20.06.2006
USA: Antitrust Modernization Commission diskutiert Patente und Fusionskontrolle
USA
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https://www.amc.gov |
In einer dritten Diskussionsrunde hat die AMC sich mit dem amerikanischen Patentsystem und der Fusionskontrolle befasst. Zwei weitere Diskussionsrunden werden am 13. Juli und am 25. und 26. Juli 2006 folgen.
Wir geben einen kurzen Überblick über die drei Dokumente, die diesmal der Erörterung zugrunde lagen:
New Economy (Patents) Discussion Memorandum (46 Seiten)
Seit 1980 haben im amerikanischen Patentsystem Änderungen stattgefunden, die zu einer Stärkung der Schutzrechte geführt haben: Ausdehnung des Patentschutzes auf neue Gebiete, Verbesserung der Position des Patentinhabers gegenüber Verletzern, Verlängerung der Schutzdauer bestimmter Patente sowie Zurücknahme des Antitrustrechts bei Lizenzvergaben. Die Anmeldetätigkeit hat folglich zugenommen, aber auch die Verfahrensdauer (2002: 24 Monate). Viele meinen, die Qualität der Patenterteilung habe abgenommen. Daraus würden sich Wettbewerbshindernisse ergeben, die schon die FTC in ihrem Bericht von 2003 über das Patentsystem festgestellt hatte (FIW-Aktuelles vom 10.11.2003). Auch die zunehmende Zahl von Patentstreitigkeiten wird mit Sorge betrachtet (2004 über 3000), auch wegen der hohen Kosten für die Parteien (im Schnitt 4,5 Mio. Dollar bei Streitwerten über 25 Mio. Dollar).
Das meiste, was jetzt in der AMC diskutiert wird, betrifft Regeln des Patentrechts:
- Man sollte vorsichtiger vorgehen, wenn der Patentschutz auf neue Gebiete wie Software, Mikrobiologie oder Geschäftsmethoden ausgedehnt wird,
- das Erstanmelderprinzip sollte in den USA übernommen (heute erhält der erste Erfinder unabhängig vom Anmeldezeitpunkt das Patent),
- Patentanmeldungen sollten nach 18 Monaten offengelegt werden, jedenfalls internationale Anmeldungen (Ausschluss von überraschenden Anmeldungen, die plötzlich auftauchen: submarine patents).
- strengere Prüfung der angemeldeten Erfindungen auf Neuheit und Erfindungshöhe mit größeren Informationsverpflichtungen für Anmelder,
- mehr Gelder für das Patentamt,
- Beschränkungen für continuation patents (Vorschläge des US-Patentamts, FIW-Aktuelles vom 10.5.2006),
- Einführung eines Einspruchsverfahrens nach Patenterteilung,
- kein dreifacher Schadensersatz bei vorsätzlichen Patentverletzungen (wilful infringement), weil Unternehmen dann nötige Recherchen unterlassen (nur negligence-Haftung in solchen Fällen),
- niedrigerer Beweisstandard für Patentnichtigkeit (preponderance of evidence statt clear and convincing proof),
- höhere Hürden für den einstweiligen Rechtsschutz in Verletzungsverfahren, besonders im Hinblick auf Betriebsschließungen.
Mergers (Substantive Issues) Discussion Memorandum (63 Seiten)
Das Papier gibt zunächst einen guten Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung und der Praxis seit Erlass von Sec. 7 Clayton Act: Celler-Kefauver Act von 1950: Einschluss von asset deals, Hart-Scott-Rodino Act von 1976: Anmeldesystem eingeführt, Merger Guidelines des DoJ von 1968 (Turner) und 1982 (Baxter), Revision von 1984, FTC/DoJ Guidelines von 1992 (coordinated and unilateral effects, potential market entries) und 1997 (efficiencies), Merger Review von DoJ und FTC (2003) und FTC allein (2004), FTC/DoJ-Kommentar zu den horizontalen Leitlinien (FIW-Aktuelles vom 3.4.2006).
Die angehörten Experten haben sämtlich bestätigt, dass das System gut funktioniert und Gesetzesänderungen unangebracht sind. Die Leitlinien könnten allerdings in verschiedenen Punkten ergänzt werden:
- Braucht man die Bestimmung des relevanten Marktes noch, wenn sich die Marktmacht bereits aus ökonometrischen Messungen ableiten lässt? Dies wird in den USA gefordert, da die Marktbestimmung sehr umfangreiches Material verlangt und deshalb für die Unternehmen belastend ist.
