27.01.2011

Kommission leitet Konsultation zu außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismen ein

Die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz hat am 18. Januar 2011 eine Konsultation zur Einführung außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren (Alternative Dispute Resolution; ADR-Verfahren) zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Händlern in Bezug auf eine Ware oder eine Dienstleistung eingeleitet. Die Konsultation endet am 15. März 2011. Ihre Ergebnisse sollen in einen Gesetzesvorschlag der Kommission im November 2011 einfließen. Das Europäische Parlament wird im Verlauf des Frühjahres 2011 eine öffentliche Anhörung zu dem Thema durchführen.

Hintergrund:

Zurzeit gibt es mindestens 750 verschiedene außergerichtliche in Europa. Allein in Deutschland gibt es über 200 öffentliche und private Stellen für alternative Streitbeilegung. Organisiert werden sie von Berufsverbänden und Handwerker-Innungen. Manche haben nur örtliche, andere hingegen bundesweite Zuständigkeit (z.B. die Reiseschiedsstelle oder die Bundesnetzagentur). Lücken gibt es nach wie vor besonders in den Wirtschaftsbereichen Energie, Verkehr und Tourismus.

Nach Aussage der Kommission stehe den Parteien bei grenzüberschreitenden Geschäften - insbesondere beim Onlinehandel - im Streitfall nach Ansicht der Kommission oftmals kein ausreichendes außergerichtliches Streitschlichtungsinstrument zur Verfügung. Zu den wesentlichen Problemen zählen die fehlende Kenntnis vieler Verbraucher und Unternehmen über die existierenden ADR-Möglichkeiten sowie geographische oder sektorspezifische „Lücken" im bestehenden ADR-System. Die Einbußen, die Verbraucher im europäischen Kontext infolge von Streitigkeiten erlitten, schätzt die Kommission auf rund 0,3 % des europäischen BIP. Die Kommission plant daher die Einführung eines EU-weiten einheitlichen außergerichtlichen Verfahrens (auch im Arbeitsprogramm der Kommission für 2011 vorgesehen), um das Vertrauen in den Binnenmarkt zu vergrößern und zu ermöglichen, dass Streitigkeiten schneller, kostengünstiger und problemloser außergerichtlich beigelegt werden können. Außerdem solle dadurch die Belastung der nationalen Gerichte verringert werden.

Die Kommission hat bereits in der Vergangenheit aktiv ADR-Verfahren propagiert. Es gibt zwei Empfehlungen zu ADR-Verfahren für Verbraucherrechtsstreitigkeiten, die eine Reihe von Mindestgarantien festschreiben, wie z. B. Unabhängigkeit, die ADR-Verfahren gewährleisten sollten. In bestimmten Bereichen (z. B. Energie und Telekommunikation) wurden die Mitgliedstaaten mit diversen Richtlinien aufgefordert bzw. dazu verpflichtet, ADR-Verfahren einzuführen. Mit der Richtlinie über Mediation aus dem Jahr 2008 sollen Richter Parteien verstärkt dazu auffordern, ihrer Streitigkeiten im Wege einer Mediation beizulegen.

Konsultation

Die Kommission erhofft sich im Rahmen der Konsultation insbesondere Antworten zu folgenden Themenkomplexen:

In dem Konsultationsdokument wird auch auf die in Kürze anstehende Konsultation zu gemeinsamen Rechtsprinzipien für Kollektivklagen („Sammelklagen") verwiesen, die in den letzten Monaten bereits mehrfach verschoben wurde.

Merkmale außergerichtlicher Streitbeilegung:

Unter ADR-Systemen versteht die Kommission dabei nur solche Mechanismen, bei denen Rechtsstreitigkeiten außergerichtlich durch Intervention einer unabhängigen dritten Partei geschlichtet werden. Bestimmendes Merkmal der außergerichtlichen Streitbeilegung ist die außergerichtliche Einigung.  Interne Streitschlichtungsstellen bei den Unternehmen, Vergleichsgespräche, die unmittelbar zwischen den Parteien geführt werden, oder Mediationsprozesse im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zählen nach Sicht der Kommission nicht dazu. Im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung werden vor allem Einzelfälle bearbeitet. Wenn diese ähnlich geartet sind, können auch mehrere Einzelfälle zusammengefasst werden. In den Bereichen Telekommunikation, Reise und Tourismus sowie im Finanzdienstleistungssektor wurden bereits zahlreiche Stellen für alternative Streitbeilegung eingerichtet.