06.03.2012

Italianer (GD Wettbewerb): “Public and private enforcement of competition law” (Rede)

EU
Kommission
Italianer
Rede
Private Rechtsverfolgung/Private Enforcement

https://ec.europa.eu/competition/speeches/text/sp2012_02_en.pdf

Der Generaldirektor der GD Wettbewerb, Alexander Italianer, sprach am 17. Februar 2012 bei der fünften internationalen Wettbewerbskonferenz (International Competition Conference) über die öffentliche und private Rechtsverfolgung im Wettbewerbsrecht ("Public and private enforcement of competition law").

Italianer adressierte die Rolle der privaten Rechtsverfolgung aus Sicht der Kommission und insbesondere die Beziehung zwischen privater und öffentlicher Rechtsverfolgung. Neue Ansätze brachte die Rede nicht. Italianer betonte, dass die private und öffentliche Rechtsverfolgung sich gegenseitig ergänzten und nicht ausschlössen oder abschwächten. Die Stärkung der privaten Rechtsverfolgung, die die Kommission seit Jahren mit ihrer Strategie, kollektive Rechtsdurchsetzungsinstrumente zur Anwendung gelangen zu lassen, voranbringen will, sei - so Italianer - keine Gefahr für die Effektivität der öffentlichen Rechtsdurchsetzung. Dies würde öfter behauptet. Auch stehe die private nicht hinter der öffentlichen Rechtsverfolgung zurück, auch wenn die öffentliche Durchsetzung des Kartellrechts bisher im Fokus der Kartellbehörden stand.  Die öffentliche Rechtsverfolgung müsse stark sein und bleiben, da durch diese Kartelle aufgedeckt und unzulässigen Verhaltensweise ein Ende gesetzt würden und von ihr eine Abschreckungswirkung, vor allem mittels Bußgeldern, ausginge. Eine effektive private Rechtsverfolgung sei ebenfalls notwendig, um dafür Sorge zu tragen, dass die Geschädigten Kompensationen erhalten.

Zum Pfleiderer-Urteil des EuGH:  Auch der Schutz bestimmter Dokumente (konkret Kronzeugenanträge) sei an der Schnittstelle zwischen öffentlicher und privater Rechtsverfolgung angesiedelt. Die Kommission stehe - auch in einem aktuellen Fall vor dem Englischen High Court - zu ihrer Rechtsansicht, dass Dokumente und Aussagen im Zusammenhang mit einem Kronzeugenantrag vor der Einsichtnahme geschützt werden müssen. Kronzeugenprogramme - so Italianer - seien unerlässliche Instrumente zur Kartellaufdeckung. Damit dieser Schutz in sämtlichen Mitgliedstaaten gewährleistet würde, wird die Kommission einen Legislativvorschlag unterbreiten (im Arbeitsprogramm der Kommission enthalten).

Italianer propagierte zudem die Einführung von Sammelklagen zum Nutzen von Verbrauchern und kleinen und mittleren Unternehmen. Sämtliche potentiellen Anspruchsteller (Stakeholder) hätten dies, behauptete Italianer, gefordert. Es gehe daher nicht mehr um das „Ob" sondern um das „Wie", wozu angemessene Sicherheitsmechanismenr gehörten. Auch das Europäische Parlament habe sich in diesem Sinne geäußert und anerkannt, dass das Kartellrecht spezifische Regelungen benötigen könnte. Ein etwaiges Instrument müsse auf dem Prinzip der Kompensation beruhen, effektive und effiziente Entschädigungsregeln vorsehen und „robuste Sicherheitsmechanismen" gegen eine missbräuchliche Klagekultur enthalten.

Zur Rolle von Compliance-Programmen: Italianer stellte noch einmal, wie zuvor Vizepräsident Almunia, klar heraus, dass allein die „Rechtsunterworfenen" , große und kleine Unternehmen gleichermaßen, dafür verantwortlich seinen, ein rechtskonformes Verhalten (Compliance) an den Tag zu legen. Die Kommission belohne keine Compliance-Systeme, etwa durch eine Geldbußenermäßigung, die offensichtlich versagt haben und einen Kartellverstoß nicht verhindern konnten. Allerdings werte die Kommission solche Programme auch nicht as strafstärfend. Die Kommission ermutige die Unternehmen, gute Compliance-Programme zu entwickeln und umzusetzen und habe zu diesem Zweck Informationen und Empfehlungen veröffentlicht.