19.08.2011

Entwurf des EP-Rechtsausschusses zur kollektiven Rechtsdurchsetzung

Der Berichterstatter des federführenden Rechtsausschusses, Klaus-Heiner Lehne, bereitet auf der Grundlage der Konsultationsdokumente der EU-Kommission über gemeinsame Rechtsgrundsätze für den kollektiven Rechtsschutz in der EU vom Februar 2011 einen Bericht vor, der Grundlage einer entsprechenden Entschließung seitens des Europäischen Parlaments werden soll. Die EU-Kommission verfolgt mit ihrer Konsultation das Ziel, die Entwicklung eines kohärenten Ansatzes für den kollektiven Rechtsschutz in der Europäischen Union vorzubereiten.

Wesentlicher Inhalt des Berichtsentwurfs

Lehne betont in seinem Berichtsentwurf, dass Opfer von unzulässigen Kartellpraktiken in der Lage sein müssen, auch bei Masse- und Streuschäden Schadenersatz geltend zu machen. Allerdings müsse man in Europa davon Abstand nehmen, missbräuchliche Elemente des U.S.-amerikanischen Sammelklagesystems einzuführen. Der Entwurf rügt zudem, dass die EU-Kommission es verabsäumt habe, einen Nachweis dafür zu erbringen, dass ein Handeln auf EU-Ebene erforderlich sei, um die Opfer von Kartellverstößen angemessen entschädigen zu können. Dies gebiete aber das Subsidiaritätsprinzip. Auch habe die EU-Kommission noch keine Rechtsgrundlage genannt, auf die sich etwaige Maßnahmen stützen könnten.

Auf europäischer Ebene gebe es bereits wirksame Rückforderungsmechanismen, wie zum Beispiel die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen. Auch spiele die Möglichkeit für Unterlassungsansprüche (injunctive relief) eine nicht zu unterschätzende Rolle. Institutionelle Einrichtungen sollten solche Ansprüche allerdings nicht unter erleichterten Bedingungen als individuelle Kläger geltend machen können.

Ein etwaiges Rechtsinstrument zur Durchsetzung kollektiven Rechtsschutzes sollte nach Auffassung von Lehne horizontaler Natur sein, um eine Fragmentierung des nationalen Zivilprozess- und Schadensersatzrechts zu vermeiden. Dieser Forderung hatte bereits das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 26. März 2009 zu dem Weißbuch: Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts Nachdruck verliehen. Über den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen hinaus (ab 2000 Euro) sollte ein solches horizontales Instrument bei grenzüberschreitenden Fällen und bei einer Zuwiderhandlung gegen EU-Recht in Betracht kommen.

In jedem Fall bedarf es aber Sicherheitsmaßnahmen, um unberechtigte Ansprüche und einen Missbrauch des Systems auszuschließen und Waffengleichheit zwischen den Parteien sicherzustellen. Dazu gehöre, dass bei Verbandsklagen nur "Opt-In-Klagen" in Betracht kämen, bei denen die Mitglieder der vertretenen Gruppe von vorneherein identifiziert seien. Verbandsklagen dürften nur von qualifizierten Einrichtungen, die von den Mitgliedstaaten anerkannt seien und einem klaren Kriterienkatalog entsprächen, erhoben werden. Die Möglichkeit für so genannte „Opt-Out-Klagen" weist Lehne zurück, da sie den Verfassungsprinzipien vieler Mitgliedstaaten widersprechen würden. Auch dürften Individualklagen nicht ausgeschlossen werden. Strafschadenersatz („punitive damages") dürfe nicht eingeführt werden, und der erstrittene Schadenersatz müsse an die Geschädigten ausgekehrt werden. Erfolgshonorare sollten ebenfalls nicht erhoben werden dürfen. Es dürfe zudem keine risikolosen Klagen geben, und die Mitgliedstaaten müssten ihre eigenen Kostentragungsregeln bestimmen dürfen. Die EU-Kommission solle zudem keine Empfehlungen zur Finanzierung von Schadenersatzansprüchen entwickeln.

Alternative Streitbeilegungsmechanismen (ADR), die zu einer schnellen und kostengünstigen Beilegung von Konflikten führen könnten, sollten weiter etabliert werden. Solche Mechanismen sollten einer Klageerhebung obligatorisch vorgeschaltet werden.

Um "forum shopping" und Anstürme auf bestimmte Gerichte zu vermeiden, sollte nur der  Gerichtsstand am Wohnort bzw. Sitz des Beklagten für eine Klage in Betracht kommen.

Zuletzt wird im Berichtsentwurf die weitere Einbindung des Europäischen Parlaments bei der Gesetzgebung zu diesem Thema sowie eine detaillierte Folgenabschätzung für die Kommissionsvorschläge gefordert.

Entwürfe von Stellungnahmen beratender Ausschüsse

Der beratende Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie hat bereits am 17.6. einen Stellungnahmeentwurf verfasst (Verfasserin der Stellungnahme: Lena Kolarska-Bobińska). Diesem Entwurf folgte der Entwurf einer Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vom 22.6. (Verfasserin der Stellungnahme: Sylvana Rapti). Die Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses - Verfasser der Stellungnahme: Andreas Schwab - hat sich zeitlich verzögert. Eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss ist für den 22.9. geplant.

Zeitplan für Bericht des Rechtsausschusses

Der Zeitplan für die Abstimmung über den Lehne-Bericht ist wie folgt: Die Frist für Änderungsanträge ist der 20. 9. Die Aussprache im Rechtsausschuss ist für den 10./11.10. angesetzt. Am 22.11. ist die Abstimmung im Rechtsausschuss anberaumt. Die Abstimmung im Plenum soll im Dezember erfolgen.