14.11.2011

Bundeskartellamt: Arbeitskreis Kartellrecht tagte zu Benzinpreisen

Der Arbeitskreis Kartellrecht beim Bundeskartellamt hatte am 10. Oktober 2011 zum Thema Benzinpreise - Marktmacht, Preissetzung und Konsequenzen getagt. Dieser Arbeitskreis besteht aus Hochschullehrern, Vertretern nationaler und internationaler Wettbewerbsbehörden sowie Richtern und tagt jährlich zu grundsätzlichen wettbewerbspolitischen Themen.

Erst im Mai 2011 hatte das Bundeskartellamt seinen Abschlussbericht der Sektoruntersuchung Kraftstoffe vorgelegt. Darin ging das Amt von der Existenz eines marktbeherrschenden Oligopols der fünf großen Mineralölunternehmen, BP (Aral), ConocoPhillips (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total auf den Tankstellen-Märkten in Deutschland aus. Das Bundeskartellamt kam zu dem Schluss, dass es angesichts der bestehenden wettbewerbsbeschränkenden Marktstrukturen keiner Absprachen zwischen den Oligopolisten bedürfe, um die Preise weitestgehend parallel festzusetzen.

Auf der Tagung des Arbeitskreises wurde der Oligopol-Befund des Bundeskartellamts intensiv diskutiert; kritisch bewertet wurde die Möglichkeit von kartellrechtlichen Preishöhenkontrollen auf den Tankstellenmärkten. Die wettbewerblichen Vorteile von regulatorischen Eingriffen des Gesetzgebers wurden ebenfalls skeptisch gesehen.

Wesentlicher Inhalt des Arbeitspapiers des Bundeskartellamts:

Das Arbeitspapier fasst wesentliche Ergebnisse der Sektoruntersuchung, dass auf den deutschen Tankstellenmärkten kollektive Marktbeherrschung vorliegt, noch einmal zusammen und legt auch Differenzen zur Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in der Rechtssache Total/OMV näher dar. In dem Fall hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf das Vorliegen einer kollektiven marktbeherrschenden Stellung der fünf führenden vertikal integrierten Anbieter mit bundesweiter Präsenz verneint, da es hinreichende Anhaltspunkte für einen Binnenwettbewerb zwischen den fünf führenden Anbietern und einem wirksamen Außenwettbewerb gesehen hatte.

Die Strukturmerkmale der Kraftstoffmärkte lüden nach Auffassung des Bundeskartellamts geradezu zu einem implizit-kollusivem Parallelverhalten im Sinne kollektiver Marktbeherrschung ein. Maßgebliche Faktoren für diese Annahme seien der hohe Konzentrationsgrad, ausgeprägte Marktzutrittsschranken und die allgemeinen Marktbedingungen. Auch sei die Markttransparenz auf den Kraftstoffmärkten entlang der gesamten Wertschöpfungskette sehr hoch. Hinzu kämen umfangreiche Sanktionspotenziale für den Fall, dass einzelne Oligopolmitglieder von dem Parallelverhalten abweichen sollten.

Das Bundeskartellamt hatte in der Sektoruntersuchung eine quantitative Analyse für vier ausgewählte Modellregionen durchgeführt, die die Schlussfolgerung des Bundeskartellamts, dass der Wettbewerb auf dem deutschen Tankstellenmarkt nicht funktioniert, belegt hätten. Vor allem den sog. „Preiserhöhungsrunden" hatte das Bundeskartellamt besondere Aufmerksamkeit gewidmet und hatte verschiedene Preiserhöhungsmuster offenlegen können.

Einen Beleg für Kartellrechtsverstöße konnte das Bundeskartellamt allerdings nicht finden, so dass die kartellrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten derzeit nicht angewandt werden könnten. Umso wichtiger sei es daher, das Augenmerk auf die Strukturkontrolle zu legen und im Rahmen der Fusionskontrolle Zusammenschlussvorhaben genau zu prüfen und ggf. nur unter Auflagen freizugeben oder zu untersagen. Auch sollte die kartellrechtliche Verhaltenskontrolle, d. h. die Überprüfung bestimmter vertikaler vertraglicher Beziehungen und dass Preissetzungsverhalten der führenden Anbieter gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern im Rahmen bestehender Lieferbeziehungen im Fokus der Beobachtung stehen. Hier hätten sich im Rahmen der Sektoruntersuchung einige Verdachtsmomente ergeben, jedenfalls bei den Markenpartnerverträgen zwischen Mineralölkonzernen und Tankstellenpächtern.

Das Arbeitspapier wirft die Frage auf, ob das bestehende kartellrechtliche Instrumentarium ausreichend und das marktbeherrschende Oligopol hinzunehmen sei oder ob über das bestehende Kartellrecht hinausgehende Eingriffsmöglichkeiten erforderlich seien. Als solche Eingriffsmöglichkeiten kämen Preisregulierungen sowie die Möglichkeiten zur Entflechtung in Betracht.

Bei der Regulierung des Preissetzungsverhaltens müsse eine genaue Analyse der Regulierungen in Österreich und in Westaustralien durchgeführt werden. Das Bundeskartellamt geht nicht davon aus, dass eine Regulierung per se eine Verbesserung wäre. Vielmehr bestehe auch die Gefahr, dass bei einer verfehlten Regulierung das Problem nicht beseitigt, sondern weiter verschärft würde.

Entflechtungen wären sowohl auf horizontaler als auch auf vertikaler Ebene denkbar. Bei horizontalen Entflechtungen könnten Mineralölkonzerne aufgefordert werden, Teile ihres bestehenden Tankstellennetzes abzugeben. Vertikale Entflechtungen würden unterbinden, dass ein Unternehmen auf bestimmten Marktstufen gleichzeitig tätig wäre (z. B. von Raffineriekapazitäten und dem Tankstellengeschäft). Allerdings hätten US-amerikanische Erfahrungen bei integrierten Mineralölkonzernen gezeigt, dass die mit einer Entflechtung verbundenen Erwartungen nur sehr begrenzt erfüllt werden konnten.

Die im Rahmen der Arbeitstagung gehaltenen Vorträge von Sandro Gleave, Bundeskartellamt, 8. Beschlussabteilung, von Dr. Hans W. Friederiszick, E. CA und ESMT und von Prof. Dr. Daniel Zimmer, Mitglied der Monopolkommission, sind auf der Internetseite des Bundeskartellamts veröffentlicht worden.