30.10.2007

36. Brüsseler Informationstagung des FIW

FIW
36. Brüsseler Informationstagung

Vom 10.-11. Oktober 2007 fand nun bereits zum 36. Mal die Brüsseler Informationstagung des FIW statt. Zum Auftakt der Veranstaltung wurde am Abend des 10. Oktober wie gewohnt im Restaurant "La Maison du Cygne", unmittelbar am Grand Place gelegen, ein Abendessen mit Beamten der Kommission angeboten. Bereits während des Sektempfangs aber auch im Laufe des Menüs kam es zu äußerst interessanten Gesprächen über aktuelle Themen. Zu der besonderen Ehre des FIW hielt Philip Lowe, Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission, eine After Dinner-Speech über die nun langjährig bestehende Beziehung der Kommission mit dem FIW und die neuesten Entwicklungen in der Wettbewerbspolitik der EU-Kommission.


Fortgesetzt wurde die Veranstaltung am Morgen des 11.Oktober in den Tagungsräumen des Hotels Le Méridien, ebenfalls in unmittelbarer Nähe zum Grand Place. Die vierteilige Vortragsreihe dieses Veranstaltungstages wurde nach den Begrüßungsworten von Rechtsanwalt Johann Brück durch Dr. Joachim Lücking, Leiter des Referates "Fusionskontrolle - Dienstleistungen" der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission mit einem Vortrag zu den aktuellen Entwicklungen in der Fusionskontrolle begonnen. In seinem Referat sprach Dr.Lücking über den rechtlichen Rahmen, der fusionskontrollrechtlichen Problemstellungen über die FKVO und die von der Kommission erlassenen Leitlinien gegeben ist. Zudem legte er anhand jüngster Entscheidungen wie u.a.in den Fällen Impala, Karstadt Quelle und Ryanair/Aer Lingus die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Fusionskontrolle dar. Dabei betonte er, dass in Zukunft der wirtschaftlichen und ökonometrischen Analyse auch im Rahmen fusionsrechtlicher Verfahren eine immer größere Bedeutung zu käme. In der an den Vortrag anschließenden Diskussion wurde insbesondere der Fall Ryanair/ Aer Lingus erörtert.

In dem darauf folgenden Vortrag referierte Wilko Töllner, Leiter des Referates "Sonderkommission Kartellbekämpfung" des Bundeskartellamts, über "Wege zu einer besseren staatlichen Kartellrechtsdurchsetzung". Dabei ging er intensiv auf die seit Mitte 2005 in Kraft getretenen neuen Bußgeldleitlinien ein. Anschaulich stellte er insoweit die Unterschiede der deutschen Leitlinien im Vergleich zu denen auf europäischer Ebene dar. Des Weiteren beleuchtete Herr Töllner, unter welchen Voraussetzungen Verständigungen mit dem Bundeskartellamt zustande kommen können und wie sich die Bonusregelungen zu einem effektiven und viel gebrauchten Mittel in der Kartellbekämpfung entwickelt haben. Schließlich ging er auf denkbare Verbesserungen einer staatlichen Kartellrechtsdurchsetzung ein, wobei er insbesondere eine wünschenswerte Beschleunigung gerichtlicher Verfahren ansprach. In der anschließenden Diskussion wurden zahlreiche Fragen zum Schutz von Kronzeugen gestellt. Intensiv wurde dabei diskutiert, inwiefern für Kronzeugen aufgrund eines entsprechenden Antrags beim Kartellamt eventuell später in sog. Follow-on Klagen Nachteile entstehen könnten.

