20.10.2008

BKartA: Arbeitskreis Kartellrecht diskutiert über Nachfragemacht im Kartellrecht

Der Arbeitskreis Kartellrecht beim Bundeskartellamt (BKartA), an dem insbesondere Professoren und Richter der Kartellsenate beim OLG Düsseldorf und beim BGH beteiligt sind, hat am 18. September 2008 getagt. Der Arbeitskreis tagt jährlich zu grundsätzlichen wettbewerbspolitischen Themen, diesmal zum Thema „Nachfragemacht im Kartellrecht – Stand und Perspektiven“. Grundlage der Diskussion war ein gleichnamiges Arbeitspapier des BKartA.

Das Thema „Nachfragemacht“ ist in jüngster Zeit verstärkt Gegenstand der wettbewerbspolitischen Diskussion. In der ökonomischen Theorie versteht man hierunter nach traditioneller Lesart (Monopson-Modell) das Ausnutzen von Marktmacht auf der Nachfragseite durch Verringerung der Nachfrage. Durch die Mengenverknappung können Beschaffungspreise unterhalb des wettbewerblichen Niveaus durchgesetzt werden. In jüngerer Zeit wird Nachfragemacht jedoch oft als Verhandlungsmacht interpretiert, die nicht notgedrungen mit einer Verringerung der Nachfrage einhergeht, sondern sich in individuellen Vertragskonditionen ausdrückt.

Beispiele von „Nachfragemacht“ sind insbesondere der „Streik“ der Milchbauern gegen ihrer Ansicht nach zu niedrige Milchpreise oder auch die jüngst vom BKartA unter Auflagen freigegebene umstrittene Übernahme von Plus durch Edeka. Konstellationen, in denen Nachfragemacht Fragen aufwirft, beschränken sich dabei keineswegs nur auf den Lebensmittelhandel. Auch in anderen Bereichen wie der Zulieferindustrie, der Energiebeschaffung oder der Nachfrage der öffentlichen Hand verfügt die Nachfrageseite oft über Nachfragemacht.
 
In der kartellbehördlichen Praxis spielt Nachfragemacht vor allem im Rahmen der Zusam-menschlusskontrolle, bei Einkaufskooperationen und bei der Problematik der Vorteilsgewährung (passive Diskriminierung) eine Rolle.

Das Arbeitspapier zeigt auf, dass der Schutz des Nachfragewettbewerbs direkt mit der Frage des wettbewerbspolitischen Leitbildes zusammenhängt. Je nach Leitbild, Schutz des Wettbewerbs oder Schutz der Konsumentenwohlfahrt, erscheint Nachfragemacht mehr oder minder schutzwürdig. So verfolgt die EU-Kommission eine eher an der Maximierung der Konsumentenwohlfahrt (consumer welfare) ausgerichtete Wettbewerbspolitik. Dementsprechend behandelt sie die Beschränkung des Nachfragewettbewerbs in ihren Leitlinien deutlich großzügiger als eine Beschränkung des Anbieterwettbewerbs.

Zuletzt wird in dem Arbeitspapier die Besonderheit angeprochen, dass der Unternehmensbegriff von den deutschen Gerichten anders interpretiert wird als von den europäischen Gerichten. Daraus folgt die Diskrepanz, dass nach europäischem Recht, der lediglich nachfragende Staat nicht in den Anwendungsbereich des Kartellrechts fällt. Nach der Rechtsprechung des BGH wird jede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr und damit auch die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand zum Eigenverbrauch als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen, die damit dem Unternehmensbegriff untersteht.