15.04.2008

Kurzbericht über das 41. Symposion in Innsbruck

FIW
Symposion Innsbruck

Das 41. Symposion des FIW hat vom 6. bis 9. Februar 2008 in Innsbruck unter dem Thema „Globaler Wettbewerb und nationale Wettbewerbsordnungen“ stattgefunden und war mit über 190 Teilnehmern in diesem Jahr außerordentlich gut besucht.

In bewährter Tradition haben auch  in diesem Jahr Landeshauptmann Herwig van Staa und die Innsbrucker Bürgermeisterin Hilde Zach die Eröffnung unserer Veranstaltung übernommen und zu Recht die langjährige Verbundenheit des FIW sowohl zu Innsbruck als auch zu Tirol hervorgehoben.

Die neue Vorsitzende des FIW-Vorstandes, Frau Margret Suckale, leitete in diesem Jahr eine Tagung, die vielen Teilnehmern aufgrund der äußerst interessanten Referenten  in besonderer Erinnerung bleiben wird:

EU Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes eröffnete mit ihrem Vortrag, in dem sie die Rolle des europäischen Wettbewerbsrechts im Zeitalter der Globalisierung untersuchte, das diesjährige Symposion. In ihrem Beitrag sprach sich Neelie Kroes insbesondere für eine verstärkte Zusammenarbeit von Wettbewerbsbehörden auf globaler Ebene aus. Zwar bestünden bereits intensive Kooperationen mit Wettbewerbsbehörden außerhalb der EU, doch wäre leider bis jetzt kein Austausch justiziabler Beweismittel möglich. Die Zeit sei gekommen um einen solchen Austausch über verbesserte bilaterale Abkommen zwischen einer kleinen Zahl von Vollstreckern zu teilen.(Vgl. zur Rede von Neelie Kroes auch noch den gesonderten Beitrag auf der FIW-Website).
Professor Dr. Michael Hüther befürwortete in seinem Vortrag über den Umgang mit Staatsfonds eine liberale Haltung. Er warnte davor, die Investitionsfreiheit durch eine protektionistische Haltung einzuschränken, denn tatsächlich würde bei den meisten Staatsfonds wenig Grund dafür bestehen, von versteckten Vertriebsstrategien auszugehen. Zeitaufwendige Prüfungen bei ausländischen Investitionsvorhaben seien insbesondere für ein Land wie Deutschland, dessen Markt sich durch eine hohe internationale Verflechtung auszeichne, äußerst gefährlich. Vorschläge wie eine Erweiterung des Außenwirtschaftsgesetzes hält Professor Hüther deshalb für nicht angebracht. Ausreichend sei eine Stärkung der bereits bestehenden Transparenzregelungen sowie mehr Vertrauen in die Tätigkeit der Wettbewerbshüter.

Professor Damien Neven, Chefökonom der Europäischen Kommission, sprach in seinem Beitrag über die Rolle des "more economic approach" in der europäischen Wettbewerbsordnung. Ziel der europäischen Wettbewerbspolitik müsse es sein, über grundsätzliche Prinzipien Rechtssicherheit zu schaffen, zugleich jedoch mit Hilfe ökonomischer Analyse für mehr Einzelfallgerechtigkeit zu sorgen. Daraus folge, dass die ökonomische Analyse zwar keinesfalls als Ersatz für gesetzliche Regelungen angesehen werden dürfe, aber als ein Instrument zum besseren Verständnis der wettbewerblichen Dynamik anerkannt werden müsse. Dementsprechend seien per se Verbote stets einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Um die wettbewerblichen Auswirkungen einer Maßnahme möglichst exakt vorher sagen zu können, plädierte Professor Damien zudem dafür, wenn möglich stets verschiedene Methoden der ökonomischen Analysen anzuwenden.

Dr. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzende der Axel Spinger AG, kritisierte in seinem Vortrag, dass ein "Level Playing Field" in Deutschland allenfalls eine Wunschvorstellung sei. Er beanstandete, dass es für private Medienunternehmen zunehmend schwieriger sei, sich auf dem hart umkämpften Markt zu behaupten. Dabei wies er zunächst darauf hin, dass die zunehmenden Verbote für Werbung die Wettbewerbsfähigkeit einer unabhängigen Presse gefährdeten. Schlimmer sei jedoch, dass es für deutsche Unternehmen kaum möglich sei in größerem Umfang zu expandieren. Unter Bezugnahme auf das Übernahmevorhaben von  Pro Sieben/Sat.1 beanstandete Döpfner, dass das Bundeskartellamt im Verhältnis zur Europäischen Kommission unangemessen streng in fusionsrechtlichen Fällen prüfe. Hierdurch entstünden Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen, die ein Level Playing Field auf dem europäischen Markt verhinderten. Döpfner sprach sich deshalb für eine baldige Angleichung des deutschen an das europäische Recht aus und stellte die Abschaffung der sog. Zweidrittelregel in Frage.


