20.02.2014

Baer (DOJ):” Public and Private Antitrust Enforcement in the United States” (Rede)

USA
DOJ
Rede
Kartellrechtsdurchsetzung
Private Rechtsverfolgung

https://www.justice.gov/atr/public/speeches/303686.pdf

In einer Rede beim European Competition Forum 2014 in Brüssel am 11. Februar 2014 sprach Bill Baer, Leiter der Wettbewerbsbehörde bei u.s.-amerikanischem Justizministerium (Assistant Attorney General) über die private und öffentliche Rechtsverfolgung in den Vereinigten Staaten (Public and Private Antitrust Enforcement in the United States).

Baer gab zunächst einen Rückblick über die 125-jährige Geschichte des Kartellrechts (Antitrust) in den USA. Seit dem 19. Jahrhundert stütze sich die USA auf eine Kombination von Bundesrecht, Recht der einzelnen Staaten und privater Durchsetzung, um dem Kartellrecht zur Durchsetzung zu verhelfen. Während die Rechtsverfolgungsorgane auf Bundesebene die Interessen aller Verbraucher im Blick hätten, fokussierten sich die Organe auf der Ebene der einzelnen Staaten auf die Verbraucher in ihren jeweiligen Staaten. Private agierten hingegen zugunsten der spezifischen Interessen ihrer Mandanten und würden oft Schadensersatzforderungen infolge von Kartellrechtsverletzungen geltend machen.

Das Zusammenwirken der verschiedenen Institutionen, Organe und Interessensvertreter auf unterschiedlichen Ebenen habe sich im Laufe der Zeit bewährt und würde nach dem Prinzip des „komparativen Vergleichs" („comparative advantage") funkionieren, d. h. jede Einrichtung habe sich auf ihre Stärken konzentriert.

Kartellrechtsdurchsetzung:

Dem Justizministerium (DOJ) käme bei der Kartellverfolgung gewissermaßen eine Leitungsfunktion zu. Kartellrechtsverstöße seien seit 1974 gemäß dem Bundesrecht zu einer schweren Straftat geworden. Im Gegensatz zu Privaten habe das DOJ die Möglichkeit, Zeugen zu befragen, eine Jury („grand jury") einzurichten die Herausgabe von Dokumenten zu erzwingen sowie Beamte des FBI bei den Ermittlungen mit heranzuziehen. Falsche Aussagen und die Zerstörung von Beweismaterial könnten unmittelbar weiter verfolgt werden; dadurch sei das DOJ zur Kartellverfolgung prädestiniert. Auch bei lokalen Kartellen würde oft das DOJ ermitteln, während die Institutionen der einzelnen Staaten sich mehr auf die Sicherung von Geldansprüchen konzentrieren würden.

Die einzelnen Staaten hätten dasselbe Recht wie Private, Schadensersatz einzuklagen, wenn sie Opfer von Kartellen seien. Darüber hinaus könnten die Staaten so genannte parens patriae Klagen einreichen, um Schadensersatz zugunsten der geschädigten Verbraucher in ihren Staaten geltend zu machen.  Damit Private einen genügend hohen Anreiz hätten, um kostenintensive Klagen einzureichen, sei das System des dreifachen Schadensersatzes („treble damages") und der Erfolgshonorare für Anwälte eingeführt worden. Die Privaten sollten - so der Supreme Court -  ausdrücklich als „private Staatsanwälte" („private attorneys general") fungieren und der dreifache Schadensersatz den Abschreckungseffekt verstärken.

Der dreifache Schadensersatz habe zum einen das Ziel, Abschreckung zu gewährleisten und zum anderen, für Kompensation zu sorgen.

Die Kartellbeklagten würden gesamtschuldnerisch für die von ihnen verursachten Schäden haften. In großen Kartellfällen würden die ausgeurteilten Schäden oft die Höhe der Geldbußen übersteigen, die das DOJ den Kartelltätern auferlegt hätten. Der Großteil des Schadensersatzes käme den Kartellopfern zu. Nach Bundesrecht seien dies nur die direkten Abnehmer, viele Einzelstaaten würden jedoch auch dem indirekten Abnehmer Schadensersatzansprüche zubilligen.

Das Justizministerium würde die Anwälte der Privatparteien nicht direkt unterstützen (können), allerdings könnten so genannte Folgeklagen („follow-on actions") erleichtert werden. Die Behördenentscheidung, auch solche auf der Grundlage eines Schuldeingeständnisses („guilty plea"), würde als „prima facie"- Beweis bei Folgeklagen herangezogen. In der Praxis müssten die Kläger nur die Schädigung und die Höhe des Schadens dartun, den sie geltend machten. Die Offenlegungsregeln („discovery") erlaubten es den Klägern, sämtliche Daten und Dokumente für die Beweisführung zu erhalten. Zivile Schadensersatzklagen würden zudem auch von etwaigen Kronzeugenanträgen profitieren. Im Falle, dass ein Kronzeuge auf Schadensersatz in Anspruch genommen würde, müsste jener nur einfachen (nicht dreifachen) Schadensersatz zahlen.

Baer erwähnte noch, dass Kartellschadensersatzklagen normalerweise in Form von Sammelklagen geltend gemacht würden. Von den „Opt-Out"-Möglichkeiten würde zunehmend Gebrauch gemacht zu dem Zweck, separate Klagen einzureichen. Die Rechtsgrundlagen für Sammelklagen würden kontinuierlich fortentwickelt. 

Baer ging auch noch auf den Bereich der Fusionskontrolle ein, betonte die gute Zusammenarbeit mit anderen Behörden, speziell mit der Europäischen Kommission. Nicht nur die Bundesebene, auch die einzelnen Staaten der Vereinigten Staaten seien bei der Fusionskontrolle aktiv; daraus ergäben sich ebenfalls vielfältige Formen der Zusammenarbeit.