13.03.2012

Mundt (Bundeskartellamt) „Der Mittelstand im Kartellrecht“ beim 45. FIW-Symposion in Innsbruck (Rede)

D
FIW
45. Innsbrucker Symposion
Bundeskartellamt
Rede

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, sprach am 1. März 2012 anlässlich des 45. FIW-Symposions in Innsbruck, das dem Thema „Mittelstand im globalen Wettbewerb" gewidmet war, über „Der Mittelstand im Kartellrecht".

Mundt erläuterte zunächst, dass SME („small and medium-sized enterprises") und der in Deutschland gängige Begriff „Mittelstand" unterschiedliche Konzepte seien. Der Mittelstand in Deutschland werde nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ definiert und weiche insofern von der SME-Definition der EU-Kommission ab; ihm komme eine herausragende Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Ihm gehörten 95 Prozent aller Unternehmen an, er stehe für zwei Drittel aller umsatzsteuerrechtlich relevanten Arbeitsverhältnisse. Das Kartellrecht sei ein Baustein, der die Vielfalt mittelständischer Unternehmen in Deutschland sichere, weshalb die stringente Anwendung des Kartellrechts für den Mittelstand durchweg positive Auswirkungen habe. Die Europäisierung des nationalen Rechts habe allerdings dazu geführt, dass Spezialvorschriften für den Mittelstand weggefallen seien, z.B. die Vorschriften über Spezialisierungs - und Rationalisierungskartelle. § 3 GWB, der mittelständische Kooperationen unter einen besonderen Schutz stelle, habe zwar Signalfunktion (Wir geben Mittelstand nicht auf trotz Europäisierung"), der Raum für diese Vorschrift sei jedoch beschränkt, da sie nur anwendbar, wenn kein zwischenstaatlicher Bezug gegeben sei.

Mundt schilderte anschließend einige Normen mit speziellem Mittelstandsbezug. So sei durch das dritte Mittelstandsentlastungsgesetz ein weitere Umsatzschwelle in Fusionskontrolle eingefügt worden, wodurch sich die Zahl der Anmeldungen um die Hälfte verringert habe. Viele Zusammenschlüsse mit kleineren und mittleren Unternehmen seien damit nicht mehr anmeldepflichtig. Auch die Bagatellmarktklausel sei auf den Mittelstand fokussiert. Die im Rahmen der 8. GWB-Novelle anstehende Verschiebung in die materielle Fusionskontrolle sei zielführend, da sich damit der Ermittlungsaufwand, ob ein Bagatellmarkt vorliege, für Unternehmen verringere. In der Missbrauchsaufsicht gebe es ebenfalls spezielle Vorschriften, die Unternehmen bereits vor Diskriminierungen schützten, wenn sie sich Unternehmen mit relativer Marktmacht gegenübersehen. Das Verbot unter Einstandspreis, insbesondere für den Lebensmittelhandel, betrachte das Bundeskartellamt hingegen skeptisch. Auch die Regelung der so genannten Preis-Kosten-Schere schütze die mittelständischen Unternehmen gegenüber vertikal integrierten Unternehmen vor Verdrängung. Kooperationsbeschränkungen durch kleinere und mittlere Unternehmen seien dann erwünscht, wenn diese prokompetive Auswirkungen haben. 

Mundt warnte vor zu großen Lockerungen der Pressefusionskontrolle. Derzeit sei eine Absenkung der speziellen Schwellenwerte für Anmeldungen in der Pressefusionskontrolle in der Diskussion. Mundt gab zu bedenken, dass es keine Landesmedienanstalten gebe, die die publizistische Vielfalt im Printbereich überwachen könnten, weshalb man Vorsicht walten lassen sollte. Mundt rechtfertigte auch die Sektoruntersuchung im Lebensmitteleinzelhandel, um ineffiziente Strukturen aufzudecken. Die ehemals mittelständische Prägung des Lebensmitteleinzelhandels habe sich geändert. Es gebe heute nur noch vier Ketten des Lebensmitteleinzelhandels; es bestehe zudem ein Trend zum zentralisierten Einkauf. Der Befund der Sektoruntersuchung im Mineralölbereich sei ernüchternd gewesen, so Mundt. Der Markt weise vermachtete Strukturen auf. Auch bei den freien Tankstellen gebe es keine Preishoheit. Es gelte dennoch den Außenwettbewerb durch freie Tankstellen zu sichern. 

Mittelständische Unternehmen können sowohl Opfer von Kartellen sein, als sich auch selbst an Kartellen beteiligen, wie die Fälle in den Bereichen Feuerwehrfahrzeuge, Betonrohre und in der Entsorgungsbranche gezeigt hätte. Die Kartellverfolgung sei wichtig - so Mundt -, um die Angebotsvielfalt in Deutschland zu erhalten. Der Mittelstandsaspekt käme allerdings bei der Bebußung zum Tragen. Zwar würden auch bei kleineren und mittleren Unternehmen Geldbußen nicht reduziert, jedoch oft gestundet. Es gelte, die Belastungsfähigkeit jeweils individuell zu ermitteln und die Geldbuße an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Das Bundeskartellamt müsse Augenmaß zeigen: „Viel Augenmaß heißt aber nicht, dass man ständig beide Augen zumacht", sagte Mundt. Sein Fazit belief sich darauf, dass das Kartellrecht dazu beitrage, dass der Mittelstand und Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland erhalten bleibt. Wettbewerbsschutz sei auch immer gleich Mittelstandsschutz.