25.05.2012

EU: Kommission erlässt Beihilferegeln im Zusammenhang mit dem System für den Handel Treibhausgasemissionszertifikaten

Am 22. Mai 2012 hat die EU-Kommission Leitlinien für nationale Ausgleichsleistungen für industrielle Stromkosten im Zusammenhang mit dem EU‑Emissionshandelssystem (Leitlinien für bestimmte Beihilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach 2012 - ETS-Beihilfeleitlinien) erlassen. Im Dezember 2011 hatte die EU-Kommission eine Konsultation zu dem Entwurf von Leitlinien durchgeführt.

Hintergrund:

Die EU-Kommission hatte bereits im März 2009 zugesagt, den Umweltbeihilferahmen der Gemeinschaft bis Ende 2010 zu modifizieren und so die Bestimmun­gen im Artikel 10a Abs. 6 der ETS-Richtlinie (2009/29/EG) für die Mitgliedstaaten ab dem 1. Januar 2013 anwendbar zu machen.

Die Richtlinie und begleitende Rechtsvorschriften zielen darauf ab, das umweltpolitische Gesamtziel der EU zu verwirklichen, bis 2020 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 20 % zu reduzieren und den Anteil der erneuerbaren Energieträger am Gesamtenergieverbrauch der EU auf 20 % zu erhöhen. Die ETS-Richtlinie sieht für bestimmte Unternehmen vorübergehende Sondermaßnahmen vor wie Beihilfen zum Ausgleich des Anstiegs der Strompreise infolge der Einbeziehung der Kosten von Treibhausgasemissionen („Kosten indirekter Emissionen" ), Investitionsbeihilfen für hocheffiziente Kraftwerke, einschließlich neuer Kraftwerke, die für die umweltverträgliche Abscheidung und geologische Speicherung von CO2 geeignet sind („CCS-fähig") und die Option einer übergangsweise erfolgenden kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten im Stromsektor in bestimmten Mitgliedstaaten. Mit der Beihilfenkontrolle soll insbesondere gewährleistet werden, dass die staatlichen Beihilfemaßnahmen zu einer größeren Reduzierung der Treibhausgasemissionen führen, als ohne die Beihilfen erreicht würde, und dass die positiven Auswirkungen der Beihilfe die negativen Auswirkungen, d. h. die etwaigen Verfälschungen des Wettbewerbs im Binnenmarkt, überwiegen. Staatliche Beihilfen müssen erforderlich sein, um das Umweltziel des EU ETS zu erreichen (Erforderlichkeit der Beihilfe), und sie müssen auf das zur Erreichung des angestrebten Umweltschutzes notwendige Minimum beschränkt sein (Angemessenheit der Beihilfe), ohne eine ungerechtfertigte Verfälschung des Wettbewerbs und des Handels im Binnenmarkt zu bewirken.

Geltung der ETS-Beihilfeleitlinien:

In den nun vorgelegten ETS-Beihilfeleitlinien werden die Kriterien für die Vereinbarkeit für bestimmte Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach 2012 näher dargelegt. Die durch diese Leitlinien abgedeckten Maßnahmen können nur für ab dem 1. Januar 2013 anfallende Kosten genehmigt werden; dies gilt mit Ausnahme von staatlichen Beihilfen im Zusammenhang mit der Option einer (in bestimmten Mitgliedstaaten) übergangsweise erfolgenden kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten zur Modernisierung der Stromerzeugung, die unter bestimmten Voraussetzungen ab dem 25. Juni 2009 getätigte, im nationalen Plan enthaltene Investitionen umfassen können.

