19.12.2005
D. Majoras (FTC): State Intervention - A State of Displaced Competition (Vortrag)
USA
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https://www.ftc.gov/speeches/majoras/051205euantitrust.pdf |
Ms. Deborah P. Majoras, die Vorsitzende der Federal Trade Commission, hat am 20. September 2005 auf dem Antitrust Symposium der George Masom Law Review in Washington einen Vortrag über staatliche Wettbewerbsbeschränkungen gehalten, der erst jetzt auf der Website veröffentlicht worden ist.
Ms. Majoras stellt die europäische Situation der amerikanischen gegenüber und erläutert ihren Zuhörern zunächst Art. 86 (Daseinsvorsorge) und 87 FF EU (Beihilferecht). In der EU sind durch Art. 10 EU alle Mitgliedstaaten auf ein System unverfälschten Wettbewerbs verpflichtet. Die engen Ausnahmen werden von der Kommission überwacht. In den USA verhält es sich genau umgekehrt. Die Einzelstaaten haben das Recht, jegliche Tätigkeit von der Anwendung der Kartellgesetze auszunehmen. Der oberste Gerichtshof hat dafür in der Entscheidung Parker vs. Brown (1943) jedoch zwei Voraussetzungen aufgestellt: „clear articulation“ und „active supervision of the regulatory scheme by the state“. Beide Kriterien sind im Laufe der Zeit sehr extensiv gehandhabt worden. Die FTC bemüht sich, durch ihre Entscheidungspraxis wieder für klarere Maßstäbe im Sinne der Rechtsprechung zu sorgen. Ms. Majoras nennt dazu Beispiele:
- Im Fall Ketucky Household Movers durfte der Branchenverband für seine Mitgliedsunternehmen verbindliche Tarife für Umzüge aufstellen. Einige Einzelstaaten ließen es an der Überwachung fehlen, so dass nach Auffassung der FTC die Antitrust-Ausnahme für diese horizontalen Absprachen nicht mehr gerechtfertigt war. Der Fall hat große Bedeutung für Verbraucher, denn jährlich ziehen 40 Millionen Amerikaner um (dies entspricht der Bevölkerung Spaniens). Die Sache ist derzeit beim Berufungsgericht für den 6. Circuit anhängig.
- Um die „clear articulation“ geht es hingegen beim Fall South Carolina State Board of Dentistry. Der Staat South Carolina erlaubt bestimmte Dienstleistungen von Zahnhygienikern in Schulen, wenn die Kinder zuvor innerhalb von 45 Tagen einen Zahnarzt aufgesucht haben. Die zeitliche Beschränkung hob das Parlament später auf, die Organisation der Zahnärzte, denen die Tätigkeit der Zahnhygieniker ein Dorn im Auge ist, hielt in ihren Verbandsregeln gleichwohl daran fest. Die Verbotsentscheidung der FTC wird jetzt vom Berufungsgericht für den 4. Circuit überprüft.
- Autohändler der Marke Chrysler taten sich zusammen (Gruppenboykott), um den Hersteller zu veranlassen, konkurrierenden Händlern den Vertrieb über das Internet zu untersagen. Die FTC wandte sich gegen diesen Boykott. Daraufhin überzeugten die Händler aber den Gesetzgeber von einer gesetzlichen Regelung, die nunmehr in allen 50 Staaten Direktverkäufe der Hersteller und den Internetvertrieb von Händlern ohne Franchise verbietet. Hier zeigt sich die nicht ungewöhnliche Situation, dass eine kartellrechtliche Lösung mit Hilfe des Gesetzgebers unterlaufen wird.
Der letzte Fall zeigt auch, wie wichtig Überzeugungsarbeit (advocacy) ist, der sich die FTC neben ihrer Entscheidungspraxis auch widmet:
· FTC und DoJ haben im Herbst 2005 Anhörungen zum Maklerwesen durchgeführt (die Materialien sind auf der Website des DoJ abrufbar). Bisher boten die Makler bei Hausverkäufen ein Komplettpaket an, von der Werbung über die Verhandlungen bis zum Abschluss. Jetzt bieten einige Dienstleister nur Teile dieses Pakets an, etwa die Werbung, während es dem Veräußerer selbst überlassen bleibt, mit dem Interessenten zu verhandeln und abzuschließen. Dagegen wehren sich die Maklerverbände. Sie haben einige Einzelstaaten bereits für eine gesetzliche Regelung in ihrem Sinne gewonnen. Die Anhörungen der beiden Wettbewerbsbehörden dienen deshalb auch dazu, diesen Bestrebungen in der Öffentlichkeit entgegenzuwirken.
- In einigen Staaten wird es Händlern untersagt, Benzin unter dem Einstandspreis abzugeben (sales below cost laws). Dies zielt auf Supermärkte wie WalMart ab, die nebenher Billigtankstellen betreiben. In mehreren Staaten konnte die FTC solche Gesetze verhindern.
- Durch einen Bericht hat die FTC auf Restriktionen beim Weinhandel zwischen den Staaten aufmerksam gemacht. Verschiedene Einzelstaaten verbieten oder beschränken den Direktbezug von Wein von Lieferquellen außerhalb des Staates. Der oberste Gerichtshof hat nun in diesem Jahr in Granholm vs. Heald zwei dieser Gesetze (Michigan, New York) als verfassungswidrig aufgehoben und sich dabei ausdrücklich auf die Recherchen der FTC bezogen.
- Die FTC ermöglichte es ferner gegen den Widerstand der eingesessenen Rohstoffbörsen in Chicago, dass der europäische Konkurrent Eurex eine elektronische Handelsplattform in den USA eröffnen konnte. Sie verhandelte darüber mit der zuständigen Commodities Future Trading Commission.