02.05.2006

USA: Bericht der FTC über Patentvergleiche von Pharmafirmen mit Generika-Herstellern

USA
Federal Trade Commission
Arzneimittel
Gewerblicher Rechtsschutz

https://www.ftc.gov/opa/2006/04/drugsettlements.htm
In Patentstreitigkeiten zwischen Pharmaunternehmen, die ihre Patente geltend machen, und Generika-Herstellern, die diese Schutzrechte bestreiten, werden nicht selten Vergleiche geschlossen, die mitunter die Vermarktung eines Generikums gegen Zahlungen des Patentinhabers hinausschieben. Hintergrund ist die strategische Ausnutzung der Gesetzeslage. Die FTC hat im Falle Schering-Plough Wettbewerbsbedenken gegen solche Verträge erhoben, doch ist ihre Entscheidung vom Bundesgericht (11th Circuit) aufgehoben worden. Seit 2003 sind solche Patentvergleiche der FTC zu melden. Der jetzt erschienene Bericht gibt einen ersten Überblick über die Praxis. Zum Verständnis soll die rechtliche Situation kurz skizziert werden.

Ein neues Arzneimittel lässt die Food and Drug Administration (FTA) auf Antrag des Anmelders (New Drug Application – NDA) zu. Dabei müssen die Patente angegeben werden, die das Arzneimittel schützen. Die FTA trägt sie ungeprüft in ein Register ein, das „Orange Book“. Auch der Generika-Hersteller muss das Zulassungsverfahren durchlaufen, kann sich aber für den Nachweis der Bio-Äquivalenz auf eine schon vorliegende NDA beziehen (Abbriviated NDA – ANDA). Er muss zudem versichern („Paragraph IV Certification“), dass das Generikum die NDA-Patente nicht verletzt. Diese Versicherung wird dem Patentinhaber übermittelt.

Reagiert das Pharmaunternehmen nicht, darf das Generikum sofort nach seiner Zulassung durch die FDA auf den Markt gebracht werden. Erhebt es jedoch innerhalb von 45 Tagen eine Verletzungsklage, bringt dies einen erheblichen Vorteil: die FDA schiebt die Zulassung um 30 Monate hinaus (es sei denn, die Verletzungsklage wird vorher abgewiesen oder das Patent läuft aus). Wettbewerbsbedenken ergeben sich dabei aus den Gesichtspunkten des Patentmissbrauchs (patent misuse) oder des Missbrauchs des Verfahrens (sham litigation).

Patentinhaber und Generika-Applikant haben oft beide ein Interesse an einem Vergleich. Der Patentinhaber kann die Vermarktung des Generikums verzögern oder unterstützend (gegen „Lizenzgebühr“ des Generika-Herstellers) begleiten, der Generika-Hersteller kann sich den Aufschub finanziell entgelten lassen. Außerdem werden auf beiden Seiten Prozesskosten gespart.

Der FTC sind 2005 20 Vergleiche notifiziert worden. Darunter waren 11 endgültige Regelungen zwischen Patentinhabern und Generika-Herstellern, 5 Zwischen-Abkommen (meist bezogen auf bevorstehende Gerichtstermine) und 4 zwischen ersten und späteren Generika-Anmeldern.

In der ersten Gruppe bieten 3 Vergleiche das klassische Bild: das Generikum kommt später heraus, der Hersteller erhält vom Patentinhaber eine Entschädigung (in 2 Fällen verbunden mit Regelungen für andere Produkte). In einem Vertrag war lediglich ein Aufschub, aber keine Kompensation vereinbart worden. 7 Vereinbarungen sehen keine Restriktionen für die Vermarktung vor.

FTC-Commissioner Leibowitz hat in einem Vortrag vor Pharma-Juristen am 24. April 2006 in Philadelphia (auf der Webseite der FTC unter „Speeches 2006“) besonders die Entscheidung des Bundesgerichts im Fall Schering beklagt, die Zahlungen des Patentinhabers an den Generika-Hersteller jedenfalls nicht per se verbietet. Im Fall Zeneca / Barr (Tamoxiven) hat ein weiteres Bundesgericht (2nd Circuit) die Beschwerde der FTC gegen einen Aufschub der Vermarktung zurückgewiesen, soweit der Aufschub nicht über die Laufzeit des Patentes hinausgeht. Die FTC hat den Supreme Court im Fall Schering angerufen. Eine Entscheidung über die Annahme fällt vor der Sommerpause. Der Supreme Court hat den Solicitor General um Stellungnahme gebeten, was als positives Zeichen gewertet wird.

Hilft der Supreme Court nicht, will sich die FTC an den Gesetzgeber wenden. Ein anderer Weg wäre, weitere Fälle vor Bundesgericht zu bringen, die der Auffassung der FTC näher stehen, dadurch ein Auseinanderfallen der Rechtsprechung zu bewirken und mit besseren Chancen erneut den Supreme Court anzurufen.