30.11.2011

39. FIW-Seminar fand am 23. und 24. November 2011 in Köln statt

FIW
FIW-Seminar

Am 23. und 24. November 2011 fand zum 39. Mal das FIW-Seminar in Köln statt.  Dr. Gernot Schaefer, Vorsitzender des FIW-Vorstandes, eröffnete die Veranstaltung, die wieder den aktuellen Schwerpunkten des Kartellrechts gewidmet war. Die von Dr. Alf-Henrik Bischke (Hengeler Mueller, Brüssel), Johann Brück (Hermanns Wagner Brück Rechtsanwälte, Düsseldorf), den FIW-Vorstandsmitgliedern Dr. Andreas Möhlenkamp, Dr. Horst Satzky und Dr. Peter Spitze sowie FIW-Geschäftsführer Niels Lau moderierten Referate trafen auf großes Interesse und wurden ausführlich und z. T. kontrovers diskutiert.

Dr. Peter Klocker, Vizepräsident, Bundeskartellamt, Bonn, stellte die aktuelle Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes 2010/2011 auf den Gebieten Fusionskontrolle, Kartellverfolgung und Missbrauchsaufsicht dar. Er gliederte seinen Vortrag in einen Ausblick nach Berlin und Brüssel sowie aktuelle Entscheidungen des Bundeskartellamtes. Bei der 8. GWB-Novelle war das Bundeskartellamt einbezogen. Einigen Wünschen des Amtes wurde entsprochen, z.B. die Verlängerung der Geltungsdauer des § 29 GWB, anderen hingegen nicht, z.B. die Erweiterung des Geltungsbereichs auf Wasser und Fernwärme. Dr. Klocker sieht Handlungsbedarf bei der Definition von „wirtschaftlicher Einheit". Den SIEC-Test wertet er positiv, jedoch fehlt hier noch die praktische Erfahrung. Mit seinem Blick Richtung Brüssel würdigte er die enge Zusammenarbeit mit der Kommission im Bereich der Kartellverfolgung positiv. Er warb für ein einheitliches Verfahrensrecht innerhalb der EU. Aus der Praxis des Bundeskartellamtes berichtete er, dass sich der Schwerpunkt der Tätigkeit in Richtung Fusionskontrolle verschiebt. Die Anzahl der Kartellverfolgungen hat in den letzen Jahren stetig zugenommen. Er erläuterte die Entscheidung im Fall Medienplattform RTL/Pro7 und die Untersuchung des Kartellamtes zum Oligopol auf dem Treibstoffmarkt. Er beendete seinen Vortrag mit ökonomischen Überlegungen zur Preissetzung.

Christian Dobler, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin, erläuterte die Eckpunkte des Referentenentwurfs (RefE) zur 8. GWB-Novelle. Die Umsetzung wurde schon 2009 im Koalitionsvertrag beschlossen und soll nun am 1.1.2013 in Kraft treten. Es gehe um die „Modernisierung" und „Optimierung" des GWB. Bei der Fusionskontrolle sollen wichtige Elemente des EU-Rechts übernommen werden, z.B. der SIEC-Test. Aber es sollen auch deutsche Eigenheiten, die sich bewährt haben, bestehen bleiben (z.B. die Ministererlaubnis). In der Missbrauchsaufsicht gehe es um Vereinfachung von Regelungen, Normen sollen verständlicher werden, befristete Regelungen müssten ihre Befristung oder Verlängerung rechtfertigen. Herr Dobler erläuterte Neuerungen und Änderungen im Kartellordnungswidrigkeiten- und Bußgeldrecht sowie die Überlegungen zum Pressesektor. Die Wasserversorgung behalte ihre Sonderrolle im Kartellrecht. Im RefE werde die Einrichtung einer Markttransparenzstelle vorgeschlagen. Idee ist die Entlastung der Unternehmen. Der weitere Fahrplan bei der GWB-Novelle sieht die Kabinettsbefassung Anfang 2012 vor, damit das Inkrafttreten zum 1.1.2013 gelingt.

Dr. Helmut Janssen, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Brüssel, beschäftigte sich mit dem Recht auf Einsicht in Kronzeugenakten. Er arbeitete die Bedeutung des Pfleiderer-Urteils für die Praxis heraus. Das Urteil des EuGH vom 14. Juni 2011 (C-360/09) brachte eine neue Sichtweise auf die Einsicht in Kronzeugenakten. Zu Beginn seines Vortrags stellte Herr Dr. Janssen als erstes die Interessen und die daraus resultierenden Interessenkonflikte auf. Als nächstes arbeitet er aus Sicht des mit dem Fall betrauten Rechtsanwalts die Fallgeschichte (2005 - 2007 Absprachen über Preise und Kapazitäten im Markt von Dekorpapieren). Ein Mittäter stellte einen Kronzeugenantrag. Das Bundeskartellamt verhängte daraufhin Bußgelder. Pfleiderer als geschädigtes Unternehmen beantragte daraufhin Akteineinsicht. Dies wurde vom Bundeskartellamt zurückgewiesen. Daraufhin wurde ein Antrag auf Einigung von Pfleiderer eingereicht. Das AG Bonn legte den Fall dem EuGH vor. EuGH: „EU-Recht verbietet nicht Einsicht in Kronzeugenakten". Die Entscheidung des AG Bonn zum Antrag von Pfleiderer stehe noch aus. Die Folgen des Urteils ließen sich heute schon in neuen Vorschlägen wiederfinden (§ 81 b) GWB RefE; vgl. Vortrag von Herrn Dobler). Bisher sei es durch das Urteil vor allem zu Unsicherheit gekommen. Es würden wohl in Zukunft Akteneinsichtsanträge bei mehreren Behörden gestellt und das AG Bonn werde jeden Fall entscheiden müssen.

