30.01.2012
Bundeskartellamt legt Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung in der Milchwirtschaft vor
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https://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Stellungnahmen/2012_01_Sektoruntersuchung_Milch_Endbericht_final.pdf |
Am 19. Januar 2012 hat das Bundeskartellamt (BKartA) seinen Endbericht zur Sektoruntersuchung in der Milchwirtschaft vorgelegt. Die Sektoruntersuchung war bereits im Juni 2008 von der 2. Beschlussabteilung eingeleitet worden. Anlass waren Hinweise, dass der Wettbewerb auf den einzelnen Produktionsstufen der Milchwirtschaft nur eingeschränkt funktioniere. Sektoruntersuchung Milch veröffentlicht. Die Behörde präsentiert damit eine umfassende kartellrechtliche Bewertung der Geschäftsbeziehungen in der Milchwirtschaft. Im Januar 2010 hatte das Amt einen Zwischenbericht vorgelegt.
Gegenstand der Sektoruntersuchung
Das BKartA hat eine eingehende Analyse der Milchwirtschaft von der Beschaffung der Rohmilch über die Molkereiwirtschaft bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel durchgeführt.
Die Sektoruntersuchung richtet sich nicht gegen einzelne Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen. Sie nimmt vielmehr eine Einordnung der Wettbewerbs-probleme außerhalb von möglichen Einzelverstößen gegen das Kartellrecht vor. Ihre allgemeine Zielsetzung ist es, den Marktteilnehmern und politischen Entscheidungsträgern einen vertieften Einblick in die Wettbewerbssituation im Milchsektor und den maßgeblichen kartellrechtlichen Bewertungsrahmen zu gewähren.
Zwischenbericht
Im Zwischenbericht hatte das BKartA vor allem die Wettbewerbsstrukturen dargestellt und Machtverhältnisse zwischen den einzelnen Marktstufen beschrieben. Konstatiert wurde eine Benachteiligung der Milcherzeuger im Verhältnis zu den Molkereien konstatiert. Es wurde festgestellt, dass die Praxis längerfristiger Milchlieferverträge und die hohe Transparenz über Milchauszahlungspreise und Milchmengen negative Folgen für den Wettbewerb gehabt hätten. Vor allem sei dadurch der Wettbewerb der Molkereien um die Rohmilch stark eingeschränkt. Gegenüber den Molkereien befände sich der Lebensmitteleinzelhandel in einem strategischen Vorteil, da die Molkereien nur über eingeschränkte Absatzalternativen verfügten. Die hohe Markttransparenz habe diesen Effekt verstärkt. Das Amt hatte festgestellt, dass die überwiegend praktizierten Preisbildungsmechanismen nicht in einem funktionsfähigen Wettbewerbs- und Verhandlungsumfeld gebildet würden. Forderungen nach bundesweiten Preis- oder Mengenabsprachen wären jedoch weder mit deutschem noch mit europäischem Kartellrecht zu vereinbaren.
Inhalt des Abschlussberichts
Seit dem Zwischenbericht sind bei den rechtlichen Rahmenbedingungen und Marktmechanismen in der Milchwirtschaft keine signifikanten Änderungen eingetreten. Der Abschlussbericht konzentriert sich - anders als der Zwischenbericht - auf die kartellrechtliche Einordnung der identifizierten Wettbewerbsprobleme sowie die Fallpraxis des Amtes. Das BKartA trifft insbesondere folgende Feststellungen:
- Die Beschränkungen des Wettbewerbs, insbesondere auf den regionalen Beschaffungsmärkten für Rohmilch, resultiert aus einer Kombination von hoher Markttransparenz über aktuelle betriebsbezogene Auszahlungspreise unmittelbar benachbarter Molkereien, beschränkten Möglichkeiten der Beendigung der Lieferbeziehung der Erzeuger und einer vollständigen Andienungspflicht für die Erzeuger.
- Einige praktizierte Marktinformationssysteme, wie Marktinformationssysteme, die aktuelle Milchgelddaten betriebsbezogen veröffentlichen, hätten wettbewerbswidrigen Auswirkungen und unterstützten marktstufenübergreifende Preiskartellierungen. Hier hat das BKartA bereits zwei Verfahren eingeleitet.
- Die Frage nach dem Machtgefälle zwischen Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel müsse differenziert beantwortet werden müsse. Die Marktposition einer Molkerei werde entscheidend geprägt von der individuellen Höhe der Lieferanteile mit den Handelsunternehmen, von ihrem konkreten Produktportfolio und der Frage, ob und welche Vertriebsalternativen es gebe. In dem Zusammenhang beabsichtigt das BKartA, sich eingehender mit der Forderung von langen Zahlungszielen zu befassen, mit denen die betroffenen Molkereien den Handelsunternehmen im Ergebnis systematisch Lieferantenkredite verschaffen sollen.
- Die Bemühungen um die Stärkung der Stellung der Erzeuger dürfen im Ergebnis nicht zu einer umfassenden Kartellierung der Erzeugerstufe auf regionalen Märkten für die Rohmilcherfassung führen. Eine begrenzte Möglichkeit zur gemeinsamen Preisverhandlung der Erzeuger könne hingegen deren Wettbewerbsfähigkeit stärken. Das Marktstrukturgesetz biete den Erzeugern bereits jetzt die Möglichkeit, in größerem Ausmaß Angebotskartelle zu bilden.
- Hinweise auf Absprachen hinsichtlich der Ladenverkaufspreise für Molkereiprodukte hätten sich nicht erhärtet. In dem Segment herrscht eine hohe Preistransparenz, die ein koordiniertes Verhalten der Handelsunternehmen weitgehend überflüssig mache.