08.01.2008

Kurzbericht über das 35. Kölner Seminar des FIW

FIW
Kölner Seminar

Das 35. Kölner-Seminar hat vom 29. bis 30. November 2007 stattgefunden. Niels Lau, Geschäftsführer des FIW, und Dr. Mareike Wantzen, stellvertretene Geschäftsführerin des FIW, leiteten die Tagung, die den aktuellen Schwerpunkten des Kartellrechtes gewidmet war:

Andreas Mundt, Leiter der Grundsatzabteilung des Bundeskartellamtes, fasste in seinem Vortag die Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes aus den Jahren 2006 und 2007 zusammen. Dieses traditionsreiche Referat des Bundeskartellamtes zu Beginn jedes Kölner Seminars wird von den Teilnehmern stets besonders gut angenommen. Herr Mundt ging in diesem Jahr unter anderem auf die Tätigkeit des Bundeskartellamtes in den Bereichen des Energiesektors und der Missbrauchsaufsicht bei Verkäufen unter Einstandspreisen ein. Bei seiner Zusammenfassung der relevanten Fusionsverfahren wies er insbesondere auf die steigende Relevanz von Krankenhäuserfusionen hin. Die gerade vom Bundestag verabschiedete GWB-Novelle (§ 29 GWB n.F. - Preismissbrauchsaufsicht) beurteilte Herr Mundt insgesamt als positiv, warnte aber davor sich von dieser eine allzu große Belebung des Wettbewerbs im Rahmen des Energiesektors zu versprechen.

Michael Baron, Of Counsel bei Linklaters, sprach über den "more economic approach" in der Fusionskontrolle. Dabei verglich er den traditionellen/strukturellen Ansatz des deutschen Systems mit dem zunehmend ökonomisch ausgerichteten Ansatz des europäischen Systems. In Bezug auf die Marktabgrenzung stellte er fest, dass im Ergebnis zwischen den beiden Ansätzen keine erheblichen Unterschiede bestehen. Im Weiteren hob Herr Baron jedoch einige gewichtige Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen hervor. Gerade die geringeren materiellen Untersagungsanforderungen, wie niedrigere Marktanteilschwellen und die fehlende Möglichkeit, Effizienzvorteil zu berücksichtigen, würden das deutsche Recht tendenziell zu dem strengeren Recht machen. Eine Ausnahme sei jedoch der Sonderfall von Oligopolen. Da das EU Recht auch unilaterale Effekte ohne Marktmacht erfasse, sei in diesen Fällen zumeist der europäische Ansatz der strengere.

Dr. Ulrich Schnelle, Rechtsanwalt bei Haver & Mailänder in Stuttgart, referierte über das jüngst vom Gericht erster Instanz ergangene und noch nicht rechtskräftige dritte Schneider Urteil. Kritisch betrachtete Rechtsanwalt Schnelle zunächst, dass das Urteil aufgrund des erstmaligen Zuspruchs eines Schadensersatzanspruches gegen die Kommission wegen eines zu Unrecht verweigerten Fusionsvorhabens vielfach als bahnbrechend dargestellt wurde. Herr Schnelle wies darauf hin, dass die Möglichkeit eines solchen Schadensersatzanspruches aufgrund der bestehenden Amtshaftungsansprüche auch vor diesem Urteil bestand. Im Weiteren hob Rechtsanwalt Schnelle insbesondere die Wichtigkeit eines Schadensersatzanspruches als Ergänzung zum teilweise unzureichenden Primärrechtsschutzes hervor, wobei er jedoch zugleich betonte, dass sich die Möglichkeit eines solchen nicht lähmend auf die Tätigkeit der Kommission in Fusionsentscheidungen auswirken dürfte. Für die Erfolgschancen künftiger Schadensersatzklagen sieht Rechtsanwalt Schnelle insbesondere die Aussage des Gerichts erster Instanz, dass Fehler nur dann erheblich sein sollen, wenn sie sich nicht durch den Fristendruck, unter dem die Kommission im Rahmen fusionsrechtlicher Verfahren regelmäßig steht, rechtfertigen oder erklären lassen.

Dr. Arthur Waldenberger, Partner bei Waldenberger Rechtsanwälte in Berlin, fragte in seinem Vortrag, ob die Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften heute noch zeitgemäß sei. Nachdem Rechtsanwalt Waldenberger zunächst in umfassender Weise den aktuellen Meinungstand zu dieser Problematik darstellte, kam er zu dem Ergebnis, dass künftig eine differenzierte Preisbindung sinnvoll wäre. Dabei befürwortete er, dass die Preisbindung nur zur Förderung eines publizistischen Wettbewerbs zugelassen werden sollte. Zeitungen und Zeitschriften, die nicht zur politischen Meinungsbildung beitrügen, sollten hingegen nicht das Privileg der Preisbindung zugute kommen. Insoweit sprach sich Rechtsanwalt Waldenberger für eine Rückbesinnung auf die Verfassungsnähe der Preisbindung aus. Urteile wie das "Caroline"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hätten verdeutlicht, dass unterschiedliche Inhalte eines Presseerzeugnisses unterschiedlich bewertet werden können.

