09.01.2013

Scott-Morton (DOJ): “Antitrust Enforcement in High-Technology Industries: Protecting Innovation and Competition” (Rede)

Am 4. Januar 2013 wurde die Rede von Dr. Fiona Scott-Morton, der stellvertretenden Leiterin für ökonomische Analyse innerhalb der Wettbewerbsabteilung des u.s.-amerikanischen Justizministeriums anlässlich der jährlichen Tagung der New York State Bar Association vom 7. Dezember 2012 zum Thema „Kartellrechtsdurchsetzung in Hochtechnologieindustrien: Schutz von Innovation und Wettbewerb" ("Antitrust Enforcement in High-Technology Industries: Protecting Innovation and Competition")  veröffentlicht. Vertreter der DOJ haben im letzten Jahr öfter Vorträge zu diesem Thema gehalten, was die Bedeutung des Schnittstellenthemas von Wettbewerbsrecht und dem Recht des Geistigen Eigentums sowie den Stellenwert dieser Industrien weiter unterstreicht.

Dr. Fiona Scott-Martin bekleidet ihre Position innerhalb der DOJ seit Mai 2011. Ihre Aufgabe besteht darin, als leitende Ökonomin in einem größeren Team die Verfahren der DOJ und politische Ausrichtung der Behörde einer ökonomischen Analyse zu unterziehen.

Scott-Martin wies darauf hin, dass die Kartellgesetze, die ursprünglich für die Schwerindustrie („smokestack" industries) konzipiert worden seien, flexibel genug seien, um heute auch auf die „cloud"- gestützten Industrien angewendet werden zu können.  Wettbewerb (und seine schützenden Gesetze) seien der Schlüssel für Innovation und technologische Veränderungen. Die Wettbewerbsgesetze spielten eine wichtige Rolle, durch Wettbewerb generierte Innovationsanreize zu schützen.

Den Hochtechnologieindustrien sei gemein, dass ihre schnelle Innovationsfähigkeit, neue Produkte und Plattformen herzustellen und dabei die Produktionskosten zu senken, eine notwendige Bedingung sei, wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben. Der Wettbewerb sei in erster Linie ein Wettbewerb um Produktinnovation und die Einführung neuer Produkte; es gehe nicht so sehr um einen reinen Preiswettbewerb. Die aus der Innovationsfähigkeit resultierenden dynamischen Effekte seien auch oft größer als bei herkömmlichen Industrien. Diese Industrien würden oft eng mit Rechten des Geistigen Eigentums (Patenten) und verschiedenen technologischen Standards verknüpft sein; Interoperabilitätsgesichtspunkte sowie Netzwerkeffekte, die oftmals signifikant seien, seien daher von entscheidender Bedeutung. Das Netzwerk gewinne mit der Anzahl seiner Nutzer („positive feedback") an zunehmender Bedeutung.

Der heute ausgeprägte Wettbewerb zwischen Plattformen könne positive Effekte für den Wert des Netzwerks für seine Nutzer haben, er könne jedoch auch Markteintrittsbarrieren schaffen, zum Beispiel durch so genannte „lock- ins", wenn die auf der einen Plattform erworbenen Produkte nicht zu einer anderen transferiert werden können. Auch die Strategie des „tipping" könne wettbewerbsbeschränkende Effekte haben; damit sind Abschottungspraktiken gemeint, mit denen der Zugang zu etablierten Standards verweigert wird.

Für Wettbewerbsbehörden sei es - so Scott-Martin - im Bereich von Hochtechnologieindustrien nicht nur wichtig, statische Wettbewerbshindernisse, wie Preiserhöhungen, zu identifizieren und zu verhindern, sondern auch dynamische Wettbewerbshindernisse zu evaluieren und aufzukündigen, wie die Verhinderung oder Aufkündigung neuer Produkte oder Prozesse. Ein "wait and see approach", wie zuweilen vorgeschlagen, sei nicht opportun. Auch im Hochtechnologiesektor müsse das Kartellrecht, wie Scott-Martin vorschlägt, konsequent angewandt werden; dies liege insbesondere an den großen angebotsseitigen und nachfrageseitigen Skaleneffekten dieser Industrien. Eine marktbeherrschende Stellung ließe sich in diesem Sektor besonders schlecht revidieren. Auch führten die Netzwerkeffekte bei Pionierunternehmen dazu, dass sich ihre Stellung dauerhaft verfestige, was wiederum zu „lock-ins" oder hohen Transitionskosten oder de facto-Standards führen könne. Scott-Martin gesteht jedoch zu, dass die Identifizierung und der Nachweis dynamischer Wettbewerbshindernisse oft schwierig und ressourcenintensiv seien; diese Problematik könne man jedoch mit „discovery"-Verfahren weitgehend beheben.

Ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeit der DOJ sei die Patentpolitik. Es zeige sich in Verfahren, oftmals selbst initiiert von den Patentinhabern, dass diese ihre standardessentiellen Patente missbräuchlich verwendeten. Diese Patente müssten zu „vernünftigen und nicht-diskriminierenden Bedingungen" ("reasonable and non-discriminatory" ), RAND genannt oder zu „fairen, vernünftigen und nicht-diskriminierenden Bedingungen" ("fair, reasonable, and non-discriminatory"), FRAND genannt, lizensiert werden. Andernfalls würden der Wettbewerb und die wettbewerbsstimulierenden Effekte der Standardsetzung konterkariert. Die DOJ arbeite hier eng mit Unternehmen und Standardorganisationen zusammen.