- Man sollte das Verhältnis von Marktmacht und Konzentration eingehender untersuchen. Dazu gibt es neuere Forschungen, die ausgewertet werden sollten. Die Leitlinien messen der Konzentration heute allerdings nur eine Indikationswirkung bei.
- Gibt man Aussagen von Lieferanten und Kunden nicht zu großes Gewicht?
- Allgemein wird verlangt, dass frühere Entscheidungen in Fusionsfällen noch stärker überprüft werden, um daraus für die Zukunft zu lernen.
- Welche Rolle sollen in der Fusionskontrolle Innovationsmärkte spielen (bekannt aus den Intellectual Property Guidelines)? Die meisten empfehlen ein vorsichtiges Vorgehen. Die heutigen Instrumente der Bestimmung von Märkten reichen an sich aus.
- Problematisiert wird auch, ob die Frist für Marktzutritte (2 Jahre) richtig bemessen ist.
- Eine Rolle spielt ferner die Behandlung von Effizienzen (Standard, Beweislast), ohne dass nachdrücklich Änderungen verlangt werden. Der consumer-welfare-Standard soll beibehalten werden.
- FTC und DoJ sollten künftig alle Freigaben begründen (geschieht heute nur sporadisch).
Merger Enforcement (HSR Pre-Merger Review Process) Discussion Memorandum (36 Seiten)
In diesem Teil geht es speziell um den Hart-Scott-Rodino Act von 1976, der eine Anmeldepflicht mit Wartefrist für Zusammenschlüsse eingeführt hat. Erinnert wird an die Absicht des Gesetzgebers, mit dem neuen System die Wirtschaft nicht zu überfordern. Dies ist nicht eingetroffen. 2004 wurden 1454 Transaktionen angemeldet und 35 Second Requests ausgesprochen. Schon das ICPAC-Komitee hatte 2000 die exzessiven Kosten der Fusionskontrolle beklagt und Abhilfen gefordert. Die HSR-Änderungen von 2000 haben nur in einigen Punkten Entlastung gebracht (höhere Schwellenwerte, Änderungen bei der Anmeldegebühr). Allerdings unternehmen DoJ und FTC Anstrengungen (in Fällen von second request hat sich die Verfahrensdauer von 248 Tagen 2001 auf 134 Tage 2005 fast halbiert). FTC hat weitere Änderungen eingeführt (FIW-Aktuelles vom 9.3.2006), die den second request betreffen. DoJ hat seinerseits Änderungen angekündigt.
Allgemein wird zugestanden, dass das System grundsätzlich in Ordnung ist. Man kann sich aber eine weitere Reduzierung der Belastungen für die Unternehmen vorstellen. In diese Richtung gehen verschiedene Vorschläge:
- Beim second request sollte die Zahl der Auskunftspersonen in den Unternehmen, die ihre Unterlagen zur Verfügung stellen müssen, sowie die Zahl der Jahre, auf die sich der request erstreckt, begrenzt werden. FTC hat solche Änderungen schon angekündigt (s.o.).
- Die Dauer und der Umfang des second request sollten limitiert werden, wobei man sich an der EU-Praxis orientieren könnte.
- Überlegt wird, wie man das Verfahren des second request so abkürzen kann, dass umstrittene Fälle schneller vor Gericht gebracht werden und dort die weitere Sachaufklärung nach den Grundsätzen der discovery erfolgt.
- Reicht es aus, dass die Unternehmen während des second request gegen Anordnungen eine interne Überprüfung durch die Behörde verlangen können oder sollte man dies einer unabhängigen Stelle übertragen (federal magistrate)?
- Der Standard der substantial compliance mit dem second request sollte verdeutlicht werden, da es dazu keine Rechtsprechung gibt.
- Zur Transparenz wird gefordert, die Behörden sollten die Unternehmen während des second request über ihre wettbewerblichen Bedenken formell unterrichten (statement of competition concerns).
- DoJ und FTC sollten auf ihrer Website veröffentlichen, welche Fälle angemeldet worden sind und in welchem Stadium sich die Prüfung jeweils befindet.