22.09.2011

Monopolkommission veröffentlicht drittes Sondergutachten zum Energiesektor

Die Monopolkommission hat am 13. September 2011 ihr drittes Sondergutachten Nr. 59 „Energie 2011: Wettbewerbsentwicklung mit Licht und Schatten" zur Wettbewerbssituation auf den Energiemärkten veröffentlicht. Ein erstes Sondergutachten war im November 2007 vorgelegt worden, als die Monopolkommission begonnen hatte, die spezifischen Wettbewerbsprobleme im Energiesektor zu analysieren, ein zweites folgte im August 2009. Die Erstellung eines Sondergutachtens, das die Wettbewerbsentwicklung auf den Märkten der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas untersucht, zählt unter anderem zu den gesetzlich festgelegten Aufgaben der Monopolkommission.

Wesentlicher Inhalt des Sondergutachtens

Im Vergleich zu den Ergebnissen ihres letzten Gutachtens konstatiert die Monopolkommission auf den Energiemärkten aktuell bessere Wettbewerbsbedingungen als noch vor zwei Jahren. Allerdings stellt sie fest, dass es trotz der Fortschritte bei der Wettbewerbsentwicklung auf den einzelnen Märkten im Strom- und Gassektor, immer noch verschiedene erhebliche Wettbewerbshindernisse im Energiesektor gebe. Die Wettbewerbshindernisse bestünden vor allem auf der Erzeugungsebene im Stromsektor und aufgrund der Konzentration des Gasangebots auf den vorgelagerten Import- und Großhandelsmärkten im Gassektor.

Zum Strommarkt

Nach Ansicht der Monopolkommission werde sich der Rückgang des immer noch hohen Konzentrationsniveaus auf den Stromerzeugungsmärkten durch den schnelleren Atomausstieg ausweiten. Die Monopolkommission befürwortet die Einrichtung einer deutschen Markttransparenzstelle, um die behördliche Kontrolle und das effektive Funktionieren dieser Märkte und der nachgelagerten Stromhandelsmärkte zu verbessern.

Die Monopolkommission ist weiter der Ansicht, dass der erwartete Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung zu weiteren Marktverzerrungen führen wird. Sie schlägt in dem Zusammenhang den Wandel zu einem Quotensystem vor, in dessen Rahmen Stromhändler verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil an erneuerbaren Energien in ihrem eigenen Beschaffungsportfolio vorzuhalten.

Die mit der anstehenden 8. GWB-Novelle geplante Verlängerung der Preismissbrauchsaufsicht über die Energiemärkte (§ 29 GWB) wird von der Monopolkommission abgelehnt. Insbesondere die Anwendung der Preismissbrauchskontrolle im Heizstromsektor und die Einstellung der Verfahren durch Zusagenentscheidungen seien für die Entwicklung des Wettbewerbs kontraproduktiv und wettbewerbsökonomisch fragwürdig gewesen. Im Anwendungsbereich des § 20 GWB sollte das Bundeskartellamt seine Verfahren eher auf die Kostenkontrolle als auf den Entgeltvergleich stützen. Bei Kostenkontrollen sollte das Amt insbesondere Kapitalkosten berücksichtigen und symmetrische Zeiträume für die Prüfung eines möglichen Missbrauchs und die Wahl eines Vergleichsunternehmens wählen.

Des Weiteren stellt sie fest, dass sich die Beteiligung von Kommunen und anderen Gebietskörperschaften an Energieversorgungsunternehmen und die aktuellen Rekommunalisierungsbestrebungen nicht mit Effizienzargumenten rechtfertigen lassen. Auch ließen sich wohlfahrtsökonomische Vorteile durch eine Rekommunalisierung nicht realisieren. Eine von der Monopolkommission durchgeführte empirische Untersuchung auf dem Stromendkundenmarkt habe zudem gezeigt, dass kommunale Stromanbieter tendenziell nicht unter den günstigsten Tarifen im Markt zu finden sind. Aufgrund typischer Ineffizienzen erscheine die Aufgabenwahrnehmung und -ausweitung öffentlicher Aufgabenträger daher nicht unproblematisch. Auch werde das Betätigungsfeld privater Wettbewerber beschränkt, wenn der Staat bereit sei, Preise quer zu subventionieren oder Konzessionen nicht diskriminierungsfrei zu vergeben. Die Idee, dass der Staat im Rahmen der Daseinsvorsorge als Unternehmer tätig werden müsse, könne nicht mehr als stichhaltig gelten. Da private Akteure auf allen Wertschöpfungsstufen des Energieversorgungsmarktes aktiv seien, erscheint ein unternehmerisches Tätigwerden des Staates aufgrund von Marktversagen zumindest nach Ansicht der Monopolkommission auch nicht unmittelbar erforderlich. Der Staat könne indes die Rahmenbedingungen dergestalt setzen, dass auch private Akteure bestimmte Anforderungsprofile erfüllen.

