27.09.2013

Stellungnahme des Bundesrats zum Kommissionsvorschlag für Richtlinie für Schadensersatzklagen

Am 20. September 2013 hat der Bundesrat seine Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union in der 914. Sitzung des Bundesrats beschlossen. 

Die Stellungnahme wurde im Rahmen der Unterrichtung der EU-Kommission gemäß dem im Protokoll (Nr. 2) zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen Verfahren über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit übermittelt.

Wesentlicher Inhalt der Stellungnahme:

 

Die Ziele der Richtlinie, die Interaktion der behördlichen und privaten Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts weiter zu verbessern und für einen wirksamen Ausgleich kartellbedingter Schäden Sorge zu tragen, sowie einen EU-weiten Mindeststandard bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen einer Verletzung des europäischen Wettbewerbsrechts zu gewährleisten, werden befürwortet.

Es besteht aus Sicht des Bundestags noch Nachbesserungsbedarf, so dass eine Offenlegung von Beweismitteln zwischen den Parteien im Ergebnis nicht auf einen Ausforschungsbeweis hinausläuft. Lediglich plausible Gründe für den Verdacht eines Wettbewerbsrechtsverstoßes und eines daraus resultierenden Schadens reichen nicht. Der Offenlegungsbeschluss darf sich auch nicht auf ganze Kategorien von Beweismitteln beziehen. Die Voraussetzungen, unter denen das Gericht zum Erlass einer Offenlegungsanordnung berechtigt bzw. verpflichtet werden soll, wären weiter zu präzisieren.

Die Effektivität von Kronzeugenprogrammen sollte geschützt und verbessert werden, und der Vorrang des Schutzes von Kronzeugenunterlagen gegenüber dem Akteneinsichtsrecht normiert werden. Aus Sicht des Bundesrats sollten Kronzeugenunternehmenserklärungen und Vergleichsausführungen daher absoluten Schutz vor einer Offenlegung genießen.

Der Bundesrat plädiert dafür, dass der Begriff der Kronzeugenunternehmenserklärung weiter gefasst wird, um auch Unterlagen oder Informationen, die unabhängig von einem wettbewerbsbehördlichen Verfahren vorliegen, erfassen zu können, wenn der Kronzeuge diese freiwillig, z.B. als Anlage, zur Verfügung gestellt hat. Die Verwendungsbeschränkungen in Art. 7 Abs. 1 des Richtlinienvorschlags sollten generell auf alle Beweismittel erstreckt werden, die allein durch Einsicht in die Akten einer Wettbewerbsbehörde erlangt wurden. Der Bundesrat weist in dem Zusammenhang auf die EuGH-Entscheidung in Sachen "Donau-Chemie" und darauf hin, dass jedoch dem Effektivitätsgrundsatz Rechnung zu tragen sei. Ob und in welchem Ausmaß der Ermessensspielraum des zuständigen Richters legislativ so beschränkt werden könne, müsse sich letztlich an der EuGH-Rechtsprechung messen lassen.

Die Vorschläge zur Ausgestaltung der Verjährung von Schadensersatzansprüchen hält der Bundesrat im Wesentlichen für sachgerecht. Er weist jedoch darauf hin, dass die durch behördliche Verfahren bewirkte Verjährungshemmung von Ansprüchen gegen Kronzeugen früher enden kann als gegen die übrigen Kartellbeteiligten. Kartellgeschädigte, die die Bußgeldadressaten als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen wollen, müssen gegen den Kronzeugen schon relativ früh Klage erheben, was mit steigenden Kosten zu Lasten der klagenden Partei verbunden sein könnte. Art. 10 Abs. 2 sollte überprüft werden. Diese Regelung in Artikel 10 Absatz2 des Richtlinienvorschlags sollte nach Ansicht des Bundesrats einer Überprüfung unterzogen werden,  um nicht jede fahrlässige Unkenntnis des Geschädigten von den Tatbestandsmerkmalen seines Anspruchs einer Kenntnis gleichzustellen. Der Bundesrat plädiert für eine Kombination einer nicht zu strengen Verschuldensschwelle mit einer dreijährigen Verjährungsfrist (wie im deutschen Recht).

Der Bundesrat sieht die Beweisregel zur Beweiserleichterung für den Kläger kritisch, die die Überwälzung eines kartellbedingten Schadens schon dann als dem Grunde nach erwiesen ansieht, wenn zwischen den Marktstufen eine Produktidentität besteht. Diese Lesart werde nicht allen Fallgestaltungen gerecht. Auch fehle es für die in Art. 13 Abs. 2 Satz 2 vorgesehene Beweisregel und die darauf aufbauende richterliche Schätzbefugnis an ausreichenden Grundlagen. Auch seien die die Regelungen zur Schadensvermutung nicht ausgewogen und könnten zu einer ungerechtfertigten doppelten oder mehrfachen Inanspruchnahme der Täter führen können.

Der Bundesrat bittet um eine Klarstellung im Text der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten in ihren Rechtsvorschriften weiterhin eine Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils aus Kartellverstößen vorsehen können, diese Rechtsvorschriften aber effektiv ausgestaltet werden müssen.