10.05.2011

EU-Kommission führt öffentliche Anhörung zu kollektivem Rechtsschutz durch

Die EU-Kommission führte noch während der laufenden Konsultation zu kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren, die erst am 30. Aprile 2011 ausläuft, am 5. April 2011 eine Anhörung zur kollektiven Rechtsdurchsetzung durch. Die Anhörung fand ganztägig zu drei verschiedenen Redeblöcken statt. Die Kommission war vertreten durch drei Direktoren der die Konsultation initiierenden Generaldirektionen: Carles Esteva Mosso (Wettbewerb), Jacqueline Minor (Gesundheit und Verbraucherschutz) und Paraskevi Michou (Justiz); sie beschränkte sich jedoch auf die Rolle der Durchführung der Moderation.

Redner des ersten Panels, das unter dem Motto „Mehrwert von kollektiven Rechtsverfahren zur Verbesserung der Durchsetzung des EU-Rechts" („Added value of collective redress for improving the enforcement of EU law") stand, waren Monique Goyens, Director General, BEUC und Jérôme Chauvin, Director, Legal Affairs Department, BusinessEurope. Nur das erste Panel war mit Rednern besetzt, die kontroverse Standpunkte einnahmen, während das zweite und dritte Panel mit Rednern besetzt war, die sich eher für die Einführung von kollektiven Rechtsdurchsetzungsinstrumenten aussprachen.

Das zweite Panel hatte das Thema "Effektiver und effizienter Rechtsschutz mit Sicherheitsmechanismen gegen missbräuchliche Klagen, inklusive der Rolle von Vertretungsorganen und Finanzierung ("Effective and efficient redress with safeguards against abusive litigation (incl. role of representative bodies and funding") zum Gegenstand. Die Redner waren Graham Jones, ein ehemaliger Zivilrichter, England und Wales und Benedicte Federspiel, Chief Counsel, Dänischer Verbraucherrat (Danish Consumer Council).

Das dritte Panel fand zu folgendem Thema statt: "Andere generelle Prinzipien, inklusive der Rolle kollektiver Streitschlichtungsmechanismen und effektiver grenzüberschreitender Durchsetzung, und Anwendungsbereich eines kohärenten europäischen Ansatzes bei kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren („ Other general principles (incl. role of collective consensual dispute resolution and effective cross-border enforcement) and scope of a coherent European approach to collective redress". Als Redner traten auf Prof. Daniel Zimmer, Deutschland und Paweł Pietkiewicz, Anwalt aus Polen.

Die Präsentationen des ersten Panels sind mittlerweile auf der Seite der GD Justiz veröffentlicht worden.

Wesentliche Aussagen von Monique Goyens, BEUC:

Frau Goyens sprach sich insgesamt für eine Stärkung der „Privaten Rechtsdurchsetzung" aus. Kollektive Rechtsdurchsetzung sei das „fehlende Puzzle-Teil" in vielen Mitgliedstaaten, wenn es eine grenzüberschreitende Dimension gebe. Die Durchsetzung öffentlichen Rechts sei eine prioritäre Aufgabe der Behörden, allerdings solle diese auch die Entschädigung der Opfer erleichtern. Frau Goyens befürwortete die Einführung von Sammelklagen und behauptete, dass 79 Prozent der Verbraucher ein gerichtliches Verfahren anstrengen würden, wenn sie dieses könnten. Die kollektive Handhabung von Klagen sei effizienter für die Opfer und die Gesellschaft. Auch bei bestehender Möglichkeit von alternativen Streitbeilegungsverfahren müsse als letzter Schritt immer die gerichtliche (Sammel-)Klage möglich sein. Frau Goyens wünscht sich zudem mehr Harmonisierung im Bereich der materiellen Verbraucherschutzgesetze und - durchsetzungsrechte.

Wesentliche Aussagen von Jérôme Chauvin, BusinessEurope:

Herr Chauvin wies auf den Wechsel des Begründungsansatzes der Kommission im Vergleich zu den bisherigen Konsultationen hin; bei der Stärkung der privaten Rechtsverfolgung gehe es jetzt primär um die Durchsetzung von EU-Recht. Herr Chauvin forderte eine klare Trennung zwischen dem öffentlichen Interesse, das nur durch den Staat durchgesetzt werden sollte, und privaten Interessen. Sollte das öffentliche Interesse (zusätzlich) durch private kollektive Interessen durchgesetzt werden, müssten dafür hohe Anreize und Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen werden, denen ein großes Missbrauchspotential innewohnten. Auch würde der Wechsel von der öffentlichen zur privaten Rechtsdurchsetzung mehr Kosten und einen höheren Aufwand für die Gerichte bedeuten. Gerichte sollten die letzte Anlaufstelle sein. Vorzugswürdig seien außergerichtliche Verfahren wie Streitbeilegungsmechanismen (ADR), die flexibler, kostengünstiger und weniger konfrontativ wären. Diese sollten im Rahmen der entsprechenden Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten weiter ausgebaut und propagiert werden.