Im Hinblick auf Leitungsengpässe in inländischen Stromversorgungsnetzen macht die Monopolkommission im Vergleich zum Netzausbau auf alternative Lösungen aufmerksam und stellt auch die Schaffung von mindestens zwei Preiszonen und die Anwendung eines effizienten Engpassmanagementverfahrens zur Diskussion.

Die Monopolkommission hat in ihrem Gutachten zahlreiche weitere Probleme des Strommarkts untersucht (vgl. auch unten zum Handlungskonzept).

Zum Gasmarkt

Die Monopolkommission erachtet es als problematisch, dass im Erdgasgroßhandel einzelne Unternehmen, insbesondere solche aus Gas exportierenden Staaten, weiterhin über erhebliche Marktmacht verfügten, auch wenn hier durch den Ausbau des Pipelinenetzes, die Entwicklung des Flüssiggashandels und das Wachstum der europäischen

Spotmärkte bereits wichtige Gegenbewegungen erkennbar seien. Trotz positiver Entwicklungen in der letzten Zeit fehle es an einer ausreichenden Liquidität der europäischen Gasmärkte; auch seien die Regulierungsstrukturen verbesserungsbedürftig.

Die Monopolkommission hat in ihrem Gutachten zahlreiche weitere Probleme des Gasmarkts untersucht (vgl. auch unten zum Handlungskonzept).

Konzept der Monopolkommission zur Förderung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten

Als Konsequenz der noch bestehenden Wettbewerbsdefizite fordert die Monopolkommission eine klare wettbewerbskonforme Ausrichtung der staatlichen Energiepolitik insbesondere im Hinblick auf Konzepte zur Förderung erneuerbarer Energien und legt ein umfassendes Konzept zur Förderung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten vor.

Um mehr Wettbewerb bei der Stromerzeugung, auf Gasbezugsmärkten und im Energiegroßhandel zu schaffen, müssten die Möglichkeiten einer wettbewerblichen Kontrolle der Energiemärkte gestärkt werden. Die Monopolkommission empfiehlt im Hinblick darauf

 

Die Monopolkommission empfiehlt für die Kontrolle des Erstabsatzmarktes für Strom, dass die zuständigen Behörden

 

Sie empfiehlt weiter, um eine geeignete Marktabgrenzung im Bereich Stromerzeugung und Stromgroßhandel vornehmen zu können, dass das Bundeskartellamt

Die Monopolkommission rät dem Bundeskartellamt zudem, dass es bei der kartellrechtlichen Kontrolle der Großhandelsmärkte im Gassektor sein Vorgehen gegen Take-or-pay-Lieferverträge in Verbindung mit Weiterverkaufsverboten im Hinblick auf ökonomische Effekte der Weiterverkaufsverbote besser fundieren sollte. Außerdem sollte das Bundeskartellamt seine am 30. September 2010 ausgelaufenen Verfügungen zur Begrenzung der Laufzeiten von Gaslieferverträgen bis auf Weiteres nicht erneuern, da die Monopolkommission der Ansicht ist, dass eine auf Marktmacht basierende Marktverschlusswirkung durch neue langfristige Lieferverträge im Gashandel vorerst nicht zu erwarten sei.

Die Monopolkommission fordert weiter, dass die Energie- und Umweltpolitik marktkonform ausgestaltet werden, indem die Politik einer Verzerrung des Wettbewerbs verschiedener Energieträger durch den auf Kohlenstoffdioxidemission fokussierten Emissionshandel entgegenwirken sollte.

In der geplanten Einführung einer Marktprämie für erneuerbare Energien sieht die Monopolkommission indes nur geringe Verbesserungspotenziale. Es sollte hingegen besser ein einfaches marktnahes Förderungssystem durch die Einführung einer Quote für Strom aus erneuerbaren Energieträgern eingeführt werden. Strom und Gas aus erneuerbaren Energieträgern sollten künftig separat gehandelt werden. Alternativ könnte man auch an die Einführung eines speziellen Kapazitätsmarktes für erneuerbare Energien denken.

