29.03.2012

Kabinett verabschiedet Regierungsentwurf zur 8. GWB-Novelle

Am 28. März 2012 hat die Bundesregierung den vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verabschiedet. Dies war der letztmögliche Zeitpunkt, damit die Novelle am 10. Mai 2012 auf der Tagesordnung des Bundesrats stehen kann. Die Novelle soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Der Referentenentwurf war am 10. November 2011 veröffentlicht worden. Eckpunkte stammten vom 2. August 2011.

 

Wesentliche Unterschiede zum Referentenentwurf sind Folgende:

 

·        Neu im Vergleich zum Referentenentwurf ist, dass die Novelle das Kartellrecht auf das wettbewerbliche Handeln der Krankenkassen ausdehnt. Dies gilt insbesondere für die Fusion von Krankenkassen. Das Bundeskartellamt kann zukünftig auch Absprachen von Krankenkassen, die den Wettbewerb beschränken (z.B. über Zusatzbeiträge), aufgreifen. Außerdem werden das Kartellverbot und die Missbrauchsaufsicht auf das Verhältnis der Krankenkassen untereinander und zu den Versicherten für entsprechend anwendbar erklärt. Zudem wird geregelt, dass hierfür die Kartellbehörden zuständig sind.

 

·        Nunmehr soll in § 32 Abs. 2a Satz 1 GWB-E soll klargestellt werden, dass die Kartellbehörden im Rahmen einer Abstellungsverfügung die Möglichkeit haben, eine Rückerstattung der erwirtschafteten Vorteile infolge kartellrechtswidrigen Verhaltens anzuordnen. Der Regierungsentwurf sieht nun darüber hinaus die Möglichkeit einer Schätzung der erwirtschafteten Vorteile in Gestalt von Zinsvorteilen vor. Schätzungen seien notwendig und gerechtfertigt, da die Bemessung der erwirtschafteten Zinsvorteile betriebswirtschaftlich komplex und häufig nicht eindeutig möglich sei. Neu ist auch, dass Beschwerden gegen Verfügungen nach § 32 Abs. 2a Satz 1 GWB-E - anders als im Referentenentwurf angedacht - aufschiebende Wirkung beigelegt wird. Es bleibt der Kartellbehörde allerdings unbenommen, die sofortige Vollziehbarkeit nach § 65 Abs. 1 GWB anzuordnen, wenn dies in bestimmten Fällen im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse der Beteiligten geboten sei. Es soll weiter gerechtfertigt sein, nach Ablauf der in der Abstellungsverfügung bestimmten Frist für die Rückerstattung eine Pauschalierung vorzusehen. Insofern sieht der neu eingefügte Absatz 2 a, Satz 3 GWB-E eine Pauschalierung wie im Falle des Verzugs mit Verbraucherbeteiligung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch vor.

 

·        Das Verbot des nur gelegentlichen Verkaufs von Lebensmitteln unter Einstandspreis wird dagegen – anders als im Referentenentwurf vorgeschlagen - um weitere fünf Jahre verlängert. Dies wird mit der hohen präventiven Vorfeldwirkung begründet, auch wenn es nur eine geringe Zahl von eingeleiteten Verfahren gegeben habe.

 

·        Die im Referentenentwurf weit gefassten Auskunftspflichten in § 81 a GWB-E sollen sich laut dem Wortlaut des Regierungsentwurfs nicht mehr - wie im Referentenentwurf - explizit auf gesellschaftsrechtliche Verbindungen zu anderen Unternehmen, insbesondere über Beteiligungsverhältnisse, Unternehmensverträge, Gesellschaftervereinbarungen, Minderheitenrechte, Teilnehmer an Gesellschafterversammlungen und Stimmverhalten bei Gesellschafterbeschlüssen, sondern nur noch auf Umsätze beziehen, allerdings auch auf die weltweiten Umsätze aller natürlichen und juristischen Personen, die als wirtschaftliche Einheit operieren.