Michael Albers, Anhörungsbeauftragter der Europäischen Kommission, Brüssel, referierte über Aufgaben und die neue Rolle des Anhörungsbeauftragten der Kommission. Die neuen Aufgaben und Rolle wurden erst am 20.10.11 im EU-Amtsblatt veröffentlicht (No. L 275/29). Er hat hier weitreichende Kompetenzen erhalten; sein Einflussmöglichkeiten gehen weiter als die des „Bürgerbeauftragten": Gewährleistung rechtlichen Gehörs von betroffenen Parteien, Recht auf Akteneinsicht, Schutz vor Offenlegung vertraulicher Informationen, die Zulassung Dritter zum Verfahren, die mündliche Anhörung, seine Berichtspflichten und die Beratung des Wettbewerbkommissars. Neu hinzugekommen ist ein Maßnahmenpaket zur Steigerung von Transparenz und Fairness. Der Anhörungsbeauftragte sei nun Garant aller Verfahrensrechte während des ganzen Verfahrens. Er könne auch nach missglückter Einigung mit der GD Wettbewerb eingeschaltet werden. Als neue Aufgaben sind noch der Schutz vor Selbstbezichtigung, die Fristverlängerung für Auskunftsbeschluss und Unterrichtungsrechte geregelt. Die Mandatserweiterung bringe letztlich keine grundlegenden Änderungen, sondern eine verbesserte Ausnutzung bestehender Regelungen.

Dr. Andreas Bardong, Bundeskartellamt, Bonn, erörterte in seinem Vortrag den neuen Leitfaden zur Beurteilung der Marktbeherrschung durch das BKartA. Derzeit würden die Stellungnahmen Dritter zum Leitfaden im Amt ausgewertet. Die Veröffentlichung des Leidfadens war im Juli 2011 erfolgt, bald werde die Endfassung des Leitfadens vorliegen. Die Arbeit am Leitfaden begann 2008. Die Ausführungen bauen auf Leitlinien anderer Behörden sowie den „recommendations" des ICN und der eigenen Fallpraxis auf. Der darauf aufbauende Entwurf wurde intern kritisch diskutiert und dann zur Konsultation veröffentlicht. Im „Analyserahmen" zur Untersuchung von Marktmacht würden in der neuen Leitlinie ökonomische Konzepte stärker berücksichtigt. Wichtig sei aber ebenso die Gesamtbetrachtung. Wichtig sei ebenfalls die Verwaltungspraxis und Rechtsprechung. Dr. Bardong erläuterte die „Annäherung" der Amts-Leitlinie zur Leitlinie der EU-Kommission, zeigte hierbei aber auch wichtige Unterschiede auf. Momentan würden im BKartA die eingegangenen Stellungnahmen, die von ganz unterschiedlichen Seiten eingegangen seien, ausgewertet. Die Grundtendenz der eingegangenen Stellungnahmen sei positiv, mitunter aber mit Kritik an Detailpunkten verbunden. Die Veröffentlichung des Leitfadens sei für Anfang 2012 vorgesehen.

Matteo Fornasier, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg, sprach über „Die Klauselkontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr". Zivilrechtliche Klauselkontrolle diene in erster Linie der Überwindung eines Informations- und Motivationsgefälles zwischen den Parteien, nicht hingegen dem Ausgleich eines wirtschaftlichen Machtungleichgewichts. Die Liberalisierung der Klauselkontrolle im B2B-Bereich solle über § 307 BGB erfolgen. Dabei sei eine differenzierende Betrachtung geboten, die sich am Schutzzweck des AGB-Rechts zu orientieren habe: Die Inhaltskontrolle müsse umso strenger ausfallen, je stärker die Informations- und Motivationsasymmetrie zwischen den Parteien ausgeprägt sei. Gegen „ausbeuterische" Konditionen sei eine stärkere Nutzung der kartellrechtlichen Klauselkontrolle wünschenswert. Herr Fornasier plädierte deshalb dafür, die Eingriffsschwelle der Missbrauchsaufsicht nach dem Vorbild des § 20 Abs.2 GWB abzusenken. Als Prüfungsmaßstab dafür sollten allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen des dispositiven Rechts zugrunde gelegt werden.

Dr. Christine Maimann, Stv. Vorsitzende Richterin, Oberlandesgericht Düsseldorf, referierte über die Nachweisanforderungen des Beschwerdegerichts in der Fusionskontrolle. Sie eröffnete ihr Referat mit der Darstellung des Ablaufs eines Beschwerdeverfahrens: Beim OLG erfolge eine Untersuchung des gesamten Streit- und Tatsachenstoffes. Im Rechtsbeschwerdeverfahren beim BGH würden lediglich Verfahrens- und Rechtsfragen untersucht. Die weiteren Ausführungen von Frau Dr. Maimann kreisten um die Untersuchungsmöglichkeiten und -grenzen des OLG. Im zweiten Teil ihres Referats unterfütterte Frau Dr. Maimann diese Überlegungen mit dem konkreten Fallbeispiel „Douglas" (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.02.09, VI-Kart 7/07/V), nämlich das Vorhaben von Douglas, acht inhabergeführte Parfümerien zu übernehmen. Das BKartA wollte dem Vorhaben nur unter Bedingungen zustimmen. Das OLG untersuchte die Marktbeschaffenheit („Austauschbarkeit" des Warenangebots aus Sicht der Verbraucher zwischen Parfümerien und Drogerien). Aufgrund der Untersuchungskriterien des OLG, die ausführlich erläutert wurden, habe das Gericht die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde beim BGH wurde nicht zugelassen.