21.06.2012

EP: Italienische Studie zum kollektiven Rechtsschutz wurde im ECON vorgestellt

EU
Europäisches Parlament
ECON
Private Rechtsverfolgung
Kollektiver Rechtsschutz/Sammelklage

https://www.europarl.europa.eu/document/activities/cont/201206/20120613ATT46782/20120613ATT46782EN.pdf

Am 19. Juni 2012 ist die Studie „Collective Redress in Antitrust" (Kollektiver Rechtsschutz im Kartellrecht) im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des Europäischen Parlaments (EP) vorgestellt worden, der die Studie in Auftrag gegeben hatte. Diese Studie wurde von der Beratungsgesellschaft LEAR erstellt, die im Zusammenhang mit der im Februar 2011 von der EU-Kommission durchgeführten Konsultation über gemeinsame Rechtsgrundsätze für den kollektiven Rechtsschutz in der EU („Kollektiver Rechtsschutz: Hin zu einem kohärenten europäischen Ansatz"), steht.

Das EP hatte im Februar 2012 selbst eine Entschließung zu dem Thema verabschiedet. Diese Entschließung ging zurück auf den Initiativbericht des Berichterstatters des federführenden Rechtsausschusses, Klaus-Heiner Lehne (EVP), den der Ausschuss im Dezember 2011 mit einigen Änderungen angenommen hatte.

Vorgestellt wurde die Studie im ECON von den Autoren Paolo Buccirossi, dem Direktor und Begründer von LEAR (Ökonom), Michele Capagnano, Juraprofessor an der Universität von Trent und Massimo Tognoni, Berater bei LEAR.

Wesentlicher Inhalt der Studie:

Die Studie analysiert die verschiedenen bestehenden Systeme kollektiven Rechtsschutzes in der Europäischen Union im Bereich des Kartellrechts und setzt sich unter anderem mit der Frage nach der Notwendigkeit eines EU-weiten harmonisierten Systems eines kollektiven Rechtsschutzes („EU-Sammelklage") auseinander und der Frage der Rechtsgrundlage bei einer europäischen Initiative. Weiter bewertet sie die Vorteile und Grenzen verschiedener Regelungen, die mit der Einführung eines Systems kollektiven Rechtschutzes im Zusammenhang stehen.

Die Studie stellt fest, dass die nationalen Systeme kollektiven Rechtschutzes erheblich voneinander abweichen und gibt einen kurzen Abriss über die nationalen Bestimmungen im Bereich des Kartellrechts. Die Anzahl der kartellrechtlichen Gerichtsverfahren, die eine Mehrzahl von Klägern umfasst, sei sehr gering. Dies führen die Autoren zum einen darauf zurück, dass die Gesetzgebung im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes teilweise erst vor kurzem erlassen wurde, zum anderen könnte es auch - nach Ansicht der Autoren - mit der Ineffizienz der bestehenden Regelungen zusammenhängen. Auch seien die Systeme oft zu „beklagtenfreundlich" und nützten den Klägern nicht viel. So würden reine Opt-In-Systeme und fehlende ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten erhebliche Hindernisse für die Kläger darstellen.

Es gebe - so die Studie - überhaupt nur sechs Länder in der EU, in denen im Kartellrecht in den letzten fünf Jahren kollektive Verfahren durchgeführt worden wären (Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Spanien und Vereinigtes Königreich), und es wären in keinem der Fälle mehr als fünf Verfahren gewesen. Dies zeigt, dass die Studie einen sehr begrenzten Blickwinkel hat und sich schon gar nicht mit kartellrechtlichen Streitigkeiten in Gänze befasst, sondern nur mit bereits durchgeführten kollektiven Verfahren. Die Frage, ob man kollektive Systeme im Kartellrecht überhaupt benötigt, wird gar nicht erst gestellt. Die geringe Anzahl kollektiver Verfahren dient den Verfassern als Beleg dafür, dass man den kollektiven Rechtsschutz ausbauen müsse. 

Aus Sicht der Verfasser müsse ein EU-weites harmonisiertes System eines kollektiven Rechtsschutzes in der Lage sein, Geschädigte angemessen zu kompensieren und gleichzeitig unberechtigte Ansprüche zurückzuweisen. Es müsse einen fairen Prozess und Rechtssicherheit sicherstellen und die finanziellen Hürden für Verbraucher und kleine und mittlere Unternehmen senken. Auch für große Unternehmen sei ein harmonisiertes kollektives Rechtsschutzsystem von Vorteil, wenn sie mit Ansprüchen aus verschiedenen Jurisdiktionen konfrontiert würden. Die Studie favorisiert einen sektoralen Ansatz, d.h. dass für den Verbraucherschutz und das Kartellrecht zwei verschiedene Rechtsinstrumente geschaffen werden sollten. Eine Harmonisierung im Bereich des Kartellrechts würde nach Ansicht der Verfasser wahrscheinlich weitere Harmonisierungen bei den bislang nach nationalem Recht ausgestalteten Regelungen zur Passing-On-defence, beim Beweiszugang und Offenlegungspflichten (Discovery) sowie zur Anwendung der Kronzeugenregelungen nach sich ziehen.

Die Rechtsgrundlage für eine gemeinschaftsweite Initiative im Kartellrecht, vorzugsweise eine Verordnung, sehen die Verfasser der Studie bei Art. 103 AEUV angesiedelt. Zusätzlich könne man an Art. 114 i.V. mit Art. 169 AEUV denken.

Nach Ansicht der Verfasser sollte eine EU-Verordnung folgende Regelungen vorsehen:

Zitat: „The concern that law firms, through contingency fees arrangements or private funds, may make a business out of these actions is lacking reasoning."