07.07.2008

Europäisches Parlament spricht sich für Entflechtung der Stromkonzerne aus

Das Europäische Parlament hat am 18. Juni erstmals im Plenum über die Vorschläge der EU-Kommission zur Trennung der Energieproduktion vom Betrieb der Netze im Strommarkt („Unbundling“) abgestimmt. Das Parlament sprach sich für eine umfassende eigentumsrechtliche Entflechtung der Stromproduktion und -verteilung als einzige Option aus. Dieses Ergebnis, das auf dem Bericht der Europaabgeordneten Eluned Morgan (SPE, UK) beruhte, stützte eine beträchtliche Mehrheit: 449 zu 204 Stimmen (bei 19 Enthaltungen). Bereits im Mai hatte der Energieausschuss des Parlaments (ITRE) diesen Bericht gestützt.

Damit lehnten die Abgeordneten nicht nur die von der EU-Kommission in ihrem dritten Liberalisierungspaket vorgeschlagene Alternative eines „Independent System Operator“ (ISO) ab. Sie wenden sich auch gegen die Einigung, die zwischenzeitlich von der EU-Kommission und dem Rat erzielt worden war, infolge derer die Energieerzeuger die Eigentumsrechte an den Energieverteilungsanlagen – allerdings unter strengen Bedingungen – hätten behalten können. Dieser Vorschlag, der an den so genannten „dritten Weg“ angelehnt ist, der von acht Mitgliedstaaten, u. a. von Deutschland, propagiert worden war, ist damit ebenfalls vom Tisch. Danach hätten Stromnetze in operativ unabhängige Unternehmen überführt werden sollen, die jedoch eigentumsrechtlich beim Stromkonzern verblieben wären; die Unabhängigkeit der Netzgesellschaften hätte durch strenge Auflagen im Konzern gewährleistet werden sollen. Mit der Abstimmung begeben sich das Parlament und der Rat nun auf einen Kollisionskurs. Es muss als offen gelten, ob das Dossier vor Ende der Legislaturperiode des Parlaments im März 2009 zu einem Abschluss gebracht werden kann.

Die Abstimmung des Parlaments über den weiteren Vorschlag der EU-Kommission zum Gasbinnenmarkt ist für den Juli vorgesehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Plenum dem Votum des Energieausschusses des Parlaments, der sich gegen eine erzwungene Entflechtung im Gassektor ausgesprochen hatte, folgen wird. Das Abstimmungsergebnis zum Gasbinnenmarkt dürfte wiederum Einfluss auf die Diskussion im Stromsektor haben.

Das Parlament behandelte in seiner Abstimmung auch andere Fragen. So sprach es sich dafür aus,

-    die Energiearmut zu bekämpfen und eine ausreichende Stromversorgung zu gewährleisten,
-    den Lieferantenwechsel zu erleichtern,
-    eine Charta der Rechte der Energieverbraucher zu erarbeiten,
-    Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts und zum Schutz der Umwelt einzuführen,
-    eine unabhängige und Entscheidungsbefugnissen ausgestattete Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden zu errichten und
-    ein Europäisches Netz der Übertragungsnetzbetreiber zu gründen.