07.05.2012
GB: Britische Regierung schlägt Opt-Out-Sammelklagen für Kartellrechtsschäden vor
Das britische Ministerium für Unternehmensinnovation und berufliche Qualifizierung (BIS, Department for Business Innovation and Skills) hat am 24.April 2012 eine Konsultation zur Privaten Rechtsverfolgung, insbesondere zur Einführung von Opt-Out-Sammelklagen im Vereinigten Königreich eröffnet. Die Konsultation endet bereits am 24. Juli 2012.
Die Vorschläge werden seitens der Regierung eingebracht, da sie der Auffassung ist, dass zu wenige Opfer von Wettbewerbsverstößen entschädigt werden. Auch hätten die bestehenden kollektiven Klagemechanismen der letzten Jahre (z.B. Opt-In Verbandsklage der Verbrauchervereinigung Which?) keine nennenswerten Erfolge gezeitigt. Die aktuellen Vorschläge haben im Wesentlichen zwei Zielrichtungen: Zum einen sollen durch effiziente Entschädigungsmechanismen Wachstum und zum anderen das Prinzip der Fairness befördert werden, indem geschädigte Unternehmen und Verbraucher sich gegen wachstumshindernde wettbewerbsbeschränkende Praktiken effektiv wehren und Schadenersatz einfordern könnten.
Die Kernelemente der vorgeschlagenen Reformen belaufen sich auf Folgende:
Das Competition Appeal Tribunal (CAT) soll ein Spezialgericht für Schadensersatzansprüche im Wettbewerbsrecht werden. Verweisungen an das CAT sollen möglich sein, und das CAT soll auch ein Forum für so genannte isolierte Kartellrechtsklagen („stand alone claims") werden. Für kleinere und mittlere Unternehmen soll ein schnelleres und vereinfachtes Verfahren eingerichtet werden.
- Die private Rechtsverfolgung soll als Ergänzung zur öffentlichen Rechtsverfolgung im Kartellrecht ausgebaut werden.
- Alternative Streitbeilegungsmechanismen (ADR) sollen verfügbar sein.
- Einführung von Opt-Out-Sammelklagen nur im Kartellrecht. Als Qualifikationskriterien für die Zulässigkeit einer Sammelklage ist u.a. an eine große Anzahl von Betroffenen (potentiellen Klägern) gedacht, welche einen gleichartigen Schaden erlitten haben. Im Ergebnis soll die Sammelklage alle Kläger und Mitglieder der Klasse, die von den Klägern repräsentiert werden, binden. Jedes Mitglied soll aber grundsätzlich die Möglichkeit haben, nicht von der Sammelklage umfasst zu werden und eigene Ansprüche zu verfolgen (opt out).
- Es soll nur einfacher Schadenersatz und kein Strafschadenersatz (wie in den USA) eingeklagt werden können. Schadenschätzungen sollen möglich sein. Vorgeschlagen ist eine widerlegbare Vermutung, dass die Kartellrendite 20 Prozent beträgt.
- Die Passing-On-Defence soll möglich sein.
- Die normalen Kostentragungsregeln im Prozess („Loser pays") sollen beibehalten werden. Erfolgshonorare („contingency fees") sollen ausgeschlossen sein.
- Es sollen weitere Anreize für die Effektivität des Kronzeugenprogramms geschaffen werden. So sollen Kronzeugen von der gesamtschuldnerischen Haftung ausgeschlossen sein.
Unter bestimmten Voraussetzungen soll die Wettbewerbsbehörde Entschädigungen von Kunden als Teil der Abstellungsverfügung direkt anordnen können.