21.06.2011
OLG-Düsseldorf: Verzinsung einer Kartell-Geldbuße verfassungswidrig
Deutschland
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Der I. Kartellsenat des Oberlandesgerichts hat am 7. Juni 2011 bekannt gegeben, dass es die Verzinsung von Kartellbußen (§ 81 Abs. 6 GWB) für verfassungswidrig hält.
Gemäß § 81 Abs. 6 GWB sind die im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen sind zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt nach dem Gesetzeswortlaut zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides. Diese Bestimmung wurde durch die 7. GWB-Novelle im Jahr 2005 eingefügt und soll verhindern, dass Einsprüche nur deshalb eingelegt werden, um die Zahlung einer Geldbuße zu verzögern und sich so einen ungerechtfertigten Zinsvorteil zu verschaffen.
In einem aktuellen Rechtsstreit hat das OLG Düsseldorf nun verkündet, dass seiner Auffassung nach § 81 Abs. 6 GWB gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz) verstoße. Die Frage wurde dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Hintergrund
In dem Rechtsstreit geht es um im Jahr 2005 verhängte Bußgelder durch das Bundeskartellamt in Höhe von ca. 150 Millionen Euro. Diese richteten sich gegen 16 Versicherungsunternehmen sowie deren Vorstände und einige leitende Mitarbeiter wegen unzulässiger Kartellabsprachen, die diese zwischen Juli 1999 und März 2003 für die Versicherungssparten der industriellen Sachversicherungen und Transportversicherungen getroffen hätten.
Ein Versicherungsunternehmen, das mit 6 Millionen Euro bebußt worden war, hatte zunächst Einspruch gegen die Bescheide des Bundeskartellamtes eingelegt, diesen dann aber im Jahr 2009 zurückgenommen. Das Bundeskartellamt hatte nach Zahlung der festgesetzten Geldbuße von dem Versicherer mit Beschluss vom 11.03.2011 für die Zeit von April 2005 bis Juli 2009 Zinsen in Höhe von 1,7 Millionen Euro auf der Grundlage von § 81 Abs. 6 GWB gefordert. Vor dem Oberlandesgericht sind derzeit noch parallel gelagerte Verfahren anhängig, in denen das Bundeskartellamt gegen weitere 14 Industrieversicherer Zinsen in Höhe von insgesamt mehr als 25 Millionen Euro festgesetzt hat. Diese Verfahren sind bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zunächst ausgesetzt worden.
Entscheidungsgründe
Das OLG Düsseldorf vertritt die Auffassung, dass die Zinsvorschrift des § 81 Abs. 6 GWB gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstößt. Hierfür führt es folgende Gründe an:
- Zum einen greife die Zinspflicht nur für Bußgelder in Kartell-Bußgeldverfahren. Geldbußen aus anderen Rechtsbereichen, wie etwa dem Straßenverkehrs-, Umwelt- oder Datenschutzrecht, würden nicht verzinst.
- Darüber hinaus gelte die Zinspflicht nur für juristische Personen. Einzelkaufleute sowie handelnde Personen (z. B. Vorstände und Geschäftsführer) müssten keine Zinsen auf verhängte Bußgelder zahlen.
- Darüber hinaus sei eine Verzinsung nur dann vorgesehen, wenn die Kartell-Geldbuße in einem Bußgeldbescheid festgesetzt werde. Werde ein Unternehmen durch ein gerichtliches Urteil zu einer Geldbuße verurteilt, entfalle die Zinspflicht. So werde auch der Gesetzeszweck verfehlt, weil die geltende Regelung einen Bußgeldschuldner geradezu auffordere, Einspruch einzulegen, um sich dann durch ein gerichtliches Urteil - zinsfrei - zu einer Geldbuße verurteilen zu lassen.