29.06.2009

EuGH-Urteil: Einziges Treffen zwischen Wettbewerbern kann abgestimmtes Verhalten begründen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am 4. Juni 2009 im Wege der Vorabentscheidung, dass bereits ein einziges Treffen zwischen Unternehmen eine abgestimmte Verhaltensweise gemäß Art. 81 EG begründen kann. Der Vermutungsumfang für abgestimmtes Verhalten wurde damit erweitert.

Es handelte sich um die Rechtssache C‑8/08 in dem Verfahren "T‑Mobile Netherlands BV, KPN Mobile NV, Orange Nederland NV, Vodafone Libertel NV ./.Raad van bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit". Das Verfahren betraf einen Informationsaustausch von fünf Betreibern eines Mobilfunknetzes (im Jahr 2001), deren Vertreter sich im Jahr 2001 ein einziges Mal getroffen hatten, um Informationen über die Kürzung von Standardvertragshändlervergütungen für Postpaid-Verträge auszutauschen.

 

Vorlagefragen:

Das niederländische Verwaltungsgericht für Handel und Gewerbe hatte dem EuGH drei Fragen vorgelegt. Zum einen wollte es wissen, welche Kriterien bei der Beurteilung, ob eine abgestimmte Verhaltensweise einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolge, anzuwenden seien. Ferner sollte er klarstellen, ob der nationale Richter, der das Vorliegen einer abgestimmten Verhaltensweise prüft, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellte Kausalitätsvermutung anwenden müsse. Das Gericht fragte auch, ob diese Vermutung selbst dann gilt, wenn die Abstimmung nur auf einem einzigen Treffen der betroffenen Unternehmen beruht.

Wesentliche Antworten (Urteilsgründe):

Für die Unternehmenspraxis bedeutsam sind die Ausführungen des EuGH zum Umfang der Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und dem Verhalten des Unternehmens auf dem Markt. Ein solcher Kausalzusammenhang wird gemäß dem EuGH auch dann vermutet, wenn die Abstimmung auf einem einzigen Treffen der betroffenen Unternehmen beruht (Antwort auf dritte Vorlagefrage).

Der Gerichtshof wies zudem darauf hin, dass jeder Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolge, sofern er geeignet sei, die Unsicherheiten hinsichtlich des von den betreffenden Unternehmen ins Auge gefassten Verhaltens auszuräumen. Es kommt somit nur auf die Geeignetheit an, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu führen (Antwort auf Vorlagefrage 1). Dabei könne auch eine einzige Kontaktaufnahme je nach Struktur des Marktes grundsätzlich ausreichen, um es den beteiligten Unternehmen zu ermöglichen, ihr Marktverhalten abzustimmen, jedenfalls wenn es - wie in diesem Fall - um einen einzigen Wettbewerbsparameter ging. Entscheidend sei nicht so sehr, wie viele Treffen es zwischen den beteiligten Unternehmen gegeben habe, sondern ob der Kontakt, der stattgefunden hat, es ihnen ermöglicht hätte, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Verhaltens auf dem jeweiligen Markt zu berücksichtigen und eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle der mit dem Wettbewerb verbundenen Risiken treten zu lassen.

Der EuGH betonte ebenfalls, dass der nationale Richter verpflichtet sei, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellte Kausalitätsvermutung anzuwenden (Antwort auf zweite Vorlagefrage). Sofern nachgewiesen werden könne, dass die beteiligten Unternehmen eine Abstimmung erzielt hätten und dass sie weiterhin auf dem Markt tätig seien, sei es - so der Gerichtshof - gerechtfertigt, von ihnen den Gegenbeweis dafür zu verlangen, dass diese Abstimmung ihr Marktverhalten nicht beeinflusst habe. Vorbehaltlich des Gegenbeweises gelte jedoch zunächst eine Kausalitätsvermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens auch tatsächlich berücksichtigen.