Dr. Bernhard Heitzer, Präsident des Bundeskartellamts, Professor Dr. Walter A.Stoffel, Präsident der schweizerischen Wettbewerbsbehörde, und Dr. Theodor Thanner, Generaldirektor der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde, sprachen in einer Podiumsdiskussion über die Macht und Ohnmacht der Wettbewerbsbehörden auf dem Energiemarkt. Alle drei Teilnehmer waren sich darin einig, dass die Schaffung eines funktionierenden Wettbewerbs im Energiesektor primär den Einsatz struktureller Maßnahmen erfordere. Uneinigkeit bestand jedoch darüber, inwieweit eine eigentumsrechtliche Entflechtung das geeignete Instrument sein könnte. Insoweit wurde sowohl die Möglichkeit einer horizontalen als auch die einer vertikalen Entflechtung intensiv diskutiert.

Bruno Lassere, Président du Conseil de la Concurrence, sprach sich in seinem Vortag für mehr Leitlinien und Klarstellungen in Bezug auf die Anwendung des Europäischen Wettbewerbsrecht aus. Als problematisch sah Lasserre insbesondere an, dass fehlende Klarstellung momentan dazu führten, dass nationale Wettbewerbsbehörden EU Recht unterschiedlich umsetzten. Für Unternehmen sei es heute zudem ohne Hilfe von Experten kaum mehr verständlich, welche Verhaltensweisen erlaubt seien oder mit welchen Strafen im Falle eines Kartellverstoßes zu rechnen sei. Zugleich mahnte Lasserre jedoch an, über neue Leitlinien nicht zusätzliche Bürokratie zu schaffen. Erklärtes Ziel müsse es sein, mehr Übereinstimmung und Transparenz in der Rechtsanwendung europäischen Rechts zu schaffen.

Dr. Bernhard Heitzer, Präsident des Bundeskartellamts, sprach über die Rolle der Wettbewerbsbehörden im Gefüge der Politik und Gesetzgebung. Dr. Heitzer kritisierte dabei einige jüngste Entwicklungen in der Politik. Politischen Entscheidungsprozessen wie denen bezüglich des Mindestlohns, der Gesundheitsreform und des Umgangs mit ausländischen Staatsfonds fehle bisweilen eine sachliche Analyse bezüglich der Auswirkungen auf den Wettbewerb. So bedauerte Heitzer in Bezug auf die Gesundheitsreform, dass hier die Chance vertan wurde, durch Wettbewerb effizientere Strukturen zu schaffen und durch die Einführung von Mindestlohn im Postsektor Wettbewerb erheblich erschwert wurde. Angesichts dieser bedenklichen Fehlentwicklungen forderte Heitzer, den Einfluss des Bundeskartellamtes am politischen Entscheidungsprozess zu stärken. Dieser Vorschlag, der auch entsprechende Beachtung in der Presse gefunden hat, wurde anschließend intensiv von den Teilnehmern diskutiert. Kritisch hinterfragt wurde insbesondere, ob ein solcher Vorschlag nicht in den Aufgabenbereich der Monopolkommission eingreifen könnte.

Professor Hannah L. Buxbaum, Associate Dean for Research and Professor of Law an der Indiana University in Bloomington, vermittelte einen amerikanischen Blick auf die Unterschiede zwischen der europäischen und amerikanischen Wettbewerbspraxis. Dabei hob sie hervor, dass sie eine Debatte über die Konflikte der Rechtskulturen nicht für sinnvoll erachte, da eine solche nicht zu produktiven Ergebnissen führe. Statt über Konflikte zu sprechen, müsse es vielmehr darum gehen, Ansätze und Wege für eine Harmonisierung und Koordinierung der zwei Rechtssysteme zu finden. Nur so könne gesichert werden, dass die Kartellrechtsdurchsetzung auf einem globalen Markt gestärkt würde. In der anschließenden Diskussion  wurde insbesondere kritisch hinterfragt, ob sich künftig nicht ein deutlicher Konflikt entwickeln könnte, wenn zu befürchten sei, dass die USA möglicherweise auch eine exterritoriale Durchsetzung des europäischen Rechts verfolgen könnte.

