04.05.2009

EP und Ministerrat haben Kompromiss zum dritten Energiebinnenmarktpaket verabschiedet

Am 22. April 2009 wurde vom Europäischen Parlament ein Kompromisstext zum dritten Energiebinnenmarktpaket angenommen, nachdem es bereits zuvor im März seine Zustimmung signalisiert hatte. Von Ratsseite haben am 27. März 2009 bereits die EU-Botschafter der 27 Mitgliedstaaten dem Ergebnis der Trilogverhandlungen zugestimmt. Es steht nun nur noch die formale Annahme der Rechtstexte im Ministerrat aus.

In fünf Rechtstexten, darunter zwei überarbeiteten Richtlinien zur Schaffung eines europäischen Binnenmarkts für Strom und Gas, will der europäische Gesetzgeber eine effektive Trennung des Netzbetriebs von der Energieerzeugung erreichen; außerdem werden die nationalen Regulierungsbehörden gestärkt und die Verbraucherrechte erweitert. Die Texte sehen mehrere Instrumente zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Kooperation zwischen nationalen Regulierern wie auch zwischen den Übertragungsnetzbetreibern vor. Auch soll eine europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden (ACER) neu geschaffen werden. Im Besonderen handelt es sich um folgende Rechtstexte:

Richtlinie über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG,

Richtlinie über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG,

Verordnung über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003,

Verordnung über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005,

Verordnung zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER).

Mit dem zum 3. Energiebinnenmarktpaket erzielten Kompromiss soll der Prozess zur Schaffung eines integrierten europäischen Strom- und Gasbinnenmarktes abgeschlossen werden. Hauptstreitpunkt waren bis zuletzt die Frage zur Entflechtung, d.h. die Trennung zwischen Produktion und Netz, die Rolle der nationalen Regulierungsbehörden und die Verbraucherrechte. Nach dem neuen Richtlinientext können die Mitgliedstaaten auf drei Optionen zurückgreifen:

1)      die eigentumsrechtliche Trennung von Energieerzeugung von Netzbetrieb,

2)      die Abgabe des Netzmanagements der vertikal integrierten Energiekonzerne an einen unabhängigen Netzbetreiber (Independent System Operator, ISO),

3)      eine verstärkte organisationsrechtliche Entflechtung mit dem Ziel der Schaffung eines vom Mutterkonzern in Bezug auf das Netzmanagement unabhängigen Fernleitungsnetzbetreibers (Independent Transmission Operator, ITO).

Die vollständige eigentumsrechtliche Entflechtung zwingt die Energiekonzerne, ihre Strom- und Gasübertragungsnetze zu veräußern, sodass separate unabhängige Betreiber den Netzbetrieb übernehmen. Ein Energieversorger kann in diesem Fall nicht die Aktienmehrheit an einem unabhängigen Netzbetreiber halten.

Als Alternativen zur eigentumsrechtlichen Entflechtung erlauben es die ISO- und ITO-Optionen den Energieversorgern, ihre Netze als ihr Eigentum zu behalten. Die dritte Option - das ITO-Modell, wofür sich vor allem Frankreich und Deutschland eingesetzt hatten, - bewahrt die herkömmliche integrierte Konzernstruktur von Netz, Erzeugung und Versorgung, zwingt jedoch das Unternehmen verschiedene Regeln einzuhalten, die garantieren, dass die beiden Unternehmensteile in der Praxis unabhängig voneinander arbeiten. Ein Aufsichtsorgan, bestehend aus Vertretern des Mutterkonzerns, Vertretern von dritten Anteilseignern und, falls vom Mitgliedstaat vorgesehen, weiterer Interessengruppen wie z.B. der Arbeitnehmer des Netzbetreibers, wird eingerichtet, um wichtige vermögensrelevante Entscheidungen zu treffen. Dazu zählt die Genehmigung der jährlichen und langjährigen Finanzpläne, die Festlegung der Verschuldungshöhe des Netzbetreibers oder auch die Ausschüttung der Dividenden. Das Aufsichtsorgan darf sich jedoch nicht in laufende Geschäfte des Netzmanagements einmischen. Für einen diskriminierungsfreien Zugang Dritter zum Netz sollen  ein Gleichbehandlungsprogramm und ein Gleichbehandlungsbeauftragter im Netzmanagement sorgen. Auch gilt für die Mehrheit der Angehörigen der Unternehmensleitung und der Mitglieder von Verwaltungsorganen des Netzbetreibers eine Sperrfrist von drei Jahren vor einem konzerninternen Wechsel in das Netzmanagement, für den Rest des Managements beträgt die Sperrrist sechs Monate und ist auf Führungstätigkeiten beschränkt.

Um Investitionen in die Energienetze abzusichern, müssen die Übertragungsnetzbetreiber (ITO) künftig einen jährlich aktualisierten 10-Jahres-Netzentwicklungsplan vorlegen, der von den nationalen Regulierern begleitet und überwacht wird. Die nationalen Regulierungsbehörden sollen darüber hinaus gemeinsam mit der neuen europäischen Regulierungsbehörde ACER die Vereinbarkeit der 10-Jahres-Netzpläne mit einem EU-weiten Netzentwicklungsplan sicher stellen. Die Mitgliedstaaten müssen ihrerseits gewährleisten, dass im Falle eines Ausbleibens geplanter Investitionen die nationalen Regulierer entweder diese Investitionen anordnen, den Betreiber zur Akzeptanz von Kapitalerhöhungen oder Drittbeteiligungen verpflichten oder die Vorhaben für Drittinvestoren ausschreiben.