05.06.2012

Almunia (EU-Kommission): “The role of finance” (Rede)

Der Vizepräsident der EU-Kommission und amtierende Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sprach am 23. Mai 2012 beim zweiten Europäischen Finanzkonkgress in Sopot zu dem Thema „ The role of finance" (Die Rolle des Finanzwesens).

Almunia erinnerte daran, dass die gegenwärtige Krise, die ihren Ausgang im Finanzsektor nahm und über die Realwirtschaft zu einer Staatskrise geworden sei, nur bewältigt werden könne, wenn man die Ursachen im Bankensektor erkenne und ändere. Um erfolgreich aus der Krise zu kommen, müsse man das  Bankenregulierungssystem von Grund auf ändern und neu strukturieren oder man müsse die Konsequenz tragen, die Banken, die nicht ohne staatliche Unterstützung auskommen, in die Insolvenz zu schicken.

Almunia monierte, dass die Regierungen und die Banken zu sehr voneinander abhängig geworden seien. Diese enge Verbindung müsse unterbrochen werden. Seit Beginn der Krise haben die europäischen Regierungen eine halbe Billion zur Stützung des Bankenwesens ausgegeben. Die aktuelle Schuldenkrise habe jedoch vielschichtigere Ursachen als nur ein marodes Bankensystem: Hinzu komme eine fehlende Finanzdisziplin in manchen Ländern (z.B. in Griechenland) und andere Ungleichgewichte im Euroraum, wie ein fortschreitender Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in einigen Ländern und ein fehlendes Steuerungssystem für die gemeinsame Währung. Dies habe einen Vertrauensverlust bei den Investoren zur Folge gehabt, die staatliche Anleihen nicht mehr als risikofrei betrachteten. Aus diesem Grund könnten Maßnahmen allein im Bankensektor nicht mehr aus der aktuellen Krise heraushelfen.

Zwar müssten die verbleibenden Schwachstellen im Bankensystem behoben werden und die Transparenz innerhalb der Banken vergrößert werden. Allerdings müsste nun in erster Linie der Fiskalpakt -  so Almunia - dringend ratifiziert werden. Ebenso wichtig sei es, das Wachstum im Euroraum wiederzubeleben und weiter anzukurbeln.  Notwendig seien zudem schnellere strukturelle Reformen; außerdem müsse die Kreditvergabekapazität der Europäischen Zentralbank erhöht werden. Die EU-Kommission habe zudem Projekt-Bonds für große, grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte im Transportbereich, im Energiesektor und in der digitalen Wirtschaft vorgeschlagen.

Almunia ließ die Maßnahmen der EU-Kommission seit 2008 im Bankensektor noch einmal kurz Revue passieren. So hatte die EU-kommission 2008 beihilferechtliche Sonderregeln für Hilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Banken geschaffen. Insbesondere wurden für Finanzinstitute sonst nicht mögliche, wiederholte Rettungsmaßnahmen zugelassen, Rekapitalisierungen erlaubt und die Anforderungen an Umstrukturierungen unter bestimmten Bedingungen modifiziert. Mittlerweile müssen Banken  einen Umstrukturierungsplan vorlegen. Auch müssen Banken  künftig höhere Anforderungen an Eigenkapital und Liquidität (Basel III) erfüllen. Die EU-Kommission arbeite gegenwärtig an zwei Gesetzesvorschlägen, der CRD IV, einer CRD-Verordnung und einer Richtlinie, mit der die neuen Eigenkapitalregeln für Banken (Basel III) in europäisches Recht umgesetzt werden sollen. (Anmerkung: Die Verordnung enthält detaillierte Anforderungen für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und regelt vor allem die Themen Eigenkapital, Liquidität, maximale Verschuldungsquote sowie Kontrahentenrisiko. Die Richtlinie enthält grundlegende Regelungen zu Voraussetzungen für die Ausübung des Bankgeschäfts, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie Grundsätze für die Bankenaufsicht.)

Neu sei auch ein Rahmen für die Abwicklung von Banken („new resolution framework'", der dazu beitragen soll, dass eine Abwicklung von Banken so frühzeitig wie möglich stattfindet und daher eine möglichst geringe Belastung für die öffentlichen Haushalte darstellt.

Schließlich merkte Almunia mahnend an, dass die Krise im Übrigen nur von allen Mitgliedstaaten gemeinsam bewältigt werden könne. Jeder Staat müsse sich an den Anstrengungen auf dem Weg aus der Krise beteiligen. Am Ende des Wegs könne nur die Vergemeinschaftung von Schulden im Euroraum stehen.