28.07.2010

Almunia (EU-Kommission): “Competition in Digital Media and the Internet” (Rede)

Der Vizepräsident der EU-Kommission und amtierende Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sprach am 7. Juli 2010 in der UCL Jevons Lecture in London über den Wettbewerb in den digitalen Medien und im Internet ("Competition in Digital Media and the Internet").

Zur Rolle des Wettbewerbs sagte Almunia, dass die Wettbewerbsprinzipien in der digitalen Wirtschaft die gleiche Geltung beanspruchten wie in der normalen Wirtschaft und im „Offline"-Bereich. Die Wettbewerbspolitik müsse von einer klugen und vorsichtigen Regulierungspolitik begleitet werden.

Zu Online-Medien führte Almunia aus, dass der Markt für Online-Inhalte („online content") von einem beschämenden Anachronismus („shameful anachronism") gezeichnet sei. Der Market sei fragmentiert und die Verbreitung der in Rede stehenden Inhalte teuer und schwierig. Ein hauptsächliches Bestreben der „Digitalen Agenda" in Europa ziele darauf ab, einen Binnenmarkt für solche Inhalte, speziell eine europaweite Lizenzierung, zu entwickeln. In dem Zusammenhang spielten Verwertungsgesellschaften eine große Rolle, die aber - so Almunia - ihr Verständnis von Lizenzvereinbarungen ändern müssten. Nationale Monopole und eine de-facto Kundenaufteilung seien nicht der richtige Weg. Auch seien lange Vertragslaufzeiten und die exklusive Abtretung der Rechte von Urhebern an Verwertungsgesellschaften kritisch zu sehen. Hier erwähnte Almunia, dass es bereits einige Kartellverfahren gegen Verwertungsgesellschaften gegeben habe.

Zum E-Commerce merkte Almunia an, dass es bei grenzüberschreitenden Transaktionen nach wie vor erhebliche Probleme gebe. Sieben von zehn grenzüberschreitenden Online-Käufen seien zum Scheitern verurteilt. Es sei noch nicht gelungen, einen nennenswerten Binnenmarkt für E-Commerce zu schaffen. Mit den neuen Vertikal-Leitlinien seien allerdings weitere Schritte unternommen worden, um die Rechte der Verbraucher innerhalb der EU bei Online-Käufen zu stärken. Wesentlich sei auch ein einfacher, sicherer und effizienter Weg des Zahlungsverkehrs, an dessen Gelingen die Kommission weiter arbeite.

Neue Online-Dienste, wie z.B. Suchmaschinen oder soziale Netzwerke, seien teilweise von hohen Marktanteilen geprägt (die wichtigste Suchmaschine habe z.B. einen Marktanteil von 95 Prozent und das wichtigste soziale Netzwerk von 70 Prozent). Es sei jedoch schwierig, Marktbeherrschung im Internet festzustellen; schon die Definition der Märkte sei nicht einfach. Für die Bewertung von Marktbeherrschung komme es auf die Größe von Markteintrittshürden an. Ein hoher Marktanteil für einen Online-Dienst berge allerdings stets Risiken der Marktabschottung, so Almunia. Almunia erwähnte kurz, dass die Kommission derzeit einige Praktiken im Bereich von Suchmaschinen näher untersuche.

Zur nächsten Generation der digitalen Dienste, wie z.B. zu den cloud-basierten Mobilfunk-Diensten („Cloud Mobile"), die sich derzeit in ihrem Anwendungsspektrum konstant weiter entwickelten,  gab Almunia eine vorsichtige Einschätzung. Seiner Meinung nach seien offene Modelle und die Interoperationalität der Dienste (am besten) geeignet, eine größere Anzahl an Anbietern in den Markt zu bringen. Die Kommission werde sich allerdings hinsichtlich einer Bewertung der unterschiedlichen Dienste zurückhalten und nur einschreiten, wenn die Märkte gegenüber Wettbewerbern abgeschottet würden. Es müsse dabei darauf geachtet werden, das Gleichgewicht zwischen der Zugangsgewährung und den Rechten der erfolgreichen Innovatoren zu wahren.

Almunia beschloss seine Rede mit einigen Ausführungen zu standard-essentiellen Schutzrechten, die auch in dem Abschnitt über Normenvereinbarungen in den Horizontalleitlinien einer Regelung zugeführt werden sollen. Essentiell seien hierbei zum einen die transparente Offenlegung der Rechte des Geistigen Eigentums und zum anderen die so genannte „Frand-Selbstverpflichtungserklärung", wonach eine Verpflichtung zur fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Lizensierung von standard-essentiellen Schutzrechten besteht. Den Normenorganisationen komme dabei eine Vorreiterrolle zu.