchsetzen. Im Fall von Einzelklagen existiere bislang ein „Ungleichgewicht" zwischen den „wirtschaftlich ohnmächtigen" Konsumenten und den mächtigen Unternehmen, das abgebaut werden müsse. Zu dem ökonomischen Ungleichgewicht komme die Scheu vor Prozessrisiken hinzu. Im Ergebnis führe dies dazu, dass Rechte und Ansprüche von Verbrauchern nur unzureichend realisiert werden könnten, so die Fraktion. Das Prozessrecht solle daher um neue Formen einer kollektiven Rechtsdurchsetzung erweitert werden.

2.      Gesetzesvorschlag

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat erneut einen Gesetzesvorschlag zur kollektiven Rechtsdurchsetzung vorgelegt (Datum: 21. Mai 2014). Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht, der erstmals umfassend ein Verfahren zur Durchführung von Gruppenklagen in Deutschland regeln sollte. Der aktuell eingebrachte Entwurf entspricht weitgehend dem Vorschlag vom Juni 2013. Der Gesetzentwurf verfolgt drei Ziele: Erstens soll die mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) geschaffene Möglichkeit der Bündelung individueller Ansprüche, durch die Einführung eines Gruppenverfahrens, verallgemeinert und in die Zivilprozessordnung integriert werden. Zweitens sollen die Zugangsschrankenzum Gruppenverfahren gegenüber dem KapMuG abgesenkt werden, um eine stärkere Rechtsdurchsetzungswirkung zu erreichen. Drittens soll ein angemessener Rahmen geschaffen werden, in dem die Zivilgerichte bei massenhaften Schadensfällen zu einer angemessenen Konfliktlösung beitragen können.

Nach dem aktuellen Vorschlag sollten von einer Sammelklage nur diejenigen profitieren, die sich ihr anschließen (Opt-in). Ein Strafschadensersatz war und ist im aktuellen Entwurf nicht vorgesehen. Auch am Grundsatz der Kostentragung durch den Verlierer wird festgehalten. Zur Geltendmachung von Bagatell- bzw. Streuschäden enthält der Gesetzesentwurf folgende Ausführungen:

Bei sehr kleinen Schadenssummen mag das rationale Desinteresse allerdings auch durch die hier vorgeschlagene Opt-in-Gruppenklage nicht überwindbar sein: Wer etwa nur 25 Euro verloren hat, macht diesen Schaden - wenn er sich rational verhält - vor Gericht nicht geltend. Trotzdem kann ein solcher Schaden, wenn er sehr breit gestreut ist, volkswirtschaftlich relevant und im Sinne effektiver Rechtsdurchsetzung sanktionsbedürftig sein. In diesem Bereich besteht daher weiter ein Bedürfnis für andere Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes, die ohne eine individuelle Beteiligung auskommen, etwa Ansprüche auf Gewinnabschöpfung o. Ä. Allerdings lässt sich eine zahlenmäßige Grenze - also etwa eine Anspruchshöhe ab der oder bis zu der die Opt-in-Gruppenklage geeignet ist - nicht abstrakt festlegen. Dazu sind die Bedingungen der Rechtsdurchsetzung zu sehr vom konkreten Fall und von der individuellen Lage der Geschädigten abhängig. Es muss daher abgewartet werden, ob das hier vorgelegte Instrument auch zur effektiven Bewältigung breit gestreuter Kleinschäden geeignet ist und ggf. bis zu welcher Grenze. Soweit in der Praxis trotz Einführung des Gruppenverfahrens weiterhin ein sozial relevantes Rechtsdurchsetzungsdefizit bestehen bleiben sollte, wäre in der Zukunft an weiteren Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes zu arbeiten, die eine Aktivität eines individuellen Kleinstgeschädigten nicht voraussetzen.