12.06.2013

Europäische Kommission veröffentlicht Jahresbericht über die Wettbewerbspolitik 2012

EU
Europäische Kommission
Wettbewerbspolitik

https://ec.europa.eu/competition/publications/annual_report/index.html

Die Europäische Kommission hat am 28. Mai 2013 ihren Jahresbericht über die Wettbewerbspolitik 2012 veröffentlicht. Dieser Bericht enthält einen Überblick über die wesentlichen Entwicklungen in der Wettbewerbspolitik sowie über wichtige Durchsetzungsmaßnahmen.

2012 jährte sich die Gründung des Europäischen Binnenmarkts 1992 zum zwanzigsten Mal. Aus diesem Grund konzentriert sich der diesjährige Bericht auf die Bedeutung der Wettbewerbspolitik für Wachstum und einen funktionierenden Binnenmarkt. Einen besonderen Fokus legt die Kommission dabei auf den Finanzsektor, die netzgebundenen Wirtschaftszweige, die digitale Wirtschaft und den Arzneimittelsektor.

Der Finanzsektor

Im Finanzsektor hat die Kommission die Beihilfevorschriften genutzt, um staatlich gestützte Banken entweder ordentlich abzuwickeln oder umfassend umzustrukturieren. Im Rahmen der wirtschaftlichen Anpassungsprogramme für Irland, Portugal und Griechenland trug die Beihilfenkontrolle zur Umstrukturierung des gesamten Bankensektors der genannten Länder bei.

Wettbewerbsrechtliche Untersuchungen der Kommission im Finanzsektor betrafen 2012 eine Reihe von Kartellverstößen im Zusammenhang mit der Festlegung von Zinssätzen, dem Markt für Credit Default Swaps sowie dem Verhalten im Zusammenhang mit den von Kreditkartenunternehmen verlangten multilateralen Interbankenentgelten. Die Kommission untersagte außerdem den geplanten Zusammenschluss Deutsche Börse/New York Stock Exchange Euronext.

Netzgebundene Wirtschaftszweige

Im Strom- und Gasbereich konzentrierte die Kommission ihre Untersuchungen auf die mittel- und osteuropäischen Gasnetze und leitete unter anderem ein Missbrauchsverfahren gegen Gazprom ein. Für den Telekommunikationsbereich stellt die Kommission fest, dass viele ehemalige Monopolanbieter weiterhin eine starke Marktstellung innehaben, da sie Eigentümer der während des Bestehens der Monopole aufgebauten Festnetze sind. Untersuchungen richteten sich u.a. gegen Telefónica und Portugal Telecom. Außerdem hat die Kommission auch potenziell wettbewerbswidriges Verhalten von Slovak Telekom untersucht und geprüft, ob die Deutsche Telekom als Muttergesellschaft von Slovak Telekom für das Verhalten der Tochter haftbar gemacht werden kann. Dem Postsektor hat die Kommission 2012 besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Kommission fasste vier Beschlüsse über Beihilfen, die Deutschland, Belgien, Frankreich und Griechenland ihren jeweiligen etablierten Anbietern gewährt hatten. Für Deutschland und Belgien ordnete die Kommission die Rückforderung mit dem Binnenmarkt nicht zu vereinbarender Beihilfen in erheblichem Umfang an; die französischen und die griechischen Beihilfen wurden als mit den Beihilfevorschriften vereinbar bewertet.

Die digitale Wirtschaft

Ein besonderer Untersuchungsschwerpunkt lag im Jahr 2012 auf dem potenziellen Missbrauch von standard-essenziellen Schutzrechten (Verfahren gegen Samsung und Motorola). Andere Aktivitäten der Kommission betrafen Untersuchungen in der E-Book-Branche, das Missbrauchsverfahren gegen Google sowie die Prüfung eines Verstoßes gegen eine frühere Verpflichtungszusage durch Microsoft.

Arzneimittel

Im Arzneimittelsektor schickte die Kommission im Rahmen von zwei Verfahren im Zusammenhang mit mutmaßlich wettbewerbswidrigen Absprachen und einseitigen Verhaltensweisen im Juli 2012 Mitteilungen der Beschwerdepunkte an mehr als 14 Unternehmen. Im Juli 2012 hat die Kommission außerdem ihren dritten Bericht zur Überwachung von Streitbeilegungen in Patentfragen im Arzneimittelsektor veröffentlicht. Der Bericht bestätigt, dass die Anzahl der geschlossenen Patentvergleiche insgesamt erheblich zugenommen hat und der Anteil der wettbewerbsrechtlich möglicherweise problematischen Vergleiche gegenüber der Situation zu Beginn der sektorspezifischen Kommissionsuntersuchung dabei um die Hälfte zurückgegangen ist.

