07.10.2013

50. Ferienkurs des FIW fand vom 25. bis 27. September 2013 in Köln statt

FIW
Ferienkurs

In diesem Jahr veranstaltete das FIW seinen 50. Ferienkurs vom 25.-27. September 2013 in den Kanzleiräumen von Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Köln. Niels Lau, Geschäftsführer des FIW, leitete den Kurs, der wieder den wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen der Wettbewerbsordnung gewidmet war. Die einzelnen Fachvorträge der nachstehenden Referenten wurden von den Teilnehmern interessiert aufgenommen und rege diskutiert.

Dr. Ulrich Heimeshoff, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, untersuchte die Grundlagen des Wettbewerbs im Internet anhand der Modelle „Suchmaschinen“, „online-Auktionen“ und „sozialen Netzwerken“. Neu für die Wettbewerbsökonomie sei vor allem der Umstand, dass sich bislang unbekannte Beziehungen zwischen Akteuren entwickelten, die es zuvor nicht gegeben habe. Internetunternehmen seien zunächst auch Monopolisten auf ihren jeweiligen Märkten. Es entstünden sog. 2-seitige Märkte und direkte wie indirekte „Netzwerkeffekte“, wie z. B. Erhöhung der Zahl der Plattformnutzer und daraus abgeleitete weiter Aktivtäten der Internetunternehmen. Grundsätzlich gälten aber im Internet die gleichen ökonomischen Prinzipien wie in der analogen Welt, wenngleich herkömmliche Beurteilungskriterien wie Marktabgrenzung wohl mittlerweile „zu eng“ seien.

Dr. Hans-Martin Feldkamp (Lanxess Deutschland GmbH, Leverkusen) beleuchtete die Grundlagen der Kartellverfolgung in Deutschland (D), der EU und den USA. Weltweit hätten die Wettbewerbsbehörden die Verfolgung von Kartellen verstärkt. Die USA könnten Geldstrafen oder Gefängnisstrafen verhängen, die EU und D hingegen nicht. Das Kartellordnungswidrigkeitenrecht in D sowie die Bußgeldverhängung befänden sich de facto im strafrechtlichen Bereich, ohne dort verortet zu sein. Geldbußen hätten sich nicht nur in den USA beträchtlich erhöht. Kronzeugen-Programme führten zu vermehrter Aufdeckung von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen. Am Ende seines Vortrags ging Herr Dr. Feldkamp noch auf Besonderheiten in den USA ein, wie z.B. Sammelklagen. Ebenso erläuterte er Neuerungen im deutschen und europäischen Recht (z.B. beim Schadensersatz und beim kollektiven Rechtsschutz).

Dr. Daniela Seeliger, Linklaters LLP Düsseldorf, führten in das Recht der Fusionskontrolle ein. Im Bereich des EU-Rechts lenkte sie die die Aufmerksamkeit der Kursteilnehmer auf die zeitlichen Vorgaben, den SIEC-Test, (Veräußerungs)Zusagen, das Vollzugsverbot und Nebenabreden. Anschaulich wurden auch Fälle aus der Beratungspraxis dargestellt. Im Bereich des deutschen Fusionskontrollrechts ging es um die gleichen Schwerpunkte, erweitert die Neuerungen aus der 8. GWB-Novelle 2013 und Umsetzungsvorgaben aus dem europäischen Recht für das GWB.

Dr. Justus Herrlinger, White & Case Hamburg, widmete sich in seinem Vortrag zur „Bußgeldpraxis des Bundeskartellamtes" der Rechtsfolgenseite von Kartellverstößen. Nicht allein die Bußgeldhöhe werfe Frage auf, sondern auch die rechtsstaatlich nicht unproblematischen „Leitlinien" des BKartA. Weitere Unsicherheiten bestünden in unbestimmten Rechtsbegriffen im Zusammenhang mit der Bußgeldberechnung („wirtschaftliche Einheit") sowie darüber, ob die sog. „10 %-Jahresumsatz-Regel" eine „Ober"- oder „Kappungsgrenze" sei. Durch die Entscheidung im Fall Grauzement seien die Schwierigkeiten keinesfalls ausgeräumt. Herrlinger prognostizierte weiter ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit, welche auch durch die 8. GWB-Novelle nicht ausgeräumt wurden.

Dr. Michael Dietrich, TaylorWessing Düsseldorf, skizzierte in einem Vortrag Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Aufsicht über marktbeherrschende Unternehmen. Zu differenzieren seien die unterschiedlichen Formen des Missbrauchs und ihre jeweilige Ahndung (Verhaltens- bzw. Strukturkontrolle bzw. -Folge). Insbesondere der Preismissbrauch sei in diversen Konstellationen denkbar. Hier wie bei Rabattsystemen, bei Exklusivitätsvereinbarungen, Kopplungstatbeständen („Microsoft") und Lieferverweigerungen seien auch umfangreiche ökonomische Analysen nötig ("more economic approach", also eigentlich ein „individual facts based approach").

