28.08.2012

OLG Düsseldorf schützt Kronzeugen vor Einsichtnahme Dritter in die Kronzeugenanträge (Urteil vom 22. August 2012)

D
OLG Düsseldorf
Bundeskartellamt
Private Rechtsverfolgung
Kronzeuge

https://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/aktuelles/presse/2012_08_27.php

Das Bundeskartellamt hat am 27. August 2012 per Pressemitteilung mitgeteilt, dass das OLG Düsseldorf bereits am 22. August 2012 im Kaffeeröster-Verfahren entschieden habe, dass Dritte auch in Gerichtsverfahren keine Akteneinsicht in Kronzeugenanträge von Kartellanten erhalten. Eine endgültige Auswertung dieser Nachricht muss allerdings dem Vorliegen des Urteils vorbehalten bleiben.

Hintergrund:

Das Bundeskartellamt hatte im Jahr 2009 auf der Basis mehrerer Kronzeugenanträge ein Kaffeeröster-Kartell aufgedeckt und gegen die Kartellanten Geldbußen in Höhe von rund 160 Mio. Euro verhängt. Nach dem Einspruch von zwei Kaffeeröstern gegen die Bußgeldbescheide befasste sich das Oberlandesgericht Düsseldorf mit der Angelegenheit. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hatten mehrere Einzelhandelsunternehmen (Abnehmer des Kartells) Anträge auf Einsicht in die Verfahrensakten einschließlich der Kronzeugenanträge gestellt.

Entscheidung des OLG Düsseldorfs (laut PM des Bundeskartellamts):

Das OLG Düsseldorf hat die Anträge auf Einsicht in die Kronzeugenanträge abschlägig beschieden. Es hat damit entschieden, dass das Vertrauen der Kronzeugen auf eine vertrauliche Behandlung der von ihnen eingereichten Anträge einschließlich dazu eingereichter Unterlagen das Offenbarungsinteresse der Antragsteller überwiege. Die Offenlegung der Bußgeldbescheide des Bundeskartellamts sei nach  Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf danach in der Regel ausreichend, um das berechtigte Informationsinteresse der durch ein Kartell geschädigten Abnehmer zu befriedigen.

Kontext:

Das Urteil bettet sich ein in die generelle Frage, ob das Bundeskartellamt und die Europäische Kommission solche Dokumente herausgeben oder schützen müssen, die Kronzeugen im Rahmen ihrer aufklärenden Zusammenarbeit mit den entsprechenden ermittelnden Behörden einreichen und mit denen sie sich selbst belasten. Aus Sicht der Behörden ist der Schutz des Kronzeugen, der freiwillig an seiner Überführung und dem Nachweis seines Kartellbeitrags mitwirkt, vorrangig vor den Interessen der Geschädigten, die naturgemäß ein Interesse haben, im Zivilprozess ihren Schadenersatzforderungen durch die Herausgabe spezifischer den Kronzeugen belastender Dokumente Nachdruck zu verleihen.

Der EuGH hatte in der Rechtssache „Pfleiderer" dazu am 14. Juni 2012 entschieden, dass die nationalen Richter eine Interessenabwägung im Einzelfall vornehmen sollten. Genau gesagt, hat der EuGH die kartellrechtlichen Bestimmungen der Union so ausgelegt, dass sie es zumindest nicht verbieten, dass Kartellgeschädigte Zugang zu Dokumenten eines Kronzeugenverfahrens erhalten. Es sei jedoch Aufgabe der mitgliedstaatlichen Gerichte auf der Grundlage des jeweiligen nationalen Rechts und unter Abwägung der unionsrechtlich geschützten Interessen im Einzelfall zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen dieser Zugang zu gewähren oder zu verweigern ist.

Das vorlegende Gericht, das AG Bonn, hatte daraufhin am 18. Januar 2012 entschieden dass die Pfleiderer AG als Geschädigte des Dekorpapierkartells keine Akteneinsicht in den Kronzeugenantrag der Kartellanten erhält. Diese und die Entscheidung des OLG Düsseldorf sind von großer Bedeutung für die Praxis des Bundeskartellamtes bei der Kartellverfolgung. Auch das OLG Düsseldorf hat damit die Auffassung des Bundeskartellamtes bestätigt, dass Kronzeugenanträge besonders vertraulich zu behandeln sind.