 

Ansonsten bleibt es bei den wesentlichen Weichenstellungen des Referentenentwurfs:

 

·         Die im Referentenentwurf vorgenommenen Anpassungen an die europäische Fusionskontrolle werden übernommen und andere Spezifika werden eingefügt:

o        Das Untersagungskriterium der EU-Fusionskontrolle, ob ein Zusammenschluss eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs bewirkt (SIEC-Test; Significant Impediment of Effective Competition), soll in das deutsche Recht übernommen werden

o        Das Bundeskartellamt kann einen weiteren Auskunftsbeschluss erlassen, der eine Fristhemmung auslöst, wenn ein anmeldendes Unternehmen zuvor ein Auskunftsverlangen nicht oder ungenügend erfüllt hat.

o        Verhaltenszusagen sollen künftig möglich sein, solange sie nicht auf eine laufende Verhaltenskontrolle hinauslaufen.

o        Geregelt wird, wann die Unwirksamkeitsfolge für sonstige Rechtsgeschäfte infolge des Verstoßes gegen das Vollzugsverbot nicht gilt bzw. rückwirkend geheilt wird.

o        Es wird eine Ausnahme vom Vollzugsverbot von Zusammenschlüssen bei öffentlichen Übernahmen ist wie im EU-Recht geschaffen.

o        Einführung einer Zusammenrechnungsklausel bei der zweiten Inlandsumsatzschwelle.

o        Die Abwägungsklausel und Ministererlaubnis bleiben bestehen.

o        Die Zusammenschlusstatbestände bleiben erhalten.

o        Überführung der Bagatellmarktklausel in die materielle Fusionskontrolle.

o        Die pressespezifische Aufgreifschwelle wird erhöht (Verringerung des Multiplikators von 20 auf 8).

 

·         Die Bundesregierung hält an der besonderen Missbrauchsaufsicht über marktstarke Unternehmen aufgrund ihrer hohen wettbewerbs- und mittelstandspolitischen Bedeutung fest.

o        Um die kleinen und mittleren Tankstellenbetreiber im Wettbewerb zu stärken, verlängert die Novelle das Verbot sog. Preis-Kosten-Scheren, das ursprünglich bis Ende 2012 befristet war. Damit soll verhindert werden, dass die großen Mineralölkonzerne kleine und mittlere Konkurrenten im Wettbewerb behindern, indem sie ihnen Kraftstoffe zu einem höheren Preis liefern als dem, den sie selbst an ihren eigenen Tankstellen von den Endverbrauchern verlangen.

o        Ebenfalls verlängert wird die spezielle Preismissbrauchsvorschrift für marktbeherrschende Strom- und Gasanbieter, da im Energiebereich immer noch kein strukturell gesicherter Wettbewerb vorherrsche.

o        Die Systematik der §§ 19, 20 GWB wird neu geordnet. § 18 GWB enthält die Definition der Marktbeherrschung. Die Marktbeherrschungsvermutungen bleiben beibehalten, jedoch wird der Schwellenwert für die Einzelmarktbeherrschung auf 40 Prozent angehoben. § 19 GWB regelt das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, § 20 GWB fasst die Regelungen für Unternehmen mit relativer und überlegener Marktmacht zusammen.

o        Aufnahme der in Übergangsvorschriften enthaltenen Regelungen der verschärften Missbrauchskontrolle über die Wasserwirtschaft ins GWB. Es bleibt bei der Freistellung der Wasserwirtschaft von der Geltung des allgemeinen Kartellrechts.

 

·         Kartellordnungswidrigkeiten/Bußgeldrecht:

o        Die Verbraucherverbände erhalten die Möglichkeit, Unternehmen wegen eines Kartellrechtsverstoßes auf Unterlassung und auf Vorteilsabschöpfung für Schäden in Anspruch zu nehmen, die eine Vielzahl von Verbrauchern betreffen. Sammelklagen werden nicht eingeführt.

o        Die Kartellbehörden erhalten die Möglichkeit, strukturelle Maßnahmen nach einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht anzuordnen; darunter fallen auch Entflechtungen. § 32 Abs. 2 GWB wird dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 VO1 /2003 vollständig angepasst, d.h. bei Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 oder 102 AEUV können den beteiligten Unternehmen „auch alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art (vorgeschrieben werden), die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind.

o        Gleichzeitig erhalten die Kartellbehörden die Möglichkeit, die Rückerstattung zu Unrecht erhaltener Zahlungen (z.B. bei überhöhten Preisen im Strombereich) an die Verbraucher anzuordnen (siehe oben zu den Neuerungen).

o        Die Akteneinsicht in einen Kronzeugenantrag wird ausgeschlossen.

 

Weitere Änderungen sind redaktioneller Art, betreffen die Anpassungen an den Vertrag von Lissabon oder sind von nach geordneter Bedeutung.