18.06.2011
Almunia (EU-Kommission): “Fair process in EU competition enforcement” (Rede)
EU
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https://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=SPEECH/11/396&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLanguage=en |
Der Vizepräsident der EU-Kommission und amtierende Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sprach am 30. Mai 2011 beim European Competition Day in Budapest zu dem Thema Policy Centre Dialogue in Brüssel zu dem Thema „ Fair process in EU competition enforcement" (Faires Verfahren bei der EU-Kartellrechtsdurchsetzung)
Almunia führte in seiner Rede genauer aus, welche Änderungen die Kommission derzeit im Rahmen ihrer „Best practices" im Kartellverfahren plane, um das Verfahren insgesamt transparenter zu machen und die Rechte der betroffenen Parteien zu stärken. Dazu gehöre auch ein neues Verständnis der Rolle der Anhörungsbeauftragten.
Exkurs Bußgeldpolitik: Almunia betonte zudem, dass das Gericht der Europäischen Union zum ersten Mal auf der Basis der Bußgeldleitlinien der Kommission aus dem Jahr 2006 geurteilt habe (Elf Aquitaine, Arkema France) und der Kommission bescheinigt habe, dass ihre Bußgeldleitlinien im Falle der Wiederholungstäterschaft richtig angewandt habe. Die Bußgelderhöhung um 90 Prozent sei in diesem Fall korrekt bemessen worden.
Almunia gab an, dass die Kommission vor über einem Jahr eine Konsultation über die Rransparenz und Vorhersehbarkeit in Kartelluntersuchungen durchgeführt habe. Es handelte sich unter anderem um ein Dokument, in dem bewährte Vorgehensweisen („Best Practices") bei Kartelluntersuchungen dargestellt wurden und Leitlinien zur Rolle der Anhörungsbeauftragten in Kartelluntersuchungen. Die Kommission hat die Stellungnahmen ausgewertet und wird nun in Kürze überarbeitete Vorschläge vorlegen, wie die die Vorgehensweise bei Kartelluntersuchungen noch weiter verbessert werden kann. Hierüber soll wieder eine Konsultation erfolgen.
Die Neuerungen belaufen sich im Wesentlichen auf Folgende:
- Aufnahme eines Abschnitts zu Bußgeldern in die Beschwerdepunkte. Dadurch soll den beschuldigten Unternehmen bereits früher als bisher Anhaltspunkte über die Kalkulation des zu erwartenden Bußgelds mitgeteilt werden, wie z.B. Informationen über die Größenordnung der kartellbefangenen Verkäufe und Anhaltspunkte über die Schwere der Tat oder einer etwaigen Wiederholungstäterschaft. Hierdurch soll ein Dialog mit den Unternehmen eröffnet werden können, um das Risiko für Fehlentscheidungen zu verringern.
- Zugang zu Schlüsseldokumenten („key documents"): Die Parteien sollen in einem frühen Stadium Zugang zu Schlüsseldokumenten, wie zum Beispiel ökonomische Studien, noch vor der Zusendung der Beschwerdepunkte erhalten
- Sachstandstreffen („State of play meetings"): Diese Treffen, bei denen es um den gegenseitigen Austausch der Sachlage und des Sachstands geht, sollen auch im Rahmen der Kartellverfolgung eingerichtet werden und auch auf den Beschwerdeführern ausgeweitet werden.
- Rolle der Anhörungsbeauftragten: Sie sollen nun von Anfang an in die Untersuchung involviert werden (nicht erst nach der Zusendung der Beschwerdepunkte). Sie sollen künftig an Debatten über die Zuerkennung des Anwaltsprivilegs („legal privilege") beteiligt werden können. Ein Anhörungsbeauftragte könnte künftig auch außerhalb der Kommission rekrutiert werden. Allerdings sollen die Anhörungsbeauftragen auch künftig nicht die Rolle eines Richters einnehmen und über den materiellen Fall entscheiden. Sie werden lediglich die Garanten eines fairen Verfahrens bleiben.