Gemäß den Leitlinien sollen für folgende Zwecke Beihilfen gewährt werden können:

Diese Beihilfen sollen der Gefahr einer Verlagerung von CO2-Emissionen (Carbon Leakage-Risiko) vorbeugen und diese Kosten unter bestimmten Voraussetzungen ausgleichen können (Stromkostenkompensation). Der Beihilfehöchstbetrag, den die Mitgliedstaaten gewähren dürfen, ist nach einer Formel zu berechnen, die den Basisproduktionswerten der Anlage oder den Basisstromverbrauchswerten der Anlage nach der Definition in diesen Leitlinien sowie dem CO2-Emissionsfaktor für von Feuerungsanlagen in verschiedenen geografischen Gebieten gelieferten Strom Rechnung trägt. Nach Ansicht der EU-Kommission darf die Beihilfe die Kosten in den Strompreisen ferner nicht voll kompensieren und muss allmählich verringert werden. Es werden nun Beihilfen von bis zu 85 % der Kostensteigerung der effizientesten Unternehmen in jedem Wirtschaftszweig von 2013 bis 2015 erlaubt. Dieser Höchstwert wird in den Jahren 2019-2020 schrittweise auf 75 % gesenkt.

Die Mitgliedstaaten können die Einnahmen aus der Versteigerung der Zertifikate von 2013 bis 2016 für die Förderung des Baus hocheffizienter Kraftwerke, u. a. neuer Kraftwerke, bei denen die Abscheidung und Speicherung von CO2 vorgesehen ist, verwenden. Diese Beihilfen müssen darauf abzielen, den Umweltschutz zu verbessern und ein Marktversagen durch eine wesentliche Auswirkung auf den Umweltschutz zu beheben. Die Beihilfen müssen notwendig sein, einen Anreizeffekt haben und angemessen sein. Beihilfen für die Abscheidung und Speicherung von CO2 fallen nicht in den Anwendungsbereich dieser Leitlinien und werden im Rahmen anderer bestehender Beihilfevorschriften gewürdigt. Allerdings kann der Bau neuer hocheffizienter (CCS-fähiger) Kraftwerke bis 2020 nur mit bis zu 15 % der Investitionskosten unterstützt werden.

Nach Artikel 10c der ETS-Richtlinie können Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen übergangsweise vom Grundsatz der Vollversteigerung der Emissionszertifikate abweichen und den am 31. Dezember 2008 in Betrieb befindlichen Anlagen für die Stromerzeugung sowie den Anlagen für die Stromerzeugung, bei denen der Investitionsprozess am 31. Dezember konkret begonnen hat, kostenlos Zertifikate für die Stromerzeugung zuteilen. Diese Abweichung vom Grundsatz der Vollversteigerung beinhaltet staatliche Beihilfen. Auch auf der Ebene der Investitionen, die die Empfänger kostenloser Zertifikate zu reduzierten Kosten tätigen, werden staatliche Beihilfen gewährt.

Nach Artikel 27 der ETS-Richtlinie können die Mitgliedstaaten kleine Anlagen und Krankenhäuser vom EU ETS ausschließen, sofern sie gleichwertige Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen ergreifen. Diese Maßnahme könnte staatliche Beihilfen beinhalten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die von Mitgliedstaaten auferlegten gleichwertigen Maßnahmen zu einem wirtschaftlichen Vorteil zugunsten der betreffenden kleinen Anlagen und Krankenhäuser führen könnten, bei dem die Möglichkeit besteht, dass er den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht und den Handel im Binnenmarkt beeinträchtigt.

Reaktion des Bundeswirtschaftsministeriums

Nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums seien die Bestimmungen zur Stromkostenkompensation deutlich realitätsnäher ausgefallen als ursprünglich von der EU-Kommission geplant. Positiv sei vor allem, dass die Kompensation weder durch den Abzug der Kosten aus der 2. Handelsperiode noch durch die Einführung eines Schwellenwertes entscheidend verkürzt werde. Das Bundeswirtschaftsministerium werde nun zügig eine nationale Förderrichtlinie zur Strompreiskompensation vorlegen. Das Ministerium bedauerte, dass die Voraussetzungen für die Kraftwerksförderung von der EU-Kommission äußerst restriktiv geregelt worden seien, insbesondere betreffe dies die sehr hohen Anforderungen an die CCS-Fähigkeit. Das Gesetz zur Umsetzung der CCS-Richtlinie befinde sich derzeit im Vermittlungsausschuss.