07.06.2005
R. H. Pate (DoJ): Wettbewerb und gewerbliche Schutzrechte in den USA (Vortrag)
USA
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https://www.usdoj.gov/atr/speeches |
Mr. R. Hewitt Pate, Leiter der Wettbewerbsabteilung des amerikanischen Justizministeriums (der Ende Juni 2005 sein Amt aufgibt und sich einer Anwaltskanzlei anschließen wird), hat am 3. Juni 2005 beim EU Competition Workshop in Florenz über das Verhältnis von Wettbewerbsrecht und Gewerblichem Rechtsschutz referiert ("Competition and Intellectual Property in the US: Licensing Freedom and the Limits of Antitrust"). Ausgehend von der grundsätzlichen Philosophie über das Verhältnis der beiden Gebiete wendet er sich dann einigen praktischen Problemen der Lizenzpraxis zu:
- Gewerbliche Schutzrechte sind wie andere Formen des Eigentums zu behandeln und nicht von der Anwendung des Antitrustrechts ausgenommen. Die Vergabe von Lizenzen wird als im Allgemeinen für den Wettbewerb förderlich angesehen.
- Das Wettbewerbsrecht hat allerdings eine engere Perspektive als der Gewerbliche Rechtsschutz, denn es orientiert sich an konkreten wettbewerbsbeschränkenden Handlungen und ihren Auswirkungen auf Märkte und Verbraucher. Dem Gewerblichen Rechtsschutz liegt hingegen eine langfristige Betrachtung zugrunde, nämlich in erster Linie ein System des Anreizes für Erfindungen und Neuerungen zu etablieren, von dem dann in einem zweiten Schritt Wettbewerb und Konsumenten profitieren. Dies ist eine Entscheidung des Gesetzgebers, die in der Anwendung des Wettbewerbsrechts respektiert werden muss. Dasselbe gilt vom Charakter der Gewerblichen Schutzrechte als Rechten, die ihren Inhabern die Befugnis verleihen, andere von der Benutzung der Erfindung oder geistigen Schöpfung auszuschließen ("the fundamental right").
- Schon außerhalb des Gewerblichen Rechtsschutzes gehört es zu den Grundprinzipien des amerikanischen Kartellrechts, dass die Geschäftsverweigerung als solche kein Antitrustverstoß ist. Auch der Inhaber eines Patents oder Urheberrechts darf frei entscheiden, ob er eine Lizenz vergeben will oder nicht. Dieser Grundsatz kommt in den Licensing Guidelines von DoJ und FTC aus dem Jahre 1995 deutlich zum Ausdruck. Er wird auch durch die Entscheidung des Supreme Court in Verizon v. Trinko bestätigt (kein IP-Fall), wo "refusal to deal" nur durch eine enge Liste von Ausnahmen eingeschränkt wird (wobei DoJ die Lizenzverweigerung eindeutig nicht dieser Liste zuordnet).
- Kurzfristig mag es nahe liegen, den Schutzrechtsinhaber zur Lizenzvergabe zu veranlassen (Wettbewerbsaspekt), aber langfristig kann sich dies negativ auf die allgemeine Bereitschaft, in Forschung und Innovation zu investieren, auswirken (IP-Aspekt). Ob die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache IMS Health hier den Akzent richtig setzt, bleibt abzuwarten. Wie die Kriterien, die der EuGH an eine Zwangslizenz anlegt, tatsächlich zu beurteilen sind, wird sich schon in der anstehenden Microsoft-Entscheidung besser zeigen (etwa: Spielt es eine Rolle, dass bei IMS Health ein relativ schwaches Urheberrecht Gegenstand des Streites war?).
- In den USA gibt es Probleme mit Unternehmen, die an Normsetzungsverfahren teilnehmen, dabei ihre Schutzrechte verschweigen und anschließend die Benutzer der Norm mit Lizenzforderungen konfrontieren (FTC-Fälle Rambus und Unocal). DoJ weigert sich in solchen Fällen, die Angemessenheit der Lizenz zu überprüfen, denn dies liefe auf Preiskontrolle hinaus und würde die Wettbewerbsbehörde letztlich zum Regulierer werden lassen. Besser ist es, solchen Praktiken durch Offenbarungspflichten der beteiligten Unternehmen entgegenzuwirken (die anschließend Haftungsansprüche auslösen können, wenn sie verletzt werden). Man kann auch die beteiligten Unternehmen von vornherein zu "angemessenen Lizenzgebühren" verpflichten.
- Zwangslizenzen bieten sich als Abhilfe in manchen Fusionsfällen an (eventuell als Ersatz für Entflechtung). Generell zögern die Wettbewerbsbehörden mit solchen Anordnungen, weil die Überwachungsprobleme zu groß sind.
- Einige klagen über die Praxis der Patenterteilung durch das US Patent and Trademark Office: Patente würden zu schnell und in zu großer Zahl erteilt. Die FTC hat dazu 2003 einen umfangreichen Bericht veröffentlicht (FIW-Aktuelles vom 10.11.2003). Das Urteil ist schwierig. Wie wäre die Lage ohne dieses "excessive patenting", würde die Innovation wirklich leiden? Die Wettbewerbsbehörden sind gut beraten, dieses Feld den Patentbehörden und dem Gesetzgeber zu überlassen.
- Es gibt keine Vermutung, dass Gewerbliche Schutzrechte Marktmacht verleihen, wenngleich dies in einigen Gerichtsentscheidungen immer wieder einmal anklingt. Es könnte sein, dass der Supreme Court demnächst einen Fall zur Entscheidung annimmt, der Gelegenheit böte, diesen Grundsatz höchstrichterlich festzuschreiben.