07.08.2008

US Court of Appeals Urteil: "amnesty agreements" könnten bald öffentlich zugänglich sein

USA
US Court of Appeals
Kronzeugenprogramme
Amnesty agreements

https://pacer.cadc.uscourts.gov/docs/common/opinions/200807/07-5191-1129737.pdf

Unternehmen, die bei der Antitrust Devision des U.S. Department of Justice ihre Teilnahme an einem bislang nicht entdeckten Kartell anzeigen, müssen nicht mit einer Geldbuße rechnen, sondern können nach Maßgabe eines seit 1993 bestehenden Kronzeugenprogramms in den Genuss eines Straferlasses kommen. Derartige Straferlässe werden in sogenannten „amnesty agreements“ festgehalten.

Aufgrund eines Urteils des US Court of Appeals for the DC Circuit vom 25. Juli 2008 im Fall Stolt-Nielsen Transportation Group, Ltd. v. United States könnten diese „amnesty agreements“ künftig nun nach dem Freedom of Information Act (FOIA) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dem Begehren des Unternehmens Stolt Nielson Transportation Group, Ltd. folgend befand der Court of Appeals, dass „amnesty agreements“ nicht automatisch vor der Öffentlichkeit unter Verschluss gehalten werden dürften und richtete sich damit gegen eine Entscheidung der Antitrust Devision, nach der Stolt Nielson die Einsichtnahme in frühere „amnesty agreements“ versagt worden war, die das Unternehmen in einem Rechtsstreit über die Gültigkeit eines selbst mit der Antitrust Devision getroffenen „amnesty agreement“ heranziehen wollte.

Während die Entscheidung der Antitrust Devision zunächst durch das erstinstanzliche Urteil eines District Court mit der Begründung bestätigt worden war, die Behörde habe in Anwendung der im Freedom of Information Act gewährleisteten Ausnahmeregelungen 2, 3, 5, 7 (A), (C) und (D) zu Recht die in streitstehenden Dokumente unter Verschluss gehalten, wurde dieses Urteil nun vom US Court of Appeals for the DC Circuit aufgehoben und zur Neuentscheidung zurück an den District Court verwiesen. Der Court of Appeals befand, dass allenfalls die Ausnahmeregelungen 7 (A) und 7 (D) des FOIA anwendbar seien könnten, nach denen Dokumente zurückgehalten werden dürfen, wenn deren Veröffentlichung die Effektivität der Behördenarbeit gefährden könnte oder eine vertrauliche Quelle offenbaren würde. Allerdings sei auch im Falle, dass die Dokumente diesen Ausnahmeregelungen tatsächlich zugänglich seien, worüber der District Court nun neu zu entscheiden hat, von der Antitrust Devision nicht dargelegt worden, warum nicht wenigstens Teile der Dokumente veröffentlicht werden könnten. Der Court of Appeals schlug in diesem Zusammenhang vor, dass Namen und Datumsangaben von den entsprechenden Dokumenten vor ihrer Einsichtnahme geschwärzt werden könnten, falls dies von Nöten sei. Insoweit kam der Court of Appeals zu dem Schluss:

„ Upon review, we conclude that only two possible exemption provisions are applicable and that the record does not support a conclusion that exempt portions of the documents are not reasonably segregable. We therefore vacate the judgment of the district court and remand the matter to the district court for further proceedings to establish the feasibility of the release of redacted versions of the amnesty agreements.“

Das Verfahren ist bereits deshalb von besonderem Interesse, weil es weltweit erstmalig gerichtlich die Frage der Zugänglichkeit von Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit Kronzeugenprogrammen getroffen wurden, behandelt. Ob die Möglichkeit einer Einsichtnahme in frühere „amnesty agreements“ letztlich zu mehr Transparenz in der Anwendung von Kronzeugenprogrammen führen vermag oder aber eher abschreckende Wirkung auf Unternehmen haben wird, Kronzeugenregelungen für sich in Anspruch zu nehmen, wird die Zukunft zeigen müssen.