Sir Christopher Bellamy, Senior Consultant bei Linklaters, London, untersuchte in seinem Beitrag die aktuellen Entwicklungen im Bereich des "private enforcement". Er plädierte dabei für eine offene Haltung der europäischen Mitgliedsstaaten gegenüber neuen Formen von privater Kartellrechtsdurchsetzung, da sich diese als eine durchaus effektive und sinnvolle Ergänzung zur bislang primär von staatlicher Seite verfolgten Kartellrechtsdurchsetzung erweisen könnten. Bedenken sah Sir Bellamy allerdings dahingehend, ob es der Europäischen Kommission tatsächlich gelingen werde, ein effektives System des "private enforcement" auf europäischer Ebene gegen die bislang noch bestehenden Bedenken durchzusetzen. Im Zweifelsfall sei jedoch davon auszugehen, dass einzelne Mitgliedsstaaten ein eigenes System des "private enforcement" etablieren würden. 

Professor Dr. Wernhard Möschel wog in seinem Beitrag ab, ob auf bestehende Konflikte zwischen Wettbewerbsordnungen mit einer Harmonisierung des Rechts oder einer Kooperation der Behörden reagiert werden sollte. Professor Möschel warnte dabei insbesondere davor, eine halbherzige Angleichung von Rechtssystemen zu betreiben, da die Systeme oftmals nicht funktionierten, wenn sie nur teilweise übernommen würden. Zudem berge eine Vereinheitlichungen von Rechtsordnungen stets die Gefahr einer Fehlerpotenzierung. Wettbewerb zwischen Rechtsordnungen hingegen stelle eine wichtige Erkenntnisquelle dar, die eine ständige Kontrolle der Effektivität der Rechtsysteme ermögliche. Insoweit sei die Variante der Kooperation oftmals die bessere. Sein Plädoyer für eine verstärkte Kooperation wurde in der anschließenden Diskussion von den Teilnehmern sehr begrüßt.

Professor Osheung Kwon, Chairman of the Korea Fair Trade Commission, sprach über die jüngsten Entwicklungen in der ostasiatischen Wettbewerbspolitik. Neben einem Überblick über die Wettbewerbsysteme der neun asiatischen Länder, die sich bislang zur Etablierung eines solchen entschieden haben, ging Chairman Kwon im Besonderen auch auf die angestrebten Modernisierungsschritte im koreanischen Wettbewerbsrecht ein. Zum einen sei geplant, kontinuierlich an einer Optimierung der wettbewerbsrechtlichen Standards zu arbeiten, um so zeitnah an ein globales Niveau anzuschließen, zugleich jedoch solle dies nicht bedeuten, dass versucht werde, ein europäisches oder US-amerikanisches Wettbewerbssystem zu übernehmen. Vielmehr legte Chariman Kwon Wert darauf, dass Korea ein eigenständiges Wettbewerbssystem entwickeln wolle.

Professor William E. Kovacic, Commissioner of the Federal Trade Commission, vermittelte einen amerikanischen Blick auf die Di- und Konvergenzen zwischen dem Europäischen und US-amerikanischen Wettbewerbsrecht. Aufgrund der teils enormen Kosten, die für Unternehmen gerade wegen der nach wie vor bestehenden Divergenzen entstünden, plädierte Professor Kovacic für verstärkte Harmonisierungs- und Koordinierungsbemühungen. Ein erster notwendiger Schritt sei, dass mehr Verständnis und Kenntnis bezüglich der Herkunft und Entwicklung der beiden Rechtssysteme gefördert würde. Insoweit bestünden leider noch immer viel zu wenige Konsultationen zwischen den Wettbewerbsbehörden. Professor Kovacic plädierte deshalb dafür, den Austausch von Personal zwischen der europäischen und der US-amerikanischen Wettbewerbsbehörde noch erheblich zu stärken. Sein Vorschlag: Es müssten an jedem Tag des Jahres mindestens 10 Personen der einen Wettbewerbsbehörde in der jeweils anderen zugegen sein.

Das 42. Symposion findet vom 25. bis 27. Februar 2009 wieder in Innsbruck statt.