23.07.2010

BT-Anhörung zur Angebots- und Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels

Der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat am 5. Juli 2010 eine öffentliche Anhörung in Berlin zum Thema „Angebots- und Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels und die Auswirkungen auf die Verbraucher" durchgeführt. Es handelt sich um ein Thema, das auf Seiten der Hersteller und des Handels für ein unterschiedliches Echo sorgt. Die Hersteller beklagen die große Macht der Anbieter im Lebensmitteleinzelhandel, die zu einem Preisverfall, Verdrängungswettbewerb und unfairen Praktiken führe, während der Handel in der Regel geltend macht, dass das Verhältnis zwischen Herstellern und Einzelhandel ausgewogen und von einem funktionierenden Wettbewerb geprägt sei, der den Verbrauchern in Form von niedrigen Preisen zugute käme.

Als Sachverständige auf Verbandsseite wurden benannt: Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e. V., Deutscher Bauernverband e. V., Handelsverband Deutschland (HDE). Weitere Stellungnahmen wurden eingereicht vom Markenverband und vom Deutschen Tierschutzbund e.V. Als Einzelsachverständige wurden benannt:  Herr Wolfgang Gutberlet (tegut), Herr Rainer Lademann (Lademann&Associates GmbH, Economists_and_Competition_Consultants), Herr Franz-Josef Möllenberg (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten), Herr Armin Valet (Verbraucherzentrale Hamburg), Frau Marita Wiggerthale (OXFAM).

Im Vorfeld war ein umfangreicher Fragenkatalog an die Sachverständigen gegeben worden, um den sich die einzelnen Stellungnahmen rankten. Die Fragen betrafen insbesondere die Komplexe:

Bei der Anhörung selbst lagen, je nach Zugehörigkeit zur Herstellerseite oder zum Einzelhandel, die bei der Anhörung geäußerten Positionen sehr weit auseinander. Der HDE machte vor allem geltend, dass der Einzelhandel der Konsumgüterbranche und den Erzeugern landwirtschaftlicher Produkte vielfältige Absatzchancen biete und der Einzelhandel zwar ein wichtiger, aber nicht der einzige „Absatzkanal" für die Produzenten sei. Auch herrsche im Einzelhandel ein "funktionierender Wettbewerb" vor und die Verbraucher profitierten von niedrigen Lebensmittelpreisen.

Herr Lademann gibt in seiner Stellungnahme (abrufbar unter oben aufgeführtem link) an, dass „gegenüber dem Endverbraucher heute kein LEH-Unternehmen Marktmacht im definierten Sinne besitzt". Für den Nachfragewettbewerb sei eine asymetische Situation gegeben: „Zahlreiche kleine, vor allem regionale Lieferanten und Hersteller von Zweit- oder Drittmarken sind für große LEH-Anbieter verzichtbar, dürften aber ihrerseits auf einen Marktzugang zum LEH angewiesen sein, währen die führenden Herstellen durch die Stärke ihrer Marken ein Gegengewicht besitzen oder gar für den LEH unverzichtbar sind."

Auf Herstellerseite, unterstützt von den übrigen Einzelsachverständigen,  wurde vor allem die Abhängigkeit der Hersteller von wenigen marktbeherrschenden Supermarktketten beklagt, die ein Preisdiktat aufstellten. Die Hersteller müssten sich dem Preisdiktat beugen, da sie es sich nicht leisten könnten, auf einen Abnehmer zu verzichten. Das Preisniveau berge zudem das Risiko eines Qualitätsverlusts beim Sortimentsangebot (BVE) und der Qualitätseinbußen bei den Lebensmitteln selbst (Valet). Der Preisdruck habe auch negative Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten (Möllenberg).