Nach dem Mittagessen wurde der Nachmittagsteil der Veranstaltung durch einen Vortrag zum geplanten "Direct Settlement" von Kris Dekeyser, Leiter der Abteilung ECN der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission, eröffnet. Dieser Vortag wurde von vielen Teilnehmern mit besonders großem Interesse verfolgt, da die Kommission bislang noch keinen offiziellen Vorschlag zu einem kartellrechtlichen Verfahren in Form eines "Direct Settlement" vorgelegt hat. Kris Dekeyser untersuchte dabei insbesondere die Gründe, warum es auch auf europäischer Ebene eine Verständigung zwischen Kommission und Unternehmen in Form eines "Direct Settlement" geben sollte. So hob er hervor, dass ein "Direct Settlement" u.a. zu einer effizienteren Kartellrechtsdurchsetzung führen könnte, zu einer Vereinfachung des administrativen Verfahrens und auch mögliche Rufschädigungen, die durch ein oft langwieriges "normales" Kartellverfahren entstehen, verhindern könnte. Anschließend ging er darauf ein, wie ein System des "Direct Settlement" in seinen Grundzügen auf europäischer Ebene aussehen könnte:

Schließlich wies er auf zahlreiche noch ungeklärte Probleme hin, die es bei der Schaffung eines "Direct Settlement" Systems zu beachten gäbe. So müssten die Spannungen berücksichtigt werden, die sich aus der Anwendung eines "Direct Settlements" auf mögliche spätere privatrechtliche Schadensersatzklagen ergeben oder die Problematik sog. "Hybrid" Fälle, die sich dann ergeben würden, wenn ein Teil der Kartellverdächtigen sich für ein "Direct Settlement" aussprechen, andere aber die Durchführung eines normalen Kartellverfahrens wünschen. Abschließend betonte Kris Dekeyser, dass insoweit noch zahlreiche Einzelheiten ungeklärt seien, dass aber voraussichtlich mit einer offiziellen Stellungnahme der Kommission bis spätestens 2008 zu rechnen sei. Im Anschluss an seinen Vortrag gab es aufgrund des hochaktuellen Themas zahlreiche Fragen von Seiten der Teilnehmer, die Kris Dekeseyer, soweit es ihm möglich war, auch beantwortete. Verständlicherweise konnte er zu Detailfragen jedoch keine Stellung nehmen.

Der letzte Vortrag der Veranstaltung wurde von Rechtsanwalt Jochen Burrichter, Partner bei Hengeler Mueller in Düsseldorf/ Brüssel, gehalten. Er untersuchte Systeme des "Direct Settlement" aus Sicht eines Praktikers. Herr Burrichter ging dabei insbesondere auf die in Deutschland schon lange bestehende Praxis der Verständigung ein, welche jedoch nie zu einem formalisierten Verfahren, wie es auf europäischer Ebene geplant ist, fortentwickelt wurde. Eingehend untersuchte er dabei, in welchen Fällen sinnvoller Weise ein Anwalt eine Verständigungslösung mit dem Kartellamt überhaupt für seinen Mandaten in Betracht ziehen sollte. Insoweit betonte er, dass weitgehende Klarheit über die Sachlage bestehen sollte und eine vollständige Kooperation aller betroffenen Mitarbeiter gegeben sein sollte, die notfalls auch über arbeitsrechtliche Schritte zu erzwingen sei. Des Weiteren besprach er Probleme und verfahrensrechtliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit einem "Direct Settlement" System. So sei es u.a. schwierig, die Höhe der beabsichtigten Bußgelder im Rahmen einer Verständigung abzuschätzen. In Bezug auf ein europäisches "Direct Settlement" System sah Herr Burrichter insbesondere darin eine Problematik, dass die Verhandlungen durch die Generaldirektion Wettbewerb zu führen wären, dass die endgültige Entscheidung über das "Direct Settlement" jedoch der Europäischen Kommission als Kollegialorgan zustehe. Dies stelle  für die betroffenen Unternehmen eine erhebliche Verhandlungsunsicherheit dar. Als Lösung für dieses Problem, schlug Herr Burrichter vor, dass der jeweilig amtierende Wettbewerbskommissar von der Kommission dazu bevollmächtigt werden sollte, eine alleinige Entscheidung zu treffen. Auch im Anschluss an diesen letzten Vortrag ergab sich eine angeregte Diskussion.

Nach den Abschiedsworten von Rechtsanwalt Johann Brück ging die Veranstaltung, die aufgrund ihrer äußerst aktuellen Themen, zahlreich besucht war, gegen 17 Uhr zu Ende. Für die gelungene Organisation der Veranstaltung dankt das FIW auch an dieser Stelle den Rechtsanwälten Dr. Ferdinand Hermanns und Johann Brück, Meerbusch.