23.03.2011

Mundt (Bundeskartellamt)“ Verfahren ohne Sanktionen – Sanktionen ohne Verfahren? Alternative Instrumente der Kartellbehörden“ beim 44. FIW-Symposion in Innsbruck (Rede)

Deutschland
FIW
44. Innsbrucker Symposion
Bundeskartellamt

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, sprach anlässlich des 44. FIW-Symposions in Innsbruck, das dem Thema „Sanktionen im Kartellrecht" gewidmet war, über „Verfahren ohne Sanktionen - Sanktionen ohne Verfahren? Alternative Instrumente der Kartellbehörden".

Mundt gab an, dass das informelle Handeln der Kartellbehörden immer wichtiger würde. Kartellbehördliches Handeln müsse sich zwar in den Bahnen des Verfahrens bewegen, aber das Bundeskartellamt müsse auch zugunsten zügiger Verfahren flexibel handeln können. Dies schließe nicht aus, die Grundsätze eines fairen Verhaltens beizubehalten.

Thematisch ging Mundt in dem Zusammenhang insbesondere auf die einvernehmliche Beendigung im Bußgeldverfahren (Settlements), auf Verpflichtungszusagen nach § 32 b GWB sowie auf das Instrument der Sektoruntersuchungen ein.

Einvernehmliche Beendigung im Bußgeldverfahren (Settlements)

Seit November 2007 seien im Bundeskartellamt drei Viertel aller Fälle einvernehmlich beendet worden (21 Fälle). Man könne  - so Mundt - mittlerweile von einer „gesettleten Settlement-Praxis" sprechen.

Bei einer Verhandlungslösung im Sinne eines Settlement sei das Bußgeld am Ende lediglich um 10 % reduziert. Gleichwohl sei ein Settlement für beide Parteien (Unternehmen und Behörde) von Vorteil. Der Vorteil für die Unternehmen bestehe in einer kürzeren Verfahrensdauer, geringeren Beratungskosten und einem geringeren Bußgeld. Auch würden die Verfahrensrechte gewahrt werden, da es in Deutschland keinen Rechtsmittelverzicht gebe.

Für die Behörde sei umgekehrt jedes nicht geführte Gerichtsverfahren eine erhebliche Ressourcenentlastung.

Leitlinien wolle man im Bundeskartellamt nicht erarbeiten; diese seien zu formalistisch. Außerdem sei die Praxis mittlerweile in den Fallberichten und im Tätigkeitsbericht des Amtes gut dokumentiert.

Verpflichtungszusage nach § 32 b GWB

Die Möglichkeit für Verpflichtungszusagen sei mit der 7. GWB-Novelle eingeführt worden. Unternehmen würden diese anbieten, um nach einer vorläufigen Beurteilung des Falles Bedenken des Kartellamts auszuräumen. Als Anwendungsbeispiel seien die Verfahren im Gassektor (langfristige Gaslieferverträge) zu nennen. Auch die Gaspreisverfahren aus dem Jahr 2008, die auf der Grundlage von § 29 GWB geführt worden seien (30 Fälle), hätten mit Verpflichtungszusagen geendet, die den Verbraucher um insgesamt 440 Mio. Euro entlastet hätten. Inhalt der Verpflichtungszusagen war zum einen diese „Rückerstattung" und zum anderen eine „no-repeated-game - Zusage". Weitere Fälle seien die Heizstromverfahren aus dem Jahr 2010 zu nennen.

Mundt betonte, dass man mit einer Verpflichtungszusage Breitenwirkung entfalten könne, da man unmittelbar den Geschädigten zu ihrem Recht verhelfen und Märkte öffnen und offen halten könnte. Er gab zu, dass die Unternehmen bei der Abgabe einer Verpflichtungszusage oft einem hohen Druck folgten, allerdings erfolge eine Verpflichtungszusage immer freiwillig. Das Instrument habe nur eine Zukunft - so Mundt - wenn eine Verpflichtungszusage in eine „Win-Win-Situation" einmünde.

Im Verhältnis zu Drittbetroffenen, die keine Schadenersatzansprüche mehr geltend machen könnten, überwiege das Interesse an einer schnellen und praktikablen Kartellrechtsdurchsetzung.

Sektoruntersuchungen

Mundt führte weiter aus, dass das Bundeskartellamt Sektoruntersuchungen seit 2005 anwende; diese ermöglichten eine optimierte Wettbewerbspolitik. Mundt ging jeweils kurz auf die verschiedenen durchgeführten Sektoruntersuchungen (Milch, Tankstellenmarkt, Gas- und Strommärkte, Fernwärme, Lebensmitteleinzelhandel) ein.

Er konstatierte, dass der Nutzen solcher Sektoruntersuchungen vielfältig sei: Die Sektoruntersuchungen würden durch die Durchleuchtung eines Sektors ein vertieftes Marktverständnis für konkrete und künftige Verfahren zur Folge haben und dem Gesetzgeber Handlungsbedarf aufzeigen, in welche Richtung er tätig werden sollte.

Insofern seien - so Mundt - Sektoruntersuchungen Verfahren ohne Sanktion, die aber unmittelbare Verfahren nach sich ziehen könnten.

Fazit:

Als Fazit hielt Mundt fest, dass sämtliche vorgestellten Instrumente sehr effizient seien, die sich allesamt in rechtstaatlichen Bahnen bewegten. Bei Sanktionen gehe es nicht nur um Verfahren. Zu lange und umständliche Verfahren müssten vermieden werden. Und umgekehrt ginge es bei Verfahren nicht nur um Sanktionen, die dem Bundeskartellamt gestellten Aufgaben reichten weit darüber hinaus.