Britta Grauke, Rechtsanwältin bei Weil Gotshal & Manges, vermittelte einen Einblick in den Bereich des europäischen "private enforcement" im Vergleich zum amerikanischen. Kritisch stand Rechtsanwältin Grauke der Missbrauchsanfälligkeit der kartellrechtlichen Sammelklagen in den USA gegenüber. Die weit gefassten Beweisregelungen würden teils immense Kosten für die betroffenen Unternehmen verursachen, ohne dass hinreichende Erfolgschancen der Sammelklage erwiesen seien. Umfassend stellte sie im Weiteren den deutschen Ansatz im Rahmen des § 33 GWB zu dieser Problematik dar, durch den die Möglichkeit einer kartellrechtlichen Sammelklage für Schadensersatzansprüche gerade nicht gewährt wird. Anders hingegen das aktuelle Grünbuch zu Schadensersatzklagen wegen der Verletzung des EU Wettbewerbsrechtes der Kommission, welches sich für eine mit eingeschränkteren Beweisführungsrechten ausgestaltete kartellrechtliche Sammelklage auf europäischer Ebene ausspricht. In Bezug auf die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene europäische Sammelklage gab Frau Grauke jedoch zu bedenken, dass diese aufgrund ihrer begrenzten Beweisführungsrechte wohl in der Praxis lediglich als eine reine "follow on" Klage genutzt würde.

Reinhard Wieck, Leiter der Interessenvertretung Wissenschaft der deutschen Telekom AG, untersuchte, ob der Übergang von der sektorspezifischen Regulierung in das allgemeine Wettbewerbsrecht im Bereich des europäischen Telekommunikationsmarkts gelingt. Dabei kritisierte Herr Wieck zunächst, dass sich der aktuelle sowie zukünftig vorgesehene Regulierungsrahmen innovationshemmend auf die Telekommunikationsbranche auswirke. Als Abhilfe des bestehenden Innovationshemmnisses befürwortete Herr Wieck, dass der Regulierung auf dem europäischen Markt ähnlich der Sunset-Regelung in Kanada ein finales Datum zu setzen sei, denn es sei unrealistisch, dass sich Regulierungsbehörden ohne ein solches definitives Datum selbst abschaffen würden. Das Beispiel Kanada hätte bewiesen, dass sich die Angabe eines solchen finalen Datums positiv auf die Innovationstätigkeit auswirke.

Dr. Markus M. Wirtz, Partner bei Glade Michel Wirtz in Düsseldorf, untersuchte das Spannungsfeld zwischen der Eigentumsgarantie und dem Kartellrecht. Hierbei ging er auf einige jüngst ergangene Urteile wie das im Fall "Messe Bremen", "Soda Club" und "Microsoft" ein, die neue Problemfelder in diesem Bereich aufwerfen. In Bezug auf den viel diskutierten "Soda Club"-Fall gab er zu bedenken, inwieweit über das Kartellrecht einem Eigentümer die Art und Weise der Verwertung seines Eigentums vorgeschrieben werden dürfe. Er hinterfragte insoweit kritisch, ob es nicht als Ausfluss des Eigentumsrechts zu betrachten sei, selbst darüber entscheiden zu können, die betreffende Ware entweder zu vermieten oder zu verkaufen. Im Ergebnis sprach sich Rechtsanwalt Wirtz dafür aus, dass in künftigen kartellrechtlichen Entscheidungen der grundrechtsbezogene Blickwinkel auf das Eigentum stärker zur Geltung kommen müsse.

Dr. Sven B. Völcker, Rechtsanwalt bei WilmerHale in Brüssel, vermittelte einen Einblick in die Missbrauchskontrolle im Technologiesektor. Eingehend untersuchte er dabei das jüngst vom Gericht erster Instanz ergangene "Microsoft"-Urteil, wobei er jedoch kritisch betrachtete, dass im Urteil offen gelassen wurde, ob die Maßstäbe der "Essential Facility"-Doktrin für zukünftige Fälle neu konkretisiert wurden. Für die Offenlegung der Schnittstelleninformation im Fall "Microsoft" verlangte das Gericht erster Instanz nämlich nicht, dass das Auftreten eines neuen Produktes verhindert wurde, vielmehr reichte es im Fall "Microsoft" bereits aus, dass Innovationstätigkeit behindert wurde. Im Weiteren untersuchte Rechtsanwalt Völcker auch die zu klärenden Problematiken bezüglich des "Rambus"-Verfahrens, im Zuge dessen sich die Kommission erstmals mit einem "patent ambush" befassen muss. Dabei sprach er insbesondere das Problem an, inwieweit ein Missbrauch vor Erlangung einer marktbeherrschenden Stellung von Artikel 82 EG erfassbar sein kann. Eine Entscheidung der Kommission zu diesem Verfahren ist in 2008 zu erwarten.

Während des Rahmenprogramms wurde in diesem Jahr die Ausstellung "Zhou Jun - ein chinesischer Tuschmaler der Gegenwart" des Museums für ostasiatische Kunst besucht.