30.05.2006
FTC-Commissioner Thomas Rosch über das EG-Diskussionspapier zu Artikel 82 EU (Vortrag)
USA
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https://www.ftc.gov/speeches/rosch |
Mr. J. Thomas Rosch, einer der fünf Commissioners der Federal Trade Commission, hat sich in einem Vortrag am 11. Mai 2006 auf einem wettbewerbsrechtlichen Forum in St. Gallen zum Diskussionspapier der Kommission über die Anwendung von Artikel 82 EU auf Fälle des Behinderungsmissbrauches geäußert (11 Seiten).
In einem ersten Teil gibt Mr. Rosch drei allgemeine Eindrücke wieder:
- Die Konvergenz zwischen den USA und Europa bei der Beurteilung von Marktmissbräuchen (single-firm or unilateral conduct) ist weit fortgeschritten, soweit es die theoretischen Grundlagen betrifft.
- Auch das Vokabular stimmt zunehmend überein: equally efficient competitor, profit sacrifice, counter strategies sind dafür Beispiele.
- Daraus ergibt sich, dass auch die USA von Europa lernen können, zumal auch in den USA über monopolization nachgedacht wird, wie die vorgesehenen Anhörungen von FTC und DoJ zu diesem Thema belegen (FIW-Aktuelles vom 3.4.2006).
Im zweiten Teil behandelt Mr. Rosch fünf Einzelprobleme:
- Kann man die Wettbewerbswidrigkeit potentielle marktmissbräuchlichen Verhaltens mittels einer abgekürzten Analyse (abbreviated analysis) ohne die meist aufwändige Bestimmung des relevanten Marktes beurteilen? Dies ist in den USA nach der Rechtsprechung zulässig, wenn die wettbewerbsschädlichen Wirkungen offensichtlich sind. Das EU-Papier bemerkt hierzu, dass Marktmacht auch angenommen werden dürfe, ohne die Marktstruktur, die Marktanteile und die Konzentration genau zu untersuchen (Ziffern 24, 26, 34).
- Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Marktmacht und der Marktstruktur sowie der Verbreitung eines Verhaltens? Dies führt in den Bereich der kollektiven Marktbeherrschung (Ziffern 43 ff). In den USA gibt es kein „shared monopoly“. Amerikanische Gerichte sind auch zurückhaltend, wenn sich die Wettbewerbswidrigkeit aus der Verbreitung ergeben soll, etwa aus dem Umstand, dass fast alle Lieferanten ihren Händlern bestimmte Vertriebsgebiete zuweisen. Die Kommission ist hier weniger zögerlich.
- Kann die Wettbewerbswidrigkeit durch Kostenanalysen bestimmt werden? Bei Kampfpreisen besteht hier Einigkeit, dass dies möglich ist. Bei Lieferverweigerungen und anderen Formen des Preisverhaltens wie Treuerabatten und Kopplungen (economic tying) ist dies in den USA nicht üblich (Entscheidung LePage´s), aber die Diskussion ist noch nicht beendet. Man sieht die Schwierigkeit, die Kosten des Unternehmens genau zu bestimmen. Meist läuft dies auf einen Expertenstreit hinaus. Die FTC untersucht deshalb zunächst einmal die Marktauswirkungen. Sind sie nicht negativ, spart man die Auseinandersetzung über die Kosten. Nur wenn eindeutig Kampfpreise anzunehmen sind, verfolgt man missbräuchliche Preisstrategien.
- Soll die Wettbewerbswidrigkeit davon abhängen, dass tatsächlich Behinderungswirkungen aufgetreten sind? Die Kommission lässt für den Beweis der Ausschlusswirkung in bestimmten Fällen schon die Absicht genügen (Ziffern 112, 140, 171). In den USA kommt es bisher noch auf die tatsächlichen Behinderungswirkungen an (Fall Jefferson Parish Hospital). Dies kann zu eng sein, denn selbst wenn die Wettbewerber Strategien gegen bestimmtes Marktverhalten des Marktbeherrschers entwickeln, dauert es eine gewisse Zeit, bis sich dies im Markt auswirkt. Inzwischen nimmt der Marktbeherrscher Monopolpreise.
- Deshalb auch die Frage: Wie steht es mit langfristigen Korrekturen von Marktmissbrauch durch den Markt? Dies ist in den USA nie eindeutig beantwortet worden, und auch das EU-Papier tut dies nicht. Aber es wäre für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts besser, wenn darauf eine Antwort gefunden würde.