Staatliche Beilhilfen

2012 trat der neue Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) in Kraft und wurde erstmals im Rahmen von Beschlüssen der Kommission zur Anwendung gebracht. Im Mai 2012 veröffentlichte die Kommission außerdem ihre Mitteilung zur Modernisierung des EU-Beihilferechts, in der sie ihre ehrgeizigen Pläne zur Reform aller wesentlichen beihilferechtlichen Instrumente vorstellte. Die Modernisierung des EU-Beihilferechts soll darauf abzielen, die Gewährung von Beihilfen zu erleichtern, die gut konzipiert und auf ausgewiesenes Marktversagen ausgerichtet sind, Zielen von gemeinsamem Interesse dienen und den Wettbewerb möglichst nicht verzerren. Die Kommission hat im vergangenen Jahr damit begonnen, eine Vielzahl von Konsultationen zu einzelnen Beihilferegelungen durchzuführen.

Kartellrecht

Im Jahr 2012 hat die Kommission ihre Vorbereitungen für einen Gesetzgebungsvorschlag für wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen fortgesetzt. Die Vorschläge sollen 2013 veröffentlicht werden. Ziel der Initiative ist es, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen vor nationalen Gerichten bei Verstößen gegen das Kartellrecht zu verbessern sowie die Wirksamkeit des Kronzeugensystems zu gewährleisten, indem Kronzeugen im Rahmen späterer Schadensersatzklagen vor Akteneinsichtnahmen geschützt werden. Um Kronzeugenprogramme zu verbessern, hat das Europäische Wettbewerbsnetz 2012 auch das Model Leniency Programme gestärkt. Bei der Übersicht über unionsrechtlich wichtige Gerichtsentscheidungen 2012 betont die Kommission, dass die Unionsgerichte in einer Reihe von Urteilen die Auffassung der Kommission hinsichtlich der kartellrechtlichen Haftung von Muttergesellschaften bestätigt haben. So habe der Gerichtshof klargestellt, dass er in vollem Umfang die widerlegbare Vermutung aufrechterhält, dass wettbewerbswidriges Verhalten einer 100%igen oder nahezu 100%igen Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zugerechnet werden kann, wenn die Muttergesellschaft nicht nachweist, dass ihre Tochter ihr Marktverhalten vollkommen unabhängig von der Muttergesellschaft bestimmt hat.

Im Jahr 2012 hat die Kommission in fünf Kartellbeschlüssen Geldbußen im Umfang von insgesamt 1.875.694 Mrd. EUR verhängt.

Fusionskontrolle

2012 wurden bei der Kommission insgesamt 283 Fälle angemeldet; dies entspricht in etwa dem Durchschnitt der vergangenen vier Jahre. Die Kommission hat zehn eingehende Prüfungen (Phase II) eingeleitet. Ein Verfahren wurde mit einem Verbotsbeschluss abgeschlossen und bei sechs Beschlüssen wurden in der zweiten Prüfungsphase Verpflichtungszusagen vereinbart. Neun Genehmigungen mit Verpflichtungszusagen wurden nach Abschluss der vorläufigen Prüfungen (Phase I) erteilt.

Um die Effizienz der Bearbeitung unproblematischer Fälle zu erhöhen und um das Anmeldesystem unternehmensfreundlicher zu gestalten, wurde 2012 ein Vereinfachungsprozess insbesondere im Hinblick auf Vorhaben eingeleitet, die aus wettbewerbsrechtlicher Sicht eindeutig unproblematisch sind.

Weiterer Sektorenüberblick

Das Arbeitspapier der Kommission enthält einen umfangreichen Überblick über die politischen Entwicklungen und die Durchsetzungsmaßnahmen in ausgewählten Branchen, auf die die Kommission im Jahr 2012 besonderes Augenmerk gerichtet hat. Dies gilt für die Bereiche Energie und Umwelt, IKT und Medien, Finanzdienstleistungen, produzierendes Gewerbe, Landwirtschafts- und Ernährungssektor, Pharmaindustrie und Gesundheitsdienstleistungen sowie Verkehr.