19.08.2005
USA: Anhörungen des Antitrust Modernization Committee zum dreifachen Schadensersatz und anderen Themen
USA
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https://www.amc.gov |
Drei Anhörungen haben bereits stattgefunden: Zu den Schadensersatzansprüchen der mittelbaren Abnehmer (indirect purchasers), zum Robinson-Patman-Act (Abschaffung verschiedener Vorschriften wegen Bedeutungslosigkeit?) und zu den zivilrechtlichen Ansprüchen gegen Kartellanten (civil remedies).
Die letztere Anhörung am 28. Juli 2005 ist auch für europäische Fachleute interessant, denn es geht vor allem um die Frage, ob der obligatorische dreifache Schadensersatz als Folge von Kartellverstößen beibehalten oder modifiziert werden sollte. Bekanntlich hat die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten zur 7. GWB-Novelle eine solche Rechtsfolge grundsätzlich auch für Deutschland empfohlen. Auch die Kommission überlegt, wie Privatklagen erleichtert werden können und wird dazu demnächst ein Grünbuch veröffentlichen. Angesichts der allgemeinen Konvergenz zwischen europäischem und amerikanischem Wettbewerbsrecht ist es deshalb auch für die Europäer geboten, die amerikanische Reformdiskussion nicht nur in diesem Punkt zu verfolgen.
In der Anhörung wurden 3 Komplexe erörtert: die Zweckmäßigkeit dreifachen Schadensersatzes, das Verbot einer gesamtschuldnerischen Haftung der Kartellmitglieder (und damit der Wegfall jeder Ausgleichspflicht) sowie der Ausschluss einer Kostenerstattung des unterlegenen Klägers.
Zum Thema Schadensersatz waren fünf Experten. Vier waren dafür: Professor Cavanagh (New York), Professor Lande (Baltimore), Mr. Susman (Anwalt aus Houston) und Mr. David Boies. Einer war dagegen: Mr. Lipsky (Anwalt bei Latham & Watkins). Jeder Teilnehmer hatte zuvor seine Aussagen schriftlich eingereicht (sie sind nun im Internet abrufbar).
Aus den Beiträgen sind folgende Gesichtspunkte festzuhalten:
- Der dreifache Schadensersatz ist 1890 mit dem Sherman Act eingeführt worden. Was 115 Jahre gegolten hat, sollte nicht ohne überzeugende Gründe geändert werden (if it ain´t broke, don´t fix it).
- Der dreifache Schadensersatz ist ein mächtiger Antrieb für private Kläger (vor allem verbunden mit der American Rule der Kostenerstattung). Nur auf diese Weise kann für Kläger das Risiko erfolgloser Klagen einigermaßen gemindert werden.
- Die Verdreifachung ist nötig, um den Klägern wenigstens einfachen Schadensersatz zu gewährleisten, da die Verfahren bis zum Endurteil leicht 6 bis 8 Jahre dauern können und der Schadensersatz vor dem Urteil nicht verzinst wird.
- Für die Industrie ergibt sich keine unzumutbare Belastung, denn die großen Fälle werden durchweg verglichen, wobei regelmäßig einfacher Schadensersatz das Ergebnis ist.
- Es wird geschätzt, dass nur ein Drittel aller Kartelle aufgedeckt wird. Daher sollten die ermittelten Kartellanten für die Dunkelziffer mithaften (andere Schätzungen sprechen sogar von nur 10 Prozent aufgedeckter Fälle).
- Es ist allerdings zu überlegen, ob angesichts der härteren strafrechtlichen Sanktionen das Argument der Abschreckung noch in vollem Umfang aufrecht erhalten werden kann. Schließlich ist vor Kurzem der Rahmen für Geldstrafen auf das Zehnfache erhöht worden, außerdem können Geldstrafen nach dem Prinzip „doppelter Gewinn oder doppelter Verlust“ berechnet werden, so dass auch die Abschöpfung nicht zu kurz kommt. Aber die Strafverfolgung ist eine Ermessenssache der Behörden, so der Haupteinwand.
- Der amerikanische Kongress hat nicht nur kürzlich den anzeigenden Unternehmen das Privileg einfachen Schadensersatzes zugebilligt, sondern auch schon früher Ausnahmen von der Verdreifachung gemacht – im National Cooperative Research and Production Act (1993) und für die private Normsetzung im Standards Development Organization Advancement Act (2004). Ist dies der Trend einer Reform?
- Breiten Raum nehmen Überlegungen zur Angemessenheit dreifachen Schadensersatzes für alle Wettbewerbsverstöße ein. Dabei werden verschiedene Gesichtpunkte erörtert: Heimlichkeit des Verstoßes? Schwere des Verstoßes (Angemessenheit etwa bei Kopplungen oder Lizenzverträgen usw.)? Dreifacher Schadensersatz nur bei Verbraucherklagen, nicht bei Klagen von Konkurrenten? Soll man den Multiplikator dem Gericht freistellen? Die Befürworter argumentieren meist mit der Fairness, die Gegner hingegen mit der Rechtsunsicherheit.
Wie das AMC diese Einlassungen bewerten wird, ist noch offen. Darüber werden die Mitglieder nach Abschluss aller Anhörungen beraten.