25.01.2011
Bundeskartellamt präsentiert Abschlussbericht der Sektoruntersuchung zur Stromerzeugung und zum Stromgroßhandel
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https://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Stellungnahmen/110113_Bericht_SU_Strom__2_.pdf
https://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/aktuelles/presse/2011_01_13.php |
Am 13. Januar 2011 hat das Bundeskartellamt seinen Abschlussbericht seiner im März 2009 eingeleiteten Sektoruntersuchung zur Stromerzeugung und zum Stromgroßhandel veröffentlicht. Bis zum 15. März 2011 können hierzu Stellungnahmen oder Anmerkungen beim Bundeskartellamt eingereicht werden.
Gegenstand der Sektoruntersuchung waren insbesondere die Wettbewerbssituation und die Preisbildung auf den deutschen Stromerzeugungs- und Stromgroßhandelsmärkten in den Jahren 2007 und 2008. Die Sektoruntersuchung wurde eingeleitet, weil trotz zahlreicher Beschwerden über die Strompreisentwicklung keine für die Einleitung konkreter Missbrauchsverfahren hinreichenden Anhaltspunkte für missbräuchliches Verhalten einzelner Unternehmen vorlagen. Im Rahmen der Sektoruntersuchung wurden für die Jahre 2007 und 2008 von 80 Unternehmen umfassende Informationen für alle Kraftwerksblöcke mit einer Stromerzeugungskapazität von mehr als 25 MW erhoben. Insgesamt hat das Bundeskartellamt 2007 und 2008 jeweils 340 Kraftwerksblöcke analysiert, in denen 2007 etwa 93,6 % und 2008 92,9 % der gesamten Strommenge produzier wurden.
Im 304 Seiten umfassenden Abschlussbericht sind zunächst die wesentlichen Rahmenbedingungen und Funktionsmechanismen des deutschen Strommarkts zusammengestellt. Danach werden zentrale Fragen der Marktstruktur sowie des Angebotsverhaltens der Erzeugungsunternehmen im Stromgroßhandel in den Jahren 2007 und 2008 analysiert. Dies umfasst insbesondere die Untersuchung, ob Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Zurückhaltung von Erzeugungskapazitäten vorliegen. Ergänzt werden diese beiden Untersuchungsschwerpunkte durch einige weitere Analysen, die aktuelle energiewirtschaftliche und wettbewerbliche Fragen aufgreifen. Die Ergebnisse der Untersuchung fließen abschließend in konkrete Handlungsempfehlungen ein.
Der Abschlussbericht kommt im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen der Sektoruntersuchung:
- Die Wettbewerbssituation auf dem Markt für den erstmaligen Absatz von Strom ist aufgrund der oligopolistischen Struktur weiterhin unbefriedigend. Nach wie vor teilen sich lediglich vier Unternehmen (RWE, E.ON, Vattenfall und gegebenenfalls auch EnBW) gut 80 % des Erstabsatzmarktes. Jedes Unternehmen könne individuell als marktbeherrschend angesehen werden.
- Ein Marktmissbrauch, etwa durch ein absichtliches Zurückhalten von Erzeugungskapazitäten, war nicht nachweisbar. Allerdings hätten die Erzeugungsunternehmen die Möglichkeit, durch ungerechtfertigte Kapazitätszurückhaltungen auf die Preisbildung Einfluss zu nehmen.
- Das Bundeskartellamt beabsichtigt, in Zukunft im Rahmen einer fortlaufenden wettbewerblichen Kontrolle vertiefte Analysen auf dem Strommarkt vorzunehmen. Dies soll durch die Einrichtung einer Markttransparenzstelle für den Strom- und Gasmarkt geschehen (siehe FIW-Bericht vom 20.12.2010).
Das Bundeskartellamt stellt folgende Handlungsempfehlungen auf:
- Die geplante Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt sollte zügig auf den Weg gebracht werden. Eine Markttransparenzstelle würde eine zeitnahe und kontinuierliche Erhebung von Marktdaten und Informationen zu Preisbildungsprozessen ermöglichen und zudem die abschreckende Wirkung der Missbrauchsaufsicht erhöhen. Eine Regulierung der Stromerzeugungs- und Stromgroßhandelsmärkte sei in keiner Weise eine Alternative für eine effektive kartellbehördliche Missbrauchsaufsicht.
- Die Genehmigungsverfahren zur Errichtung von konventionellen Kraftwerken sollten beschleunigt werden, um neuen Wettbewerbern den Zutritt zu den Stromerzeugungsmärkten zu erleichtern.
- Das Gemeindewirtschaftsrecht sollte aufgelockert werden. Bestehende Regelungen, die die energiewirtschaftliche Handlungsfreiheit von kommunalen Unternehmen einschränken, sollen überarbeitet werden, um den Wettbewerb kommunaler Energieversorger über Gemeindegrenzen hinweg zu verbessern. Das Bundeskartellamt sieht in den Erzeugungskooperationen kommunaler Energieerzeuger, auch in der etwaigen Realisierung eigener Kraftwerksprojekte, eine Alternativen zu den Erzeugungskapazitäten der vier großen Erzeugungsunternehmen. Die Schranken der Gemeindeordnungen, die die wirtschaftliche Betätigung und die überörtliche Betätigung von Kommunen an einen „dringenden öffentlichen Zweck" knüpften, hätten das Potential, sich zu Marktzutrittsschranken auszuwachsen. Zum Zwecke der Belebung des Wettbewerbs hält das Bundeskartellamt daher eine partielle, sektorspezifische Öffnung des Gemeindewirtschaftsrechts für ordnungspolitisch vertretbar.
- Eine Freistellung vom Vergaberecht für Sektorenauftraggeber im Bereich der Stromerzeugung und des Stromhandels könnte öffentlichen Auftraggebern wie insbesondere den Stadtwerken ein Tätigwerden auf diesen Märkten erleichtern und die gegenüber den großen privat gehaltenen Erzeugern bestehenden strukturellen Nachteile verringern.
- Die Herausbildung eines funktionierenden Marktes für Reserveverträge würde kleineren Stromerzeugern nach Ansicht des Bundeskartellamtes ein besseres Agieren im Wettbewerb ermöglichen.
- Die Marktintegration von EEG-Strom sollte zügig vorangetrieben werden. Im Mittelpunkt der Marktintegration sollte dabei die bedarfsgerechtere Erzeugung von EEG-Strom stehen sowie eine Vermarktung, die sich an den Marktmechanismen orientiert.