Was haben Fußball und Wettbewerbsrecht miteinander zu tun? Diese Frage stellte Simon Hirsbrunner, Heuking Kühn Lüer Wojtek Brüssel, an den Anfang seiner Betrachtungen zum EU-Wettbewerbsrecht und der Frage, inwieweit Sportvereine als „Unternehmen“ zu werten seien. Durch die besondere öffentliche Aufmerksamkeit seien staatliche Stellen wie Kommunen und Gemeinden geneigt, Vereinen Vergünstigungen zuzubilligen, die unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten als Verstoß gegen den Beihilferechtsrahmen der EU zu bewerten seien. Gemessen an den in Rede stehenden Summen, die dabei flössen, seien Fälle aus der gewerblichen Wirtschaft geradezu als „kleine Fische“ zu bezeichnen. An der Bedenklichkeit ändere auch das „Financial Fair Play“-Abkommen der UEFA nichts.

Dr. Johannes Zöttl, Jones Day, Frankfurt, widmete sich dem Thema „Schadensersatzklagen – Private Enforcement", also der Rechtsfolgenseite eines Verstoßes gegen das Kartellrecht. Allerdings ging es ihm im Wesentlichen um die Systematisierung von „public" (Prävention und Sanktion) - einerseits - und „private enforcement" (Kompensation) andererseits. Nach geltender Rechtslage seien die Betroffenen zu identifizieren und der Schadensersatz nach zivilrechtlichen Grundlagen zu berechnen. Damit hänge eine Vielzahl von Fragen zusammen, die sich v. a. aus den unterschiedlichen Prozessrechten in den betreffenden Rechtsordnungen ergäben. Bedeutsam sei die aktuelle Debatte um die „passing-on-defense", insbesondere die „ORWI“-Entscheidung des BGH vom 26.06.2011. Mit Spannung werde auch die Umsetzung der für das Kartellrecht relevante Initiative der EU-Kommission zur Stärkung des Private Enforcement (Richtlinienentwurf vom Juni 2013) erwartet. Zöttl machte trotz gegenteiliger Verlautbarungen seitens der EU durchaus u.-s.-amerikanische Züge in dem Entwurf aus (z. B. „discovery“).

Professor Dr. Roman Inderst, Universität Frankfurt/Main, nahm die Zuhörer auf eine volkswirtschaftliche Expedition mit: Er erläuterte empirische Methoden der Wettbewerbsökonomie und gab zu verstehen, dass der Vortrag ein Versuch sei, schwieriges Terrain für diffizile Entscheidungsgrundlagen zu betreten. Er bewies den Zuhörern aber, dass es näherungsweise möglich sei, einen Kartellschaden zu berechnen und dies gegenüber der üblichen Schätzung durch den gesetzlichen Richter präziser gelinge. Tatsächlich gehe es um Prognosen, Vergleichsmarktkonzepte und Schätzungsprärogativen, welche allerdings präzise sein müssten, um ein möglichst genaues Ergebnis zu erzielen.

Professor Dr. Thomas Lübbig, Freshfields Bruckhaus Deringer Berlin, näherte sich in seinem Vortrag „Nachhaltigkeit als kartellrechtliches Prüfkriterium“ dem Spannungsverhältnis eines im Grunde genommen „weichen“ Ziels der Verhaltenssteuerung und den „harten“ Kriterien des Rechtsrahmens. Leitsätze verpflichteten die Politik, ökologische, ökonomische und soziale Ziele in Einklang zu bringen, oft in Rechtsgebieten, in denen dies gar nicht vermutet würde. Den Niederschlag in der Kartellrechtspraxis machte Lübbig in Fallgruppen aus, wobei nur wenige tatsächlich kartellrechtlich relevant seien, etwa bei konkreten Standards und bei Preisvereinbarungen zum Ziel der Stärkung von Nachhaltigkeit.

Holger Dieckmann, GD Wettbewerb, EU-Kommission Brüssel, gab einen Überblick über Organisation und Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission. Zunehmend sähe sich die Generaldirektion Wettbewerb der Herausforderung ausgesetzt, die Wettbewerbsbehören innerhalb der EU zu koordinieren, aber auch eigene Akzente zu setzen. Ziel sei es, schwerwiegende Zuwiderhandlungen mit Auswirkung auf den Endverbraucher zu verhindern bzw. zu sanktionieren. Die Sachverhalte würden internationaler, die Heterogenität der zu berücksichtigenden Rechtsordnungen höher. Geübte bilaterale Beziehungen unterhalte die GD Wettbewerb mit den Behörden in den USA sowie mit Kanada, Japan, Korea, China, Brasilien und Russland. Die Netzwerke ECN und ICN seien wichtig. Mit seinem Überblick griff Dieckmann nochmals die in Einzelaspekten in den Vorträgen zuvor erörterten Punkte auf und sortierte sie in die Praxis der GD Wettbewerb ein. An Bedeutung gewonnen hätten neben der Einzelfallbehandlung die sog. Sektoruntersuchungen für einzelne Märkte, die auch für die konkrete Fallbearbeitung Erkenntnisse bringen würden. Auch die Rolle des „Chief Economist“ werde wichtiger, verfahrensseitig und außerhalb der GD Wettbewerb die Rolle des Anhörungsbeauftragten.

 

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