Im Hinblick auf das EEG-Einspeisemanagement sollte mittelfristig berücksichtigt werden, dass KWK-Anlagen wenigstens bei elektrischer Mindestlast zur Fernwärmeerzeugung betrieben werden müssten, um die private und öffentliche Wärmeversorgung in bestimmten Regionen nicht zu gefährden. Auch sollte die Vermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien an der Börse auf liquide Terminmärkte ausgedehnt werden.

Weiterhin sollten die Diversifizierungsmöglichkeiten bei der Lieferung von Erdgas durch den Ausbau entsprechender Netze gefördert werden. Flüssigerdgas (LNG) könne nach Auffassung der Monopolkommission den Wettbewerb in der europäischen Gasversorgungwirksam stärken; auf die Schaffung wettbewerblicher Strukturen auch beim Zugang zu Pipelinegas könne jedoch trotzdem nicht verzichtet werden. Preisbindungen, wie die Gas-Ölpreisbindung, sollten selektiv einsetzbare Instrumente bleiben, wenn kein freier und wettbewerblicher Marktpreis existiert.

Strom- und Gasmärkte sollten integriert werden, indem die Verknüpfung der europäischen Gasmärkte mit Nachdruck weiterverfolgt werde und in einem ersten Schritt in Europa Preiszonen zu liquiden Marktgebieten zusammengelegt werden sollten. In einem zweiten Schritt sollten auf den Day-ahead-Märkten implizite Auktionen zur effizienten Bewirtschaftung der bestehenden Engpasskapazitäten eingesetzt werden, sofern liquide Spotmärkte vorhanden sind. Die Erlöse aus der Bewirtschaftung von Engpässen bei der Stromübertragung an den deutschen Außengrenzen sollten primär für die Reduzierung des Engpasses verwendet werden. Zu diesem Zweck sollten die EU-Verordnung Nr. 1228/2003 und § 15 StromNZV entsprechend angepasst werden.

Vor der weiteren Zusammenlegung von deutschen Marktgebieten im Gassektor sollte die Bundesnetzagentur eine Untersuchung zur Kostenevaluation durchführen. Um zukünftige Netzengpässe in Strom- und Gasversorgungsnetzen vermeiden zu können, sollten verschiedenen Handlungsoptionen in einer Kosten-Nutzen-Analyse abgewogen werden und eine Teilung des Marktes in mehrere Preiszonen erwogen werden.

Die Bilanzierungs- und Regelsysteme im Strom- und Gassektor sollten zudem weiterentwickelt werden, indem Preisauf- und -abschläge für die im Gassektor in Anspruch genommenen Ausgleichsenergiemengen nach dem Vorbild einer von der  Monopolkommission vorgeschlagenen Methode berechnet werden. Auch sollten den Ausspeisenetzbetreibern im Gassektor kurzfristig Anreize gegeben werden, um ihre Prognosequalität für Standardlastprofile zu verbessern. Die Beschaffung von Regelenergie im Gassektor sollte zumindest vorläufig vollständig an die Börse verlagert werden. Außerdem sollten die vier Regelzonen im Stromsektor zu einer einzigen bundesweiten Regelzone vereinigt werden.

Die Monopolkommission spricht sich zudem dafür aus, dass das System der Entgeltregulierung und Investitionsgenehmigung zur Vermeidung von Doppelanerkennungen bei der Anerkennung von  Investitionsbudgets von der Bundesnetzagentur weiterentwickelt werden sollte.

Beim Umgang mit Netzkonzessionen sollten die zuständigen Kartellbehörden bei entsprechenden Anhaltspunkten prüfen, ob die pauschale Geltendmachung der nach der Konzessionsabgabenverordnung zulässigen Höchstsätze den Tatbestand des Preismissbrauchs erfüllt. Ein solcher Missbrauch könne sowohl durch die konzessionsvergebende Kommune als auch durch den Netzbetreiber, der über das Wegenutzungsrecht verfügt, erfolgen. Eine Aufnahme von Konzessionen zum Betrieb von Energieversorgungsnetzen in den Kreis der nach §§ 97 ff. GWB ausschreibungspflichtigen Sachverhalte sollte vom Gesetzgeber geprüft werden.

Die Monopolkommission spricht sich zudem dafür aus, dass die Entflechtungsvorgaben im EnWG durch den Gesetzgeber verschärft werden sollten, und die Umsetzung dieser Vorgaben schärfer kontrolliert werden sollten.

Ausführlich geht die Monopolkommission auf die Regulierung der Bahnstromversorgung ein und fordert eine grundsätzliche Anpassung der Regulierung zur Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse in diesem Sektor.