20.10.2008

Kroes (EU-Kommission): Exclusionary abuses of dominance - the European Commission’s enforcement priorities (Rede)

sslich des diesjährigen Symposiums der Fordham University hielt die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes eine Rede über die „Durchsetzung des Kartellrechts durch die EU-Kommission beim Behinderungsmissbrauch (exclusionary abuses of dominance)“.

Die Kommissarin gab an, in Kürze ein neues Diskussionspapiers zu Artikel 82 EG veröffentlichen zu wollen, das sich – wie das vorige Papier - ausschließlich mit dem Behinderungsmissbrauch auseinandersetzen wird.

Vor der Sommerpause sei den nationalen Kartellbehörden und zuständigen nationalen Ministerien bereits ein Entwurf zugegangen, und Anfang September gab es eine erste Diskussion mit den nationalen Kartellbehörden, in der Woche nach der Konferenz würde ein Treffen mit den Präsidenten der Kartellbehörden stattfinden.

Grundlage des Papiers – so Kroes - sei das Ziel, die Konsumentenwohlfahrt zu schützen. Es gehe nicht darum, Wettbewerber zu schützen; marktbeherrschende Unternehmen sollten bei der Ausübung von Wettbewerb keinen unnötigen Beschränkungen unterworfen sein. Beim Preiswettbewerb sei es allerdings oft schwierig, die Grenze zwischen erlaubtem Wettbewerb und wettbewerbsbeschränkender Marktabschottung (foreclosure) zu ziehen. In dem Zusammenhang sei es sinnvoll zu klären, ob ein hypothetischer Wettbewerber, der ebenso effizient wie das marktbeherrschende Unternehmen sei, dem Preiswettbewerb standhalten könne („as efficent competitor“ test. Wenn dies der Fall sei, wäre der Preiswettbewerb nicht als missbräuchlich einzustufen.

Frau Kroes sprach sich ebenfalls dafür aus, den wirkungsbasierten Ansatz („effects-based approach“) beizubehalten. Das Ausmaß ökonometrischer Studien und ökonomisch fundierter Beweise könne gering gehalten werden, wenn es um den Nachweis eines wahrscheinlichen marktabschottenden Effekts gehe. Dieser läge of klar auf der Hand. Es komme nicht darauf an, ob der Markt tatsächlich verschlossen würde, schon die Wahrscheinlichkeit dafür rechtfertige ein Eingreifen der EU-Kommission.

Zum Gewicht von Effizienzen: Die Kommissarin beabsichtigt, an der Effizienzverteidigung – analog Art. 81 Abs. 3 EG – festzuhalten, auch wenn Art. 82 EG vom Wortlaut keine Effizienzen als Rechtfertigungsgrund vorsehe. Ein Unternehmen, das Effizienzen zu seiner Rechtfertigung anführen wolle, müsse folgende Bedingungen kumulativ erfüllen:

- die Effizienzen, die eine Folge des in Rede stehenden Verhaltens des Unternehmens seien, sind bereits umgesetzt oder sind wahrscheinlich zu erwarten
- das in Rede stehende Verhalten des Unternehmens ist unerlässlich für die Realisierung der Effizienzen; es dürfen keine weniger wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen denkbar sein, die dieselben Effizienzen bewirken könnten
- die Effizienzen kommen den Verbrauchern zugute und überwiegen im Verhältnis zu den wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des Verhaltens
- das Verhalten eliminiert nicht effektiven Wettbewerb, indem es sämtlichen aktuellen oder potentiellen Wettbewerb behindert.

Im Ergebnis sollen sämtliche Effizienzgewinne in ausreichendem Umfang an die Verbraucher weitergegeben, und der so genannte „consumer welfare balancing test“, der bei der Kartellbeurteilung und bei der Zusammenschlusskontrolle angewandt würde, soll eingeführt werden. Dies würde dem Gleichlauf des Wettbewerbsrechts dienen, aber vor allem den Verbrauchern zugutekommen.

Zum Schluss wies Frau Kroes auf tatsächliche und mögliche Disparitäten im Verhältnis zu den USA hin; in den USA fürchte man mehr als in Europa ein Zuviel an staatlichen Eingriffen („over-enforcement“), was sich dementsprechend in einer unterschiedlichen Einordnung des Verhaltens marktbeherrschender Unternehmen niederschlage. Frau Kroes vermutet, dass die unterschiedlichen Ansätze eventuell auch eine Folge der unterschiedlichen Ausgestaltung der privaten Rechtsdurchsetzung (private enforcement) seien. So könne sich die zurückgenommene staatliche Rechtsdurchsetzung in den USA durch die überaus starke Rolle der privaten Rechtsdurchsetzung in den USA erklären.

Im Hinblick auf die beabsichtigte Verstärkung der privaten Rechtsdurchsetzung in Europa gab Frau Kroes an, keinen dreifachen Strafschadenersatz (treble damages) einführen zu wollen. Über eine mögliche Einführung „doppelten Schadenersatzes“ – in letzter Zeit anscheinend wieder eine Option für die GD Wettbewerb - schwieg